Fler – Bewährung vorbei EP [Review]

Nach einem diskussionswürdigen Interview, einem Interview über dieses Interview, diversen öffentlichkeitswirksamen Kleinkriegen mit Rappern und der Veröffentlichung zweier lupenreiner Hits ist Flers Bewährung endlich vorbei. Eigentlich sollte am 27. Mai das Album „Carlo Escobar“ erscheinen. Dieses wurde jedoch auf September verschoben und dafür die „Bewährung vorbei“-EP auf das ursprüngliche Releasedate des Langspielers angesetzt.

Diese 14:54 Minuten, aufgeteilt auf fünf Tracks, machen dabei so gar keine Kompromisse. Ohne Vorwarnung oder Eingewöhnungszeit klatscht der Berliner dem Hörer sofort den Track vor den Latz, der zwar am offensichtlichsten daherkommt, aber dennoch mit am meisten Spannung erwartet werden durfte: Auf dem Opener „Reality Check“ wird Kollegah kurzerhand zum aufmuckenden Youtube-Photoshopper degradiert, der sich an Fler hochgezogen hat und mit Bodyguards zum Treffpunkt kommt. Frank White hat keine Lust auf irgendwelche Spielchen, sondern kommt ohne Händedruck und obligatorischen Smalltalk direkt zur Sache.

Damit gibt der Track die Richtung für die darauf folgenden Songs vor. Denn Fler gibt in diesem Falle nichts auf Autotune-Hooks oder Hitcharakter. Diese EP zeigt nicht den Fler, der aus teuren Hotelzimmern mit verächtlichem Blick über die Skyline der Stadt guckt. Diese EP zeigt den Fler, der mit hasserfüllter Miene durch die Straßenschluchten rollt, willkürlich auf alles und jeden schießt und dabei Dinge rappt wie: „Fler ist nicht dies, Fler ist nicht jenes/ Fler hält den Kopf deiner Frau an seinen Penis“ („Gangbangsowieso„). Die Beats, die dabei für den lautstark vorgetragenen Realtalk als Grundlage dienen, sind erneut von gehobenem Niveau. Reduzierte Melodien, prägnante Drums und Hauptsache düster. „Bewährung vorbei“ klingt rein musikalisch eher nach „If you reading this it’s too late“ als nach „Views“.

Was man dieser EP vorwerfen kann, ist das sie inhaltlich, bis auf einen kleinen Seitenhieb gegen die 187 Strassenbande, nicht viel Neues erzählt. Denn im Grunde sind diese fünf Tracks die Zusammenfassung der jüngsten Interviews des Künstlers. Niko von der Backspin ist immer noch still, wenn Fler redet, Animus ist immer noch ein Kek und sein Hausbesuch lächerlich und Rapper sind immer noch fake. Redundanz galore also, aber stört das wirklich noch, wenn Fler auf „Dresscode“ mal eben mitten im Song erst den Beat und dann den Flow derart grandios wechselt, dass auch der letzte Kollegah-Fanboy kurz mal seine Lieblingspunchline vergisst? Mich zumindest nicht.

Die „Bewährung vorbei„-EP hat relativ wenig mit den Hits „Unterwegs“ oder „Lifestyle der Armen und Gefährlichen“ zu tun. Dafür bietet sie unverfälschten Südberliner Battlerap im Trap-Gewand. Von den einzelnen Tracks werden mir nur wenige wirklich im Gedächtnis bleiben, was aber nicht schlimm ist, da die EP als Gesamtkunstwerk hervorragend funktioniert. Die fünf Anspielstationen sind keine eingängigen Ohrwürmer, sondern Warnschüsse – ohne Schalldämpfer, aus dem fahrenden Wagen während des täglichen Trips über den Kurfürstendamm.

 

Die „Bewährung vorbei“-EP ist bisher nur als Stream bei Apple Music zu hören, ab dem 27. Mai kann sie bei diversen digitalen Plattformen gekauft werden.