Achtung, Wortspiel: KC Rebell ist mit Abstand der interessanteste und vielseitigste Künstler seines Labels. Und mit ebenso großem Abstand der, der sich musikalisch am meisten weiterentwickelt. Das wurde beim letzten Album „Fata Morgana“ schon deutlich – auch wenn hier die grelle „Bist du real?“-Single vieles übertönte. Das Album selbst war aber, wie in der Review bereits festgestellt, überhaupt kein Popalbum, sondern eine sinnvolle, glaubwürdige Verfeinerung des eigenen Stils.
Das geht auf „Abstand“ nun weiter – dieses Mal ohne den großen Popskandal, dafür mit noch mehr Facetten und verschiedenen Ausprägungen. Das spiegelt sich schon von Anfang an wieder. So startet das Album mit dem „Intro“ und „Alpha“ erstmal hart und straight, wird dann mit der nicht ganz ernstgemeinten Zukunftsvision „iPhone 17“ plötzlich recht fröhlich, nur um dann mit „Paper“ und dem fies schleichenden „Das bist alles nicht du“ ins Nachdenkliche, Selbstreflektierende zu verfallen.
Erstmal durchatmen. „Abstand“ hat etwas von einem klassischen Apriltag: Düstere Wolken werden von plötzlichem Sonnenschein abgelöst, bevor einen ein Regenguss aus heiterem Himmel bis auf die Knochen durchnässt.
So folgt auf die Introspektive auch wieder ein Tritt aufs Gaspedal: „Benz AMG“ mit Summer Cem hat genau den spaßigen Flavor, den gemeinsame Songs der beiden meist haben. Okay, an ihre Großtat „Dein Ex“ werden sie vermutlich nicht mehr rankommen.
Vom Frida Gold-Feature hätte man ein weiteres „Bist du real?“ befürchten können – zumindest, wenn man wie ich nicht viel von dieser Band kennt, außer den Namen – aber nein. „Sie“ ist ein unpeinliches Liebeslied mit einem unglaublich starken Abaz-Beat mit einer herrlich satten Bassline. Auf „Wunderbar“ adaptiert Joshimixu dann dezent Dancehall-Styles – und auch hier macht KC eine souveräne Figur. Nicht nur musikalisch – -auch der selbstironische Text sammelt Sympathiepunkte:
„Alles lief doch noch so gut am Anfang
Bei mir läuft momentan, aber rückwärts
Kaputte Zündkerzen und bisschen Hüftschmerzen
Mein Leben ist McDonald’s und Trash-TV
Und das Wetter macht mich heute wieder depressiv“
Und direkt danach: Wieder eine 180-Grad-Wendung. „Ich brauch dich“ ist der melodiöseste Song auf „Abstand“. Fast schon balladesk, was Joshimixu und Juh-Dee da als Instrumental bereitgestellt haben. Inhaltlich strapaziert er die Toleranz seiner Hörer mit einigen etwas arg platten Phrasen: „Bin viel gereist, aber nie mein Ziel erreicht“.
Anstatt das Album nun aber soft ausklingen zu lassen, wird nochmal richtig draufgehauen: „Spiegel“ mit Kool Savas wurde von Joshimixu und Macloud ein elegantes Bassgeschoss unter den Arsch geschraubt. Und was der Essener und der Berliner draus machen, ist oberste Kajüte – gerade der SAV-Part ist einer der stärksten seit längerem. Auch das bereits bekannte „Mosquito“ und das rockige Feature „Ballermann“ (mit einem eher schwächeren Farid Bang-Feature) machen kaum Gefangene.
Nach dem etwas holzschnittartigen Polittrack „TelVision“ (das an anderer Stelle schon ausführlich kommentiert wurde) wird der Hörer dann mit den beiden nachdenklichen Songs „Mit uns“ und „Leer“ (letzteres fast schon Kuschelrock-tauglich von Unik inszeniert) in den Abend entlassen.
Ich habe hier nun fast jeden Song des Albums einzeln aufgezählt, was einfach daran liegt, dass tatsächlich fast jeder für etwas anderes steht. KC Rebell zeigt sich musikalisch wie inhaltlich vielseitiger und persönlicher als je zuvor. Nachdenklich, lustig, selbstbewusst, nachdenklich, traurig – nichts davon wirkt bei KC aufgesetzt. Seine raue Stimme, seine charakteristische, einfache Art, sich in seinen Raps auszudrücken, dazu die hervorragend produzierten Beats ergeben eine heterogene, aber schlüssige Reise durch KCs Welt. Dass das Ganze trotzdem nicht beliebig oder wie ein pflichtschuldiges Abarbeiten von bestimmten Themen wirkt, liegt am Charisma des Hauptdarstellers – und daran, dass er kaum Probleme zu haben scheint, auch seine Schwächen, Mängel, Zweifel offen zu legen. Das ist, genau wie „Abstand“ insgesamt, respektabel – auch wenn das Album meinen persönlichen Geschmack nicht immer trifft.