Ja, Photoshop gehört nicht zu meinen Stärken.
Deutschrap erinnert 2019 immer mehr an eine Kleingartenkolonie. Nicht nur, dass die meisten Beefs heutzutage eher wie Gartenzaun-Zank anmuten, mittlerweile wurde ein ganz neues Level der Spießbürgerlichkeit erklommen. Das, wofür Bushido lange berüchtigt in der Branche war, ist mittlerweile Gang und Gäbe. Die Rede ist von Anwaltsschreiben.
2019 hetzen Rapper einem keine Schläger mehr auf den Hals. Persönlich kommen sie sowieso nicht vorbei, um einem für einen frechen Artikel ein paar Schellen zu verpassen, nein. Neuerdings schicken sie ihre Anwälte vor, die mit Abmahnungen, Unterlassungserklärungen und Schadensersatzforderungen bewaffnet Angst und Schrecken unter Journalisten und Bloggern verbreiten. Wenn ich dünner Journalistenstreber von einem Rapper beleidigt werde, schicke ich ihm nicht direkt einen Anwalt. Wenn aber ein großer, starker Gangsterrapper einen Artikel lesen muss, der ihm nicht gefällt, heißt es ganz schnell: Anzeige ist raus. Was für eine peinliche Scheiße.
Bushido, Bonez MC, Gzuz, Kollegah, Jigzaw
Als ich vor beinahe fünf Jahren diese Kolumne ins Leben rief, versprach ich in der Pilot-Ausgabe, ungehemmt Namen zu nennen und nichts zu beschönigen. Also halte ich mein Versprechen: Bushido, Bonez MC, Gzuz, Kollegah, Jigzaw – das sind die Rapper, von deren Anwälten wir in jüngster Zeit Post bekommen haben (rechtlicher Hinweis: Post bezieht sich neben Briefpost auch auf E-Mails. Wir wollen ja nichts riskieren, denn genau solche kleinkarierten Wortklaubereien werden zum Anlass genommen, die Löschung von Artikeln juristisch einzufordern). Teilweise versucht man in den Schreiben, eine Öffentlichmachung zu untersagen, aber wie sagt man so schön: Jetzt ändert sich der Spieß.
Hinter einem Großteil des Jura-Geblubbers dieser Beutelschneider stecken nämlich gar keine veritablen Punkte oder Vergehen. Man will uns schlichtweg einschüchtern, weil wir über die Verfehlungen, häufig privater Natur, bestimmter Rapper berichten. Nicht auf eine reißerische Boulevard-Art, kein Gossip oder pikante Details – es geht um Themen wie häusliche Gewalt, Rachepornos oder eben die Recherchen von Vice und Buzzfeed zu Kollegahs schwachsinniger Mentoring-Gelddruckmaschine. Bitte nicht Anzeige machen. Was die Betroffenen dieser Berichterstattung tun, ist schlichtweg ein verzweifelter Versuch, die neutrale Berichterstattung über ihre Verfehlungen mit sämtlichen Mitteln zu unterbinden.
Was ist denn mit der Realness?
Lustigerweise macht jeder dieser Anwalts-Anrufer mehr oder weniger kredibilen Straßenrap. Außer Ex-Jura-Student Kollegah und Hochseeangler Bushido pocht jeder dieser Gangster-Verschnitte unbeirrt auf seine Realness, macht die eigene Authentizität quasi zum Geschäftsmodell. Außer im Internet schreibt jemand was. Dann wird der Pitti angeleint, das Messer zurück in die Socke gesteckt und per Kurzwahltaste #2 – auf #1 liegt natürlich Mama, sie ist die beste – der Anwalt angerufen. Ganz großes Kino, ihr Gees.
Versteht mich nicht falsch: Anwaltsschreiben sind mir lieber als Messer am Hals, erst recht wenn sie vorher in stinkenden Sportsocken steckten. Wenn die Alternative ist, dass ein Haufen wütender Schläger vor der Redaktion steht, dann nehme ich die nunmehr wöchentlich eintrudelnden Abmahnungen und Unterlassungserklärungen gerne in Kauf. Allerdings wäre es auch eine Option, derartige Berichterstattung einfach zu ertragen wie der nonchalante OG, der man so gerne wäre.
Diese Briefe und Mails sind ohnehin nur Einschüchterungsversuche, das müssten die Kanzleien der dünnhäutigen Mandanten eigentlich wissen. Tun sie wahrscheinlich auch – ebenso, wie sie wissen, dass ein kleines Medien-Unternehmen sich keinen viele tausend Euro schweren Rechtsstreit leisten kann oder will. Egal, wer am Ende gewinnt. Also werden weiter munter Texte gelöscht, meistens nachdem sie ohnehin schon viele Male gelesen wurden und die Information darin längst in aller Munde ist. Manchmal handelt es sich auch um Schikane, quasi die Strafe für bestimmte – in den Augen der Rapper – Verfehlungen. Aber immer ist es peinlich.
„Du hast da Scheiße kleben.“
Peinlich, dass ihr euch als Gangster und Ehrenmänner – wie ich dieses Wort nicht mehr hören kann – inszeniert, dann aber nicht mal für eure Fehler geradestehen könnt. Es nicht mal ertragt, wenn man euch eure Fehler vor Augen führt und darauf reagiert, indem ihr euer vorgeblich größtes Feindbild, das Gesetz, mobilisiert. Gzuz hat ein ACAB Tattoo und schickt Anwaltsschreiben raus, weil Medien über seine vermeintlichen Handlungen berichten. Außerdem wird mindestens einer der Genannten – da bin ich sicher – seinen Anwalt auf diesen Artikel hetzen, da mache ich jede Wette. Wie lachhaft ist das bitte? Und wie lachhaft soll es noch werden?
Die Musikbranche hat sich gewandelt und mit ihr der Fachjournalismus. Auch in der Rapszene. Ich war nie jemand, der Ärsche geküsst und über die Scheiße, die daran klebt, hinweg gesehen hat. Mittlerweile tun das glücklicherweise immer weniger. Stattdessen wird endlich mit dem Finger auf die Scheiße gezeigt und laut gesagt „Du hast da Scheiße kleben“. Der vollgeschissene Arsch kann ruhig petzen gehen, dass das eine gemeine Bemerkung war. Aber die Scheiße bleibt kleben und wir werden weiter mit dem Finger darauf zeigen. Gewöhnt euch dran.