Deutschrap: 10 wegweisende Untergrund-Klassiker

Zwischen Hedonismus, Nihilismus, Liebe und Hass

Rin – „Genesis EP“ (2016)

Renato Simunovic – spaltet ebenfalls die Gemüter des Raphörerschaft. Die einen lieben ihn für seine eingängigen Tracks, welche Streetwear-Fashion, dem Freundeskreis und dem Nachtleben frönen. Die anderen hassen ihn für die von Autotune geschwängerten Hymen über Supreme, Kippen und den Hedonismus der heutigen Kleinstadt-Jugend.

Neben dem partiellen Gegenwind der Szene verbindet Rin ein weiterer Umstand mit Kollegah – Der Senkrechtstarter aus Bietigheim-Bissingen wurde ebenfalls von Slick One, beziehungsweise Elvir Omerbegovic, unter Vertrag genommen. Jedoch nicht für Selfmade, sondern für Division – das neue Label von Elvir.

Rin stand jedoch, im Gegensatz zu Kollegah, zum Zeitpunkt seines Signings nicht komplett am Anfang seiner Karriere. Renato hatte bereits einen großen Deutschrap-Hit geliefert – Bianco“ – mit Yung Hurn. Damals gehört er zum Life from Earth-Camp. Eine gemeinsame Tour und ein Kollaboalbum waren in Planung. Doch dann kam es anders.

Doch wagen wir einen Schritt zurück. Rin veröffentlichte nach einigen Tracks als Rin the Thing das Video zu Ljubav/Beichstuhl“. Breed, der Produzent aus dem AoN-Umfeld wurde auf ihn aufmerksam. Die beiden arbeiteten zusammen an Tracks, die aufgrund kreativer Differenzen jedoch nie veröffentlicht wurden.

Schließlich wurde Rin von Life from Earth gesignt. Er hatte bereits zuvor Kontakt zu Yung Hurn geknüpft und schätzte nach eigener Aussage die kreative Freiheit, die ihm vom LFE-Camp gewährt wurde.

„Beichtstuhl“ schaffte es auf die Genesis EP“, die am 3. März 2016 auf die Deutschrap-Hörerschaft losgelassen wurde. Ganz nach der frühen LFE-Philosophie zum freien Bandcamp-Download.

Im Gegensatz zu Eros“ wirkt Genesis“ dunkler, ruhiger und vielschichtiger. Neben den für Rin typischen Livemonstern und Representertracks wie „Don’t like“ und „Curtis“ liefert er mit Error“, Beichtstuhl“ und dem überragenden Moj Jad“ (Kroatisch für: „Mein Leid“) ehrliche Songs mit lyrischer Tiefe. Besonders Moj Jad“ hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Ein Song der von der Einsamkeit, Selbstzweifeln und tiefsitzenden Zukunftsangst eines jungen Künstlers handelt:

„Ich steh‘ auf, zieh‘ mein ‚Preme-Zeug an und verstell‘ mich / Ich will jedem gefallen, auch wenn sie mir fremd sind / Ich will jedem gefallen, doch tu‘ mir damit kein’n Gefallen / Ich weiß, dass es reichen kann, dass der Herr mich liebt, ich verzweifel dran / Ich liebe mich selbst nicht, doch wer tut das schon, das ist selten / Ich spring‘ von der Couch auf das Bett, ich rauche und rauche, vergess‘ / All die ganzen verdammten Marotten, die mich so verändern und sagen, du bist / Der Gleiche wie früher, ein weiterer Lügner, der ganzen Tag chillt und nur kifft / Ich verdränge meine Ängste / Und immer näher kommen die Wände
Ich erzähl‘ von Problemen, die jeder so kennt / Auch wenn’s keiner kapiert“ (Rin „Moj Jad“)

Zudem beweist Rin, neben den eben genannten Songs, bereits auf seiner ersten EP sein Talent dafür, mit simplifizierten Lines zitierfähige Sätze zu schaffen. Sätze, die von Nichtigkeiten handeln können. Nichtigkeiten, die der jugendlichen Zuhörerschaft, dann doch die Welt bedeuten. Zwischen Liebeskummer, Hedonismus, Nihilismus und der nächtlichen Jagd nach dem nächsten Rausch verlaufen Renatos Zeilen.

Ausverkaufte Tourstopps mit Szenen, die mit Moshpits und durchdrehenden Fans beinahe an Rockkonzerte erinnern, sind die Folge. Für viele Rapfans scheint es nicht greifbar zu sein, was da passiert. Doch greifbar – wollte das Rin jemals sein? Ich denke nicht.

Eine Menge Qualität

Der Kreis könnte noch um viele weitere Werke erweitert werden. Letztendlich bleibt es auch Geschmackssacke, welche Veröffentlichungen zu den größten Meisterwerken des Untergrundraps gezählt werden.

Doch gerade diese Verschiedenartigkeit in der Argumentation und Auswahl unterstreicht, welche Quantität an Schätzen einen Rapfan erwarten, sobald er sich mit den frühen Releases seiner Lieblingsrappper beschäftigt. Auch wenn den Werken häufig nicht die mediale Aufmerksamkeit gegönnt war – an Qualität mangelte es nicht. Um es mit den  Worten von Prinz Porno auszudrücken: „Gold sinkt nach unten und deshalb bleib‘ ich Untergrund.“