Wo die Gefahr wächst, wächst das Rettende auch, hat der Dichter Hölderlin mal gesagt. Und das passt zum gemeinsamen BSMG-Album von Megaloh, Musa und Ghanaian Stallion hervorragend: Bei der gestrigen Bundestagswahl wurden fast 100 Abgeordnete einer offen rassistischen Partei ins Parlament gewählt. Daran kann „Platz an der Sonne“ nichts ändern. Aber das Album kann viel mehr: Es kann den Blick schärfen für die Ursachen, die hinter dem auch schon vor der Bundestagswahl im Herzen der Gesellschaft verankerten Rassismus stecken, es kann Mut machen, für die notwendigen Kämpfe gegen menschenverachtende Ansichten und Taten, und, sehr wichtig, es kann dies alles auf der Grundlage hervorragend produzierter Musik.
Aber von vorne: Megaloh, Musa und Ghanaian Stallion haben zusammen ein Album gemacht. Der Titel „Platz an der Sonne“ bezieht sich auf ein Zitat des deutschen Außenpolitikers von Bülow, der damit 1897 Deutschlands Anspruch auf eigene Kolonien in Afrika unterstrich. Die drei Protagonisten belassen es aber nicht dabei, auf dieses gerne vergessene dunkle Kapitel deutscher Geschichte hinzuweisen – sie wenden den Spruch vielmehr aktiv in etwas positives, ihren Struggle für einen eigenen Platz im Hellen und Warmen.
„Puste die Wolken beiseite, ich suche mir heute meinen
Platz an der Sonne“ („Platz an der Sonne“)
Denn „Platz an der Sonne“ beschäftigt sich nicht nur kritisch mit der deutschen und europäischen Kolonialgeschichte und deren bis heute bestehender historischer Fortsetzung in Rassismus, Ausbeutung und Unterdrückung. Es setzt auch dem ganzen Unrecht und Leid, dass durch arrogante Möchtegern-Herrenmenschen versucht wurde und bis heute nachwirkt, Stärke, Mut und Selbstbewusstsein entgegen. Statt sich in die Opferrolle drängen zu lassen, will man die Zukunft besser gestalten – eine Dialektik, die sich im Song „Dunkles Kapitel/ Zukunft gestalten“ nicht nur durch den Titel ausdrückt:
„Afrika, sie haben Schiffe geschickt
Zeigten sich von Nahem als feindliche Barbaren
Zeigen kein Erbarmen, denn seit fünfhundert Jahren
Wird Afrika von der Geschichte gefickt
Alle haben’s vergessen, Arroganz des Westens
Angeln sich die Schätze, lassen uns ihren Abfall
Subventionieren Abfall, ficken so die Märkte
Und beschimpfen uns als Wirtschaftsflüchtling
Wirtschaftsflüchtling, was für ’n Wirtschaftsflüchtling?
Stolzer Afrikaner macht keinen Bückling“
Von diesem Spannungsverhältnis lebt das Album, daraus bezieht es seine Kraft. BSMG erteilen gemeinsam mit Amewu und Chima Ede überfälligen „Geschichtsunterricht“, der im deutschen Schulsystem leider höchstens lückenhaft stattfindet, sie formulieren „Visionen“, sie beschwören den Kampf „Mit allen notwendigen Mitteln“, sie chillen aber auch einfach in „Mamas Küche“ und wollen vor allem nicht nur zerstören, sondern auch neu aufbauen:
„Such den Sinn in schlechten und in guten Dingen
Versuch die Zukunft für dich zu gewinnen“ („Brillant“)
Im Vergleich mit vorhergehenden Auseinandersetzungen mit afrikanischer Identität in Deutschland („Made in Germany“ von Afrob oder „Daniel X“ von D-Flame sind die prominentesten Beispiele) hat das BSMG-Album zwei entscheidende Trümpfe: Zum einen erweitert es die Perspektive weg von einer nur auf Alltagsrassismus fokussierten Betrachtung hin zu einem breiten Bild, das die historische Linie von den Kolonialverbrechen bis heute zieht – und dazu noch neue Perspektiven, hoffnungsvolle und kämpferische Ansagen beinhaltet. Und zum anderen ist es auch musikalisch dank der hervorragenden Arbeit von Ghanaian Stallion absolut hochwertig – was dafür sorgt, dass die Message nicht unverdaulich oder schwer bekömmlich, sondern auf einer gut abgeschmeckten Mischung aus klassischen HipHop-Beats, Trap und Einflüssen afrikanischer Musik verabreicht wird.
So schafft es „Platz an der Sonne“ beides zu verbinden: Das Sichtbarmachen und Kritisieren von Problemen sowie das Aufzeigen von neuen Perspektiven, neuen Sichtweisen, neuem Mut gegen alte Ängstlichkeit und Minderwertigkeitsgefühle. Ein starkes Statement, gerade in dieser Zeit, das allen Mut macht, die keinen Bock auf Nazi-Deutschland 3.0 haben – sondern lieber in eine bessere Zukunft ohne Diskriminierung, Ausgrenzung und Unterdrückung aufbrechen wollen. Und ja: Die Diskussion um das „N-Wort“ kürzlich hat eindrucksvoll gezeigt, dass Deutschrap so ein Album dringend gebrauchen kann…
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