Review: Dendemann – Da nich für!

Acht Jahre sind selbst für die gemächliche Release-Frequenz eines Dendemann eine lange Zeit. Seit dem 2010er Solo „Vom Vintage verweht“ hat sich in der Deutschrap-Peripherie eine Menge getan. Entsprechend viel gibt es aufzuholen, wenn man als alter Haudegen mit über 20 Jahren HipHop auf dem Buckel ein Comeback plant. Mit „Da nich für!“ schafft schafft Dendemann sogar weit mehr als nur nicht abgehängt zu klingen.

Zeitgeist

Vielleicht haben ihn die zwischenzeitlichen Stippvisiten beim Neo Magazin fit gehalten. Vielleicht ist er durch seine Twitter-Präsenz am Zahn der Zeit geblieben. Jedenfalls hat der Dendemeier es es problemlos geschafft, sich weder aufdringlich neuen Trends anzubiedern, noch borniert an unzeitgemäßen Erfolgsrezepten festzuhalten. Geschickt umgeht das Produzententeam, das um die Krauts herum rekrutiert wurde, 808s und andere 2019 obligate Elemente, macht aber einen ebenso großen Bogen um verstaubte Drumloop-und-Sample Staubfänger. So klingt „Da nich für!“ stets hochwertig und eigenständig, wurde obendrauf noch mit Cutz und Querverweisen auf Deutsche Musikikonen wie Rio Reiser und Su Kramer gespickt. Die schlafwandlerische Sicherheit, mit der die Produktion den Tanz auf dem Drahtseil zwischen Klassikerpotential und Anachronismus meistert, kann sich jedenfalls sehen lassen.

Auch Dendemann selbst tanzt diesen riskanten Boogie treff- und selbstsicher. Statt altbewährten Styles und Wortspielen aus der Mottenkiste, blüht Dendes ruppig-smarter Swagger im Jahre 20 nach „Gefährliches Halbwissen“ regelrecht auf und besticht mit etwas, das das Rapgame momentan arg vermissen lässt: Haltung und Charakter.

Politisch, nicht peinlich

„Da nich für!“ ist nämlich nicht nur wahnsinnig politisch, jeder Track strotzt auch vor persönlichen Ecken und Kanten – in einer schwebenden Beobachterposition macht Dendemann es sich nie gemütlich. Stattdessen offenbart er seinen ganz eigenen Blickwinkel auf sich selbst und das Weltgeschehen. Lediglich wenn er auf „Menschine“ zur Entschleunigung aufruft, kann er den mahnenden Zeigefinger doch nicht ganz stecken lassen. Darüber hinaus schafft Dende es aber, heikle Themen wie das politische Klima zu thematisieren, dabei seine eigenen Emotionen, die sich erfrischenderweise nicht auf blanke Wut beschränken, in die scharfsinnigen Beobachtungen einzuweben und sogar den ein oder anderen Lösungsansatz mitzuliefern.

Trotz der klaren Botschaften bleibt der Dendemaestro zu jeder Zeit gewitzt und wortverspielt, wird aber nur selten albern. Stattdessen werden die sprachakrobatischen Kunststückchen so charmant und leichtfüßig eingestreut, dass man viele erst beim x-ten Durchhören bemerkt. Formelhafte Wie-Vergleiche und Teekesselchen haben dabei weitgehend ausgedient. Auf jeder Zeile hinterlässt Dende seinen ganz persönlichen Fingerabdruck und drückt seinem dritten Soloalbum nicht nur durch die markante Kreissägenstimme einen eigenen Stempel auf.

Nix zu meckern

„Da nich für!“ gestaltet sich trotz der zielstrebigen Marschrichtung angenehm kurzweilig und facettenreich. „Littbarski“ mit seinem etwas zu streng durchgegliederten Konzept zwar ein wenig deplatziert, ansonsten hat sich das Warten aber gelohnt – hier sitzt wirklich jeder Handgriff. Dendemann spielt seine Qualitäten stilsicher aus und verpasst ihnen ein 2019er-Update, das sich gewaschen hat. „Da nich für!“ punktet mit Sound, Charisma, Message und Witz – eigentlich allem, was guten Rap seit jeher ausmacht.

Dendemann über sein Comeback-Album, die Zeit beim Neo Magazin & Wortspiele auf Twitter