Auch wenn viele es immer noch nicht wahrhaben wollen: Homosexualität ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Es ist gut, dass man mittlerweile in Deutschland und generell der westlichen Welt offen mit Nicht-Heterosexualität umgehen kann, dass die gesamten queere Community sich stark macht und sich immer mehr gesellschaftliche Akzeptanz erkämpft hat.
Harte Zahlen zum Anteil von Homosexuellen an der Menscheit gibt es zwar wenig, man geht aber davon aus dass bis zu 3% aller Männer und 1,5% aller Frauen ausschließlich homosexuell sind, die wahren Zahlen dürften noch höher liegen.
Warum zum Teufel also warten wir immer noch auf den ersten offen schwulen deutschen Rapper oder die erste lesbische Rapperin? Selbst im Profisport, traditionell auch von sehr konservativen Haltungen geprägt, outen sich immer mehr Akteure, und größtenteils ernten sie dafür viel Respekt und Unterstützung.
Nun ist es so, dass Rap natürlich für Schwule schon immer ein schwieriges Thema war. Wie bereits in meinem Artikel über Political Correctness und Rap dargelegt, ist Homophobie zumindestens textlich im Rap fest verankert. Auch stellte ich die These auf, dass viele Hörer Rap konsumieren, ohne selber solche Vorurteile zu haben. Es ist ja schließlich nur Musik. Dennoch scheint kein Akteuer der Szene bereit, seine Homosexualität offen zu legen. Denn wenn wir mal ehrlich sind, wäre es bei der großen Anzahl an Rappern sehr unwahrscheinlich, wenn da nicht der ein oder andere Männerliebhaber dabei wäre.
Leider muss ich meine damalige Meinung wohl etwas revidieren. So wusste ich vorher noch nichts über die Kontroverse um Bass Sultan Hengzts Plattencover anfangs des Jahres. Traurigerweise scheint Homophobie doch fester in den Köpfen mancher Raphörer verankert zu sein als ich dachte. Zugleich zeigt es, dass auch hinter der Fassade verachtender Texte, denen BSH ja auch lange nicht abgeneigt war, sich durchaus eine tolerante Seele verbergen kann. Ob jetzt reiner Promomove oder nicht, er hat der Szene einen Spiegel vorgehalten, und die Reaktionen waren sehr gespalten.
Nun gibt es natürlich die Möglichkeit, dass man als Musiker einen Fick drauf gibt. Jeder schwule Musiker dürfte sich die Frage stellen oder gestellt haben, warum man sich überhaupt outen soll. Man kann völlig legitim sagen: Das hat doch nichts mit meiner Musik zu tun, ob ich straight oder gay oder was auch immer bin. Allerdings ist Rap nun mal eine sehr persönliche Art der Musik, in welcher die eigenen Erfahrungen und der eigene Blick auf die Welt eine wichtige Rolle spielen. Insofern wäre es ja nur eine logische Konsequenz, der Szene auch mal das Bild eines schwulen MCs zu zeigen.
Allerdings ist man das dann auch. Der schwule MC. Mehr nicht. So wie HipHop von Frauen leider oft anders bewertet wird, einfach nur, weil er von einer Frau kommt, dürfte es bei einem offen schwulen Rapper ähnlich sein.
Zudem gibt es da ja noch das doch sehr wichtige Image. Wer sich als Rapper nicht als eine interessante Persönlichkeit darstellt (sei es als der Überking, als psychisch kranker Massenmörder oder einfach als relaxter Chiller), verschwindet schnell in einer Masse aus Rappern, die zwar alle was drauf haben – aber ihnen fehlt halt das Alleinstellungsmerkmal, sie catchen einen nicht, wenn es MCs gibt die einfach viel klarer definiert sind, mit denen man sich identifizieren kann, oder die zumindestens eine Reibungsfläche bitte, welche sich auch in der Musik wiederspiegelt. Wenn man nun aber über Jahre hinweg ein Image aufbaut und sich dann outet – bamm, alles für die Katz. Wie oben schon erwähnt tauscht man dann sein Image quasi einmal komplett aus, was auch immer man vorher war, nun ist man lediglich der Schwule. Gut vorstellbar, dass man als Künstler ziemlich angepisst wäre, nur noch auf dieses Thema beschränkt zu werden.
Andererseits gibt es auch Rapper, die sich gezielt als schwul inszenieren – als Beispiel sei hier Juicy Gay genannt. (Der wurde übrigens beim rap-ist.net-Bericht vom CSD von den allermeisten als hetero eingestuft.) Eine erste Lockerungsübung, klar. Es ist aber eben doch etwas ganz anderes, mit schwulen Klischees zu spielen als wirklich schwul zu sein.
Blicken wir doch mal nach Amerika. Dort gibt es bereits offen schwule und transsexuelle Rapper, allerdings nur im Untergrund. Auf den oberen Ebenen findet sich auch dort niemand, der offen zu seiner Liebe zu Penissen steht. Und erwähnte bekannte schwule Rapper wie DDm oder Baron stehen ambivalent zu dem Thema. So ist Baron der Meinung, dass es die Schuld der Labels ist, ein homophober Rapper sei einfach besser zu verkaufen.
Stimmt das? Hier landet man zwar schnell in haltlosen Spekulationen, aber ich glaube, dass man in Deutschland auf jeden Fall gut schwulen Rap verkaufen könnte. Vielleicht nicht an die klassischen Rapfans, aber das erste schwule Rap-Liebeslied würde im Radio wohl auf Heavy Rotation vom feinsten gesetzt werden. Von den Reaktionen der klassischen Medien mal abgesehen. Unschwer sich vorzustellen, wie solch ein Musiker in den Himmel gelobt werden würde, und nebenbei hätte man mal wieder einen schönen Aufhänger, um ein bisschen auf Rap rumzuhacken.
Ich möchte nicht in der Haut eines schwulen Rappers stecken. Wenn es schon andere gäbe, wenn man nicht der erste wäre, dann wäre die Hemmschwelle wohl niedriger. Aber die gibt es nicht, und genau deshalb wird es endlich einmal Zeit, dass der erste vortritt und sagt: Ja ich bin schwul, ich bin stolz drauf, und wenn ihr meine Musik deshalb jetzt auf einmal scheiße findet, dann fickt euch. Ich wette, sobald einer anfängt würde es nicht lange dauern und ein, zwei, drei, ein Dutzend weitere würden folgen. Und dann würde die Szene vielleicht langsam mal umdenken, denn die Welt ist schon einen Schritt weiter. Und war HipHop nicht immer die Sprache der Unterpriveliegiert und Benachteiligten, ein Medium, mit dem jeder seine Agenda verfolgen kann? Schwule Rapper – es wird Zeit.