Fler

„Blaue Augen – Check. Breites Kreuz – Check.“ Natürlich ist Fler das Abziehbild des deutschtümelnden Proll Rappers, aber es gibt eine Geschichte von ihm, die mir immer im Gedächtnis bleibt, sobald von ihm die Sprache ist. Es ist die Geschichte des Jungen, der ins Heim kommt und auf eine Zehlendorfer Schule muss. Dort sind Sprüher. Sprüher, die Fame haben und die Fler auch bewundert. Er sucht ihren Kontakt, doch alles, was die coolen Jungs zu tun haben ist, den Jungen aus dem Heim zu opfern. Fler wird schikaniert und gehänselt, gedemütigt und fertig gemacht. Ein paar von den Jungs rappen auch. Es sieht fast so aus, als ob sie tatsächlich eine Karriere haben könnten. – Fler überholt sie alle. Mit eisernem Willen und dem Frust der frühen Tage ackert er sich hoch und holt sich einen Vertrag bei Aggro Berlin und dadurch Fame und Top Ten Platzierungen. Über die Bedeutung von Hip Hop. Was Rap fehlt und warum er noch nicht dort ist, wo er sich selbst sieht und über all die Widersprüche dazwischen – darüber haben wir mit Fler gesprochen.

Fler: Hallo rap.de.

rap.de: Hallo Fler.

Fler: Ich finde rap.de cool, wirklich! Warum seid ihr so gemein zu mir?

rap.de: Wegen dem Jahresendpoll meinst du?

Fler: Nee, das habe ich gar nicht gelesen. Darauf komme ich dann nachher zurück.

rap.de: Wir sind überhaupt nicht gemein zu dir. Wir sind nie gemein. Schön. Ich würde gerne anfangen mit dem Arbeitseifer, der bei dir ja an den Tag tritt. Hast du das Gefühl, dass du viel arbeiten musst, oder woher kommt diese Motivation??

Fler: Ich muss überhaupt nichts, ganz im Gegenteil. Es gibt keinen einzigen Mitarbeiter des Labels, der mich zu irgendetwas nötigt. Meine Arbeitseinstellung kommt von selbst und die Motivation ist einfach die, dass ich noch lange nicht da bin, wo ich hingehöre, beziehungsweise noch lange nicht meine persönlichen Ziele erreicht habe. Ich merke aber auch, dass es mit der Art von Musik, die ich mache, sehr schwer ist. Ich habe oft das Gefühl, dass die Leute nicht wahrnehmen, wie es wirklich um mich steht. Ich habe auch das Gefühl, dass die Arbeitsweise von meinem Label oft nicht die richtige war. Ich denke, jeder hat mittlerweile mitbekommen, dass ich so ein paar Differenzen mit Aggro Berlin hatte. Wenn ich ein Album raus bringe wie "Fremd Im Eigenen Land" und das dann nicht den Erfolg hat, den es meiner Meinung nach verdient hat, dann habe ich das Gefühl, dass ich das mit meinem nächsten Album toppen muss. Das sind meine Ansprüche und das sehe ich bei jedem Album so, bis ich wirklich mal das Album raus gebracht habe, was von den Medien und der Öffentlichkeit dementsprechend gewürdigt wird. Diesen Respekt zu kriegen ist auch mein Ansporn.

rap.de: Da sind sehr viele Unterthemen in der Antwort drin. Das Erste, was mich jetzt interessieren würde, wäre: Was ist das Ziel?

Fler: Das Ziel ist, Nummer Eins zu sein in Deutschland, nicht nur verkaufszahlenmäßig. Die Verkäufe müssen natürlich auch dementsprechend sein, aber im Endeffekt geht es darum, dass ich irgendwann zu mir sagen kann, dass ich alles erreicht habe, was ich erreichen kann. Aktuell bin ich der Meinung, dass es noch nicht so ist. Es gibt auch noch andere Ecken im Deutschrap und in Deutschland, wo du noch stattfinden musst und mehr stattfinden kannst als andere Künstler. Du kannst heute nicht mehr sagen, dass ein Künstler so und so viel Platten verkauft und dann so und so viel Erfolg hat. Es hat immer damit zu tun hat, worauf du jetzt Wert legst. Legst du auf den Respekt den meisten Wert, auf den Erfolg, das Geld?

rap.de: Worauf legst du Wert?

Fler: Fifty-Fifty. Ich bin fünfzig Prozent Künstler und fünfzig Prozent Businessmann.

 

rap.de: Und du hast in beiden Bereichen noch nicht das erreicht, was du erreichen willst?

Fler: Auf keinen Fall. In den letzten drei Jahren habe ich mich sehr auf das Künstlerwesen konzentriert und darauf geachtet, wie meine Musik ist, um den Leuten zu zeigen, dass ich rappen kann, dass ich Skills habe, und dass ich meine Interviews auf die Reihe kriege. Mittlerweile habe ich aber auch den Business-Teil miteinbezogen. Ich mache mir Gedanken, was ich meinem Label gebe, wie ich auch ohne die Musik noch einen Haufen Kohle mache, wie ich meine Medienpräsenz, meinen Status und meinen Fame dazu benutze, auch wirklich Geld zu verdienen, weil das mit CDs im Augenblick einfach nicht mehr möglich ist. Andererseits ist es so, dass sich das eine automatisch ändert, wenn sich das andere ändert. Wenn ich mehr Business-Sachen mache, werde ich gleichzeitig auch beim künstlerischen Part fokussierter. Bei den 16 Songs auf dem neuen Album habe ich deshalb auch darauf geachtet, dass für jeden was dabei ist.

rap.de: Mit wem besprichst du dich da?

Fler: Zur Zeit ausschließlich mit Neffi (A&R Manager von Universal, Anm. d. Verf.) Das ist das erste Album, das ich künstlerisch vollkommen abseits von Aggro gemacht habe.