Review: Mac Miller – Circles

Die Kommentare unter den auf YouTube hochgeladenen Songs sind mindestens genauso ergreifend wie die Lieder an sich. Sie zeigen, welch hohen Stellenwert die Musik von Mac Miller in den Leben seiner Fans einnimmt. „Circles“ ist das letzte Album des am 7. September 2018 an einer Überdosis verstorbenen Rappers. Es lehrt uns, auf uns aufzupassen, das Leben zu genießen und um Hilfe zu bitten, wenn wir sie brauchen.

Es wird persönlich

Für mich war Mac Miller, wie für so viele, mit denen ich vor und nach seinem Tod über ihn gesprochen habe, einer der ersten Zugänge zu HipHop. Als ich noch minderjährig war, habe ich meine Eltern seinetwegen über Monate hinweg angebettelt, auf mein erstes Festival, 450 Kilometer von meiner Heimat entfernt, gehen zu dürfen. Damals ist Miller mit seinem Debütalbum “Blue Slide Park” beim Splash! 15 aufgetreten. Ich habe T-Shirts mit seinem Gesicht bedruckt und mir als siebzehn jähriges Fangirl die Seele aus dem Leib geschrien, als ich ihn das erste mal auf der Bühne stehen sah. Seinetwegen habe ich andere Künstler wie Wiz Khalifa, Schoolboy Q oder Anderson .Paak entdeckt und mich in ein komplettes Genre verliebt. Er ist der einzige Grund, warum ich verstehen kann, dass Stalker zuweilen das Gefühl haben, ihre Opfer wirklich gut zu kennen. Bisher habe ich nie wirkliche Trauer verspürt, wenn eine berühmte Person verstorben ist – wie auch, wenn ich die Person nicht kannte, dachte ich. Diesmal ist es anders. Malcolm zeigte sich immer freundlich, bodenständig, humorvoll und herzlich – er war wie der junge Mann von nebenan, der uns mit seinem Charme, seinem Humor und seiner lockeren Art zum Lachen brachte und trotzdem keine Scheu vor ernsthaften Gesprächen hatte. Ich glaube, er war ein sehr herzlicher und verletzter Mensch. Es ist schwer zu begreifen, dass er nicht mehr da ist.

Nach diesem Einleitungstext ist folgender Satz mehr als offensichtlich: Ich bin befangen. Deswegen gleicht diese Review auch eher einem Nachruf und ist keine kritische Auseinandersetzung mit seiner musikalischen Leistung. 

Der Kreis schließt sich

Miller gewann 2011 als sorgloser Gute-Laune-Rapper aus Pittsburgh an Bekanntheit. Von Jahr zu Jahr wurden die Themen, über die er in seinen Texten sprach, ernster,  nachdenklicher und tiefgründiger. Die Beats wurden melodischer und die Rapparts wichen mehr und mehr Gesangseinlagen. Er ist erwachsen geworden und gereift. Seine Musik hat diesen Prozess stets widergespiegelt und dokumentiert. Diese Entwicklung führt er in “Circles” weiter fort. Seine Vielseitigkeit und der Drang nach Weiterentwicklung war immer da. Es ist schwer, ihn in eine Schublade zu stecken und genau diese Tatsache macht ihn zu einem herausragenden Musiker. 

Müsste ich das Album mit einem Wort beschreiben, würde ich “ehrlich“ sagen.
“Good News” ist der erste veröffentlichte von insgesamt 12 Songs. Das Video dazu ist eine Meisterleistung der Symbolik. Millers komplette musikalische Laufbahn wird auf subtile Art und Weise visualisiert. Sei es durch das Einblenden des Schriftzugs “Most Dope” in Form von Rosen oder durch das Zeigen von zahlreichen alten Bildern. In einer Szene sitzt Miller auf einer fliegenden Lotusblüte und schwebt über eine Wiese – ein Tribut an seinen Freund und Arbeitskollegen Flying Lotus. Dann gallopiert ein Schimmel über eine Blumenwiese. Mac Miller stößt sich beim ausgelassenen Tanzen das Bein und hüpft wie verrückt herum. Er singt there’s a whole lot more for me waiting on the other side”, während unzählige Sterne an uns vorbeiziehen und der Taucher seiner “Swimming” Tour durch das All schwebt. All diese Szenen anzuschauen ist schön und traurig zugleich. 

Why can’t it just be easy?
Why does everybody need me to stay?

Seine Liebe zur Musik zeigt sich vor allem im Song “Hand Me Down”. Er sitzt am Klavier, spielt Bass, Schlagzeug und Xylophon. Man sieht die Hingabe, die Gelassenheit und die Leidenschaft, die er in die Musik steckt. Die Szenen erinnern ein wenig an das Video zu “Best Day Ever”. Dort sieht man Malcolm als kleinen Jungen, wie er voller Begeisterung rappt, eine kleine Plastikgitarre spielt und mit Faszination den Geräuschen einer echten Gitarre lauscht. Er war nicht nur Rapper, er war Musiker durch und durch.
Im Video zu “Hand Me Downs” sieht man außerdem den Produzenten des Albums, Jon Brion. Er hat bis zu Macs Tod mit ihm an der Platte gearbeitet und diese dann alleine fertiggestellt. Mit ihm hatte Miller bereits für „Swimming“ im Studio gesessen. Dass die beiden das Projekt fortführen und weiterentwickeln wollen, ist sowohl textlich als auch melodisch deutlich zu spüren. 

Die Melodien sind so feinsinnig ausproduziert und melodisch gewählt, dass sie einen ein wenig wegdriften lassen. Sie bedienen sich verschiedener Genres, auch ein psychedelischer Einfluss ist stark zu spüren. Die Texte sind tiefgründig und poetisch, wie wir es in den letzten Jahren von Miller gewohnt waren. Lines wie I know nobody that knows where we’re going at all” aus dem Song “That’s on Me” werfen philosophische Fragen auf, während sich Mac in dem Song seine eigenen Fehler eingesteht und reflektierend zurück schaut. Er lässt uns durch das Album an seinen Höhen und Tiefen teilhaben. Bei manchen Lines bekommt man das Gefühl, er richtet einen Appell an sich selbst, wie bei diesem Part aus “Hands”:

There’s no reason to be so down
Rather fly around like there’s no ground
And I bet, I bet you with you had days
‚Cause carrying this wait’ll break your glass knees, yeah

Dass es nicht nur um Highlife, Partys und gute Laune geht, ist besonders für dieses Album wichtig, ebenso wie es wichtig ist, öffentlich über Probleme wie Unzufriedenheit, Ängste und Hilflosigkeit zu sprechen, um diesen Tabuthemen das soziale Stigma zu nehmen. So gesehen kann man das Album auch als einen Appell an uns alle betrachten. An alle, die Probleme haben und sich nicht trauen, nach Hilfe zu fragen oder Hilfe anzunehmen. An alle, die sich andauernd den Kopf zerbrechen, weil sie nicht wissen, wohin sie gehen sollen, woher sie kommen oder wohin sie gehören. An die, die sich einsam fühlen und sich dessen schämen. An die, die ihre Probleme lieber betäuben, als sich gemeinsam mit anderen über Lösungen Gedanken zu machen. Hört auf Mac Miller. Er hätte es so gewollt.

Now I’m switchin‘ location
‚Cause Heaven too far when you live in the basement
I’m lookin‘ for balance, I’m in an oasis
Well, I need somebody to save me, hmm
Before I drive myself crazy

Rest easy, Malcom. Danke für das, was du warst und das, was du uns hinterlassen hast.