Genetikk

Noch vor etwa einem Jahr waren Genetikk nur besonders privilegierten Auskennern ein Begriff – unserem Autoren Dominik Lenze zum Beispiel, der den Namen das erste Mal in den heiligen Hallen der rap.de-Redaktion erwähnte. Vergagenen Herbst wurden Sikk und Karuzo dann bei Selfmade Records unter Vertrag genommen und ihr Bekanntheitsgrad erfuhr einen deutlichen Aufschwung. Nun ist ihr erstes Album über Selfmade vor einer Woche erschienen. "Voodoozirkus" heißt das gute Stück und ist in physischer Form exklusiv über den Selfmade-Shop zu beziehen, was bedeutet, dass die Verkäufe nicht für die offiziellen Charts gezählt werden. Karuzo und Sikk stört das offenbar nicht weiter, jedenfalls entspann sich ein interessantes Gespräch über Kunst, Phantasie, Rollen, Realness, Italien, die NPD und den Crockstahzumjot-Burger. Guten Appetit.

rap.de: Das Album ist draußen. Seid ihr mit den Verkäufen zufrieden?

Karuzo: Wir haben noch gar keine Zahlen, lief aber super, denke ich. Wir waren bei iTunes Platz 1 in den Gesamtcharts – nicht bloß bei den HipHop-Sachen. Das ist ganz ordentlich, denken wir. Konkrete Erwartungen hatten wir aber nicht.

rap.de: Apropos Erwartungen:Als ihr Oktober 2010 “Foetus“ rausgebracht habt, hattet ihr da überhaupt die Erwartung, dass sich daraus etwas Größeres entwickelt?

Karuzo: Schon ja, sonst hätten wir’s ja nicht gemacht. Es war ja unser Demo an die Öffentlichkeit quasi unsere Bewerbung bei Rapdeutschland, und natürlich hatten wir da Hoffnungen, wobei man so was natürlich nicht planen kann.

Sikk: Aber wir wussten’s

rap.de: Und es ging ja dann auch recht flott.

Karuzo: Dafür, dass wir von der Musik, über die Verbreitung bis hin zu den Videos alles selber gemacht haben – ja, auf jeden Fall. Fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem “Foetus“-Realease waren wir ja bei Selfmade gesignt. Wobei, richtig angezogen hat das ja erst mit dem Video “Inkubation“, die Leute brauchen heutzutage halt was Visuelles.

rap.de: Hattet ihr das Maskenkonzept schon zu “Foetus“-Zeiten im Kopf, oder kam das erst, als ihr eine größere Aufmerksamkeit hattet?

Sikk: Wir wollten ja in die Öffentlichkeit, und haben das auch von Anfang an so geplant.

rap.de: Ihr tragt eure Maske ja auch mit in die Musik hinein. Schon bei “Foetus“ hat man  gemerkt: Moment, das kann jetzt nicht alles gleichzeitig wahr sein, was da erzählt wird..

Karuzo: Genau. Aber diese ganze Realnessdiskussion ist für uns obsolet. Kompletter Bullshit. Keiner würde in einem Al Pacino-Interview fragen: Wieso machst du in "Scarface" so auf Gangster? Es geht um Unterhaltung. Wir gehen da verkrampfter ran. Und es ist ja nicht komplett gefaket. Es ist ja nicht so, dass wir ganz brave Studenten wären, obwohl wir ja auch studieren. Wir kennen trotzdem verschiedene Sachen aus dem Leben, wir bedienen uns aus allem, was wir haben.

rap.de: Es hat also alles einen wahren Kern, aber wird je nach Bedarf erweitert, verkürzt, übertrieben …

Karuzo: Genau. Wenn ich einen Reim auf Crack brauche, hab ich halt statt Shit Crack verkauft. Wieso soll ich mich da in meiner Kreativität einschränken? Wenn es für den Song notwendig ist, dass ich krasser Crackdealer bin, dann bin ich’s halt einen Song lang.

rap.de: Du rappst ja auch, die Realität sei die Zwangsjacke deiner Fantasie.

Sikk: Wir machen Unterhaltung, und wenn man schon im Alltag nicht kreativ sein kann und sich anpassen muss, wieso sollten wir das dann auch noch in der Musik tun? Das wäre ja Hochverrat an der Kunst.  Du erwartest ja in einer Kunsthalle auch keine Gebrauchsanweisung für die Bilder. Du gehst ja auch nicht ins Kino und erwartest einen Dokumentarfilm.

Karuzo: Zu real ist scheiße. Das Problem ist nicht, dass zu viele Rapper einen auf Gangster machen, sondern umgekehrt: Leute die mit Rap nix zu tun haben, machen Rap um authentisch zu sein. Lady Gaga ist null authentisch – ist sie deswegen eine schlechte Musikerin?