Review: Hanybal – Fleisch

In der Riege von Azzlackz-Superstars wie Haftbefehl, Celo & Abdi und deren ungleich erfolgreicheren Zöglingen spielt Hanybal seit jeher eine eher untergeordnete Rolle. Das ist schade, ist Hany doch einer der prägnantesten und scharfsinnigsten Straßenrapper unserer Zeit. Sein roher, wuchtig-behäbiger Signature-Flow und die authentischen, tristen Schilderungen des Gossenlebens fernab von schillernder Mafia-Romantik sind unbehaglich. Hanybal berichtet weder sonderlich witzig noch überzogen vom Alltag auf der Straße. Er glorifiziert nicht, er zeichnet ein Bild von der anderen Seite. Die Seite, auf der die Kilos einem keinen Sportwagen einbringen, sondern ein Leben voller Paranoia, Missgunst und Gefahren. So ist auch „Fleisch“ keine fluffige Kost für den Massenmarkt. Keine flotte Räuberpistole für Zwischendurch.

Eher wie „Weg von der Fahrbahn“

Dabei mutet Hanybals dritter Langspieler eher an wie der Nachfolger seines ersten Albums „Weg von der Fahrbahn“. Das zweite Album des schlaksigen Frankfurters, „Haramstufe Rot“, kam extrem rund und zusammenhängend daher, geizte trotz des über ganze 20 Songs zusammenhängenden Narrativs nicht mit Leuchttürmen wie „Realität“ und „Schöne neue Welt“ und gab sich in keinem Moment eine einzige Blöße. Nun knüpft „Fleisch“ nicht unbedingt an diesen Klassiker unterm Radar an, ähnelt eher dem ungeschliffenen Debüt.

Unter den 14 Anspielstationen finden sich vereinzelt unscheinbare gehört-und-vergessen-Songs. Hooks wie der windschiefe Singsang auf „Schleudern“ und „Blutverschmiert“ nerven eher als im Ohr zu bleiben. Wenn Hany auf „Geld fließt“ mit Kumpel SOLO439 ein bisschen abspitten will, wird nicht nur schnell klar, wo die eigentlichen Stärken, sondern eben auch die in diesem Song offensichtlichen Schwächen des Frankfurters liegen. Außerdem zeigt sich, dass ein unbeholfener Gastbeitrag offenbar so belanglos sein kann, dass es schlichtweg nervt.

Prodigy (RIP) liefert feurigen Part

Im krassen Kontrast dazu stehen Songs wie „Not Just Words“, auf dem der verstorbene Prodigy einen Part und die Hook übernimmt. Dabei scheint der Mobb-Deep-MC, dessen prägender Einfluss auf Hany ohnehin nicht zu überhören ist, nicht nur irgendeinen Archiv-Auswurf recyclet zu haben, sondern legt einen feurigen Part vor, der trotz der Sprachbarriere hervorragend mit einem Hany in Bestform harmoniert.

Das Highlight von „Fleisch“ ist aber klar der Titelsong, der bereits als erste Single ins Rennen geschickt wurde. Der Beat macht den kalten Asphalt, auf dem Hanybal stets am besten tanzt, mit seiner schiefen, knarzigen Violine und den sterilen Snares, die auf eine übersteuerte 808-Kick treffen, geradezu greif- und schmeckbar.

Dazu schildert der deutsch-ägyptischstämmige Rapper gewohnt beklemmende Bilder von Prostitution, Drogensucht und Knast in einer hoffnungslosen Hood, in der am Ende des Tages jeder sein Stück Fleisch auf den Tisch kriegen muss. Gelungene Gesellschaftskritik kann so einfach sein. Die dezente Referenz an Brotha Lynch Hungs „Meat“ sorgt für eine bündige Hook und Zeilen wie „Du gehst jeden Morgen raus wegen Fleisch / Mein Vater ist seit fuffzig Jahren am ackern wegen Fleisch // Hakan hat vier Kinder, drei Jobs und kommt jeden Abend heim mit ’nem dicken Stück Fleisch“ beweisen, dass Hanybal wohl genau das ist, was das Feuilleton einen „Straßenpoeten“ nennen würde.

Charisma und Wiedererkennungswert

Ja, das war anfangs recht viel Gemecker über Schönheitsfehler. Mit „Haramstufe Rot“ hat Hany seine eigene Messlatte in Rekordhöhe gehängt und kann sie mit „Fleisch“ nicht ganz überspringen. Das ändert aber nichts daran, dass auch Hanybals drittes Album aus der eintönigen Straßenrap-Landschaft herausragt und mit greifbaren, erschütternden Szenarien, einem smarten und charismatischen Protagonisten und jeder Menge Wiedererkennungswert punktet. Hanybal biedert sich nicht an und geht keine Kompromisse ein – Trends werden seelenruhig wegignoriert. Genauso straight wie sein markiger Flow klingt, ist die gesamte Vision von „Fleisch“ umgesetzt. Ein unaufhaltsamer Marsch geradeaus, bei dem leider auch die ein oder andere Hürde einfach umgerannt wird, statt sie elegant zu überspringen.

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