Gerard – Verspielt und ein bisschen verspult

rap.de: Was muss denn ein Beat haben, damit du ihn dir aussuchst?

Gerard: Ich steh extrem auf so ein bisschen schleppende Dinger, schleppende Drums. Flowtechnisch sagen mir viele klinge ich teilweise ziemlich UK-mäßig, obwohl ich mir das nicht bewusst als Vorbild ausgesucht habe. Viel mit Pausen arbeiten und auch mal Zeilen über den Takt ziehen. Oder Zeilen, wo du beim ersten Mal überhaupt nicht weißt und denkst, das klingt aber komisch, dann aber doch checkst, was damit gemeint ist. Es müssen also Beats sein, wo so was auch möglich ist. Es ist immer der Vibe oder die Aura, wie Savas sagen würde. Ich schicke meistens Referenzsongs in einer Rund-Email herum und sage, es wäre cool, wenn man in diese Richtung geht.

rap.de: Du nimmst auch gerne eher melancholische Beats, oder? Ich habe jedenfalls noch keinen direkt fröhlichen Song von dir gehört.

Gerard: Fröhliche Nummern wird es von mir eher nicht geben. Also, es ist jetzt auch nicht Emo oder so, aber ein bisschen melancholisch ist es vielleicht schon. Wobei bei dem Album wird das Melancholische noch mehr versteckt sein als bei "Blur". Das merkt man erst beim mehrmaligen Durchhören. Auf einem Song sage ich "Erst wenn alle Stricke reißen, hänge ich mich auf". Wo man zuerst das Wortspiel checkt, hoffentlich, und dann aber doch das Melancholische dahinter checkt.

rap.de: Mit einem sarkastischen Augenzwinkern – dafür steht Wien ja auch.

Gerard: Ja, das Sarkastische, genau. Das will ich ein bisschen mit reinbringen.

rap.de: Wobei du ja kein gebürtiger Wiener bist.

Gerard: Nein, ich bin aus Wels. Aber sobald es möglich war, mit 18, bin ich nach Wien gezogen. Und seitdem wohne ich da sehr zufrieden. Ich bin jetzt auch öfter in Berlin, um hier mein Album aufzunehmen und Berlin finde ich auch richtig gut. Wien ist kleiner und familiärer. In Berlin brauchst du halt, wenn du mit den Öffentlichen irgendwo hin fährst, immer so ein bis zwei Stunden, vielleicht ja auch nur ich, weil ich mich immer verfahre. In Wien habe ich halt alle meine Spots, wo ich mich bewege, innerhalb von höchstens einer halben Stunde. Aber sonst ist Berlin cool. Das Bier ist auch viel billiger. Aber Berlin zieht dir dann auf andere Weise das Geld aus der Tasche, habe ich bemerkt.

rap.de: Wie? Bist du abgezogen worden?

Gerard: Nee, es ist eher ein psychologisches Phänomen: Wenn du an der Bar stehst und siehst, aha, Bier 2,80, denkst du gleich, okay, komm, ich schmeiß ne Runde. Also kommt es auf anderen Wegen weg. Aber vielleicht muss man damit erst umzugehen lernen. Das sind eben Anfängerfehler.

rap.de: Was wird vor dem Album noch von dir kommen?

Gerard: Ich habe ein Projekt mit dem Schweizer Gimma. Der ist in der Schweiz sehr groß, ein Top10-Act. Wir kennen uns schon seit der Zeit, bevor er sein erstes Chart-Album rausgebracht hat. Wir besuchen uns immer gegenseitig, wenn wir gerade mal raus wollen aus Österreich bzw. der Schweiz. Das passt ganz gut, weil mein Album sehr durchdacht sein wird. Nicht zu verkopft, aber ich mache halt auch in keinem Track Rap über Rap. Für das Projekt mit Gimma haben wir uns einfach ein paar Tage eingeschlossen, bei Mella und Brenk Beats gepickt und gleich geschrieben. Es ist einfach ein bisschen lockerer von der Hand gegangen. Ich konnte auch alle Punchlines, die ich über die Jahre hinweg im Kopf hatte, die auf meinem Album aber keinen Platz haben, da verwenden. Das kommt schon Anfang des Jahres, dann die im April/Mai die Tour mit Olson und dann das Album. Und dann weiter.

rap.de: Das Album wird sich also ein bisschen vom traditionellen Rapstyle lösen, höre ich da heraus.

Gerard: Ja, schon. Es ist schwer zu beschreiben. Es geht ein bisschen in die UK-Richtung. Ich werde ja immer von Mella und den anderen, die ja schon sehr HipHop-affin sind, beschimpft, wenn ich sage, es geht so ein bisschen vom HipHop weg. Die sagen dann immer, wo sie auch Recht haben, die Grundessenz ist trotzdem HipHop. Wie Dorian Concept, dessen Musik ist so Flying Lotus mäßig, der spielt auch in der Band von Flying Lotus. Da würde der Standard-Hörer nie auf die Idee kommen, zu denken, dass das vom HipHop kommt. Oder Hudson Mohawke. Das kommt aber alles vom HipHop. Und in diese Richtung wird es gehen. HipHop ist die Grundlage, aber eben so, wie HipHop meiner Meinung nach im Jahr 2012 klingen sollte.

rap.de: Ein bisschen verspielt, ein bisschen verspult.

Gerard: Genau. Ein bisschen nicht zu einfach für den Hörer, nicht zu glatt produziert, immer wieder Elemente, wo du eigentlich gerne die oder die Tonfolge hättest, aber dann geht sie halt nur bis zur Hälfte und dann ist sie, zack, weg.