Seine Diskografie ist lang. Doch obwohl er schon seit über einem Jahrzehnt Musik macht, erscheint erst 2019 sein Solodebüt. Nach fünf Kollabo-Alben mit Audio88 entscheidet sich der Darmstädter für einen musikalischen Exkurs und startet ein eigenes Projekt: „Ypsilon“.
Wer die gewohnte Ich-hasse-alles-Attitüde erwartet, wird enttäuscht sein. Die bekannten sarkastischen, misanthropen Texte weichen melancholischen Vertonungen seiner Lebensgeschichte. Beispiele sind „1985“, „Deutschland“ oder „Panzerglas“. Trotzdem sind auch alte Bekannte auf der Platte wieder zu hören.
Nicht alles anders, aber vieles neu
Bei den Produzenten hat sich aber einiges getan. So hat der Hamburger Top-Producer Farhot gleich mehrfach Hand angelegt. Das merkt man dem Soundbild auch an. Die Beats sind hier und da deutlich präsenter im Gesamtwerk, als man das von Yassin gewohnt war. Für eher minimalistische Sounds sorgen dagegen Dienst & Schulter, auf deren Konto mehr als die Hälfte der Songs geht. Nicht alles anders, aber vieles neu also.
Die Platte ist persönlicher, an vielen Stellen politisch und deutlich weniger zynisch als frühere Sachen. Offenbar eine ganz bewusste Veränderung: Auf dem zweiten Song „Haare Grau“ rappt er „Leute woll’n mich fronten: “Yassin, Du hast Dich verändert.“ Ja genau, ich bin nicht mehr der Gleiche“.
Persönlicher denn je
Ansonsten handeln die zwölf Songs von Freunden, die man zum Koksen anstiftet („Junks“), dem Weltuntergang durch Atombomben und Meteoriten („Meteoriten“), Spießertypen in Spießerhäusern, in denen man aber auch irgendwie wohnen will („Nie so“) oder Deutschland, die immer noch zwiespältige Heimat:
„Deutschland, ich bin überall zu Hause
Sprech‘ deine Sprache frei von Dialekt
Ich aß deinen Grünkohl mit Pinkel, dein Kassler, die Sülze, dein Leberkäsweck
Deutschland
Und jetzt kommst du mir so
Tust so als kenn‘ wir uns nicht
Benimmst dich wie’n Arschloch
Dicker, was ist ist mit dir los?“ („Deutschland“)
Kurzum, Erfahrungen, die man so im Laufe eines Lebens macht und Gedanken, die einem über 30-jährige Typen halt durch den Kopf gehen. Damit gibt er seiner Hörerschaft einen Einblick in sein Leben, den man so bisher nicht bekam.
Melancholische Mittelschichtslyrik?
Für eingefleischte Fans von Audio88 & Yassin Alben wird die Platte wohl Säure in den Ohren sein. Trotzdem hat Yassin seine Seele nicht an Deutschpop verkauft. Er sollte sich aber vielleicht fragen, ob er sich nicht auf dem Weg zu genau dem „melancholischen Mittelschichtslyriker“ befindet, den er noch ein paar Jahre zuvor in Grund und Boden gehatet hat.