rap.de: Trotz des krassen Titels ist “Eine Kugel reicht nicht“ ein ziemlich persönliches Album geworden, auf dem du viel erzählst.
Massiv: Ja, weil ich ein Mensch bin, der sehr viel hört und sieht. Man sollte sich selber nicht loben, aber ich habe wirklich sehr viel zu erzählen. Ich sage dir ganz ehrlich, das, was ich für Rap, für dieses Business, durchgemacht habe – ich habe einiges geopfert und da waren auch Blutstropfen darunter. Das kann mir keiner wegnehmen, keiner hat auch nur ansatzweise so viel für HipHop getan wie ich. Nicht, dass ich Skateboard fahren war oder 24 Stunden Blogs teilen im mzee-Forum war, sondern ich war da, ich hab gegeben, ich habe gemacht. Wenn ich einen guten Song hatte, habe ich ihn für 600 Euro abmischen lassen und für den Beat 2000 Euro bezahlt. Und dann noch für ein Video mein Auto verkauft und dafür 30. 000 Euro gekriegt. Unser nächstes Video drehen wir wahrscheinlich auf Kuba. Ich habe zwar in den Interviews gesagt : “Ich ficke alle! Ich bin der Beste und der Härteste!", aber dann habe ich mir auch den Arsch aufgerissen, um es gut zu verpacken und den Leuten etwas zu geben. Ich wusste, man muss die Leute unterhalten, man muss was dafür opfern, man muss was tun. Ich bin immer ins Risiko gegangen, dass ich vier, fünf Wochen lang nichts im Kühlschrank hatte und ich nicht wusste, wo ich nächste Woche was herbekommen oder wo ich schlafen soll. Für mich war das ein einziges Hin und Her, aber trotzdem habe ich jeden Tag aufs Neue alles dafür gegeben.
rap.de: Bist du jetzt in einer Position, von der aus du sagst, es hat sich alles ausgezahlt?
Massiv: Besser könnte es immer laufen, aber so, wie es im Moment läuft, bin ich in jeden Fall sehr zufrieden. Ich habe mich um meine Strukturen gekümmert, die Plattform ist stabil. Für mich ist es wichtig, dass ich meine Fans immer bei Laune halte, ihnen immer so viel wie möglich gebe und mindestens zweimal im Jahr hochwertige Releases an den Start bringe. Ich glaube, das schafft sonst keiner, der nicht früher mal bei einem größeren Künstler gesignt. Ich habe von keinen den Glanz weggenommen. Ich habe von Anfang an meine eigene Plattform aufgebaut. Ich bin Massiv. Ich wurde nicht bekannt dadurch, dass ich mit dem und dem auf Tour war oder mit dem und dem zwei Projekte am Start hatte, sondern nur durch mich selbst und ich bin echt damit zu frieden, was ich so aufgebaut habe. Ich muss meine Arbeit abliefern und Intergroove kümmern sich um den Vertrieb. Und mehr kannst du nicht erwarten, es sei denn, du chillst die ganze Zeit bei Stefan Raab und gehst zu irgendwelchen Turmspringereien, doch diese Zeit ist aus. Du wirst jetzt die ganze Zeit im Fernsehen nur noch Sido sehen und wenn der irgendwann nicht mehr im Fernsehen zu sehen ist, dann ist HipHop weg.
rap.de: Nicht sehr optimistisch. Meinst du echt?
Massiv: Ich denke nicht, dass HipHop in Deutschland so tief verwurzelt in der Kultur ist. Es war ja alles nur wegen des Erfolgs, dass wir in einigen Shows waren, aber dass man in so eine Show reinkommt und die Leute aufstehen und Bescheid wissen, so: der Typ ist cool, diese Zeit wird es in Deutschland nicht geben. Selbst, wenn ich beim SWR sitze oder Sido bei Lanz, man wird da immer noch so behandelt: Ah, der Rapper. Man wird gar nicht als Musiker gesehen, wie zum Beispiel Peter Maffay oder Herbert Grönemeyer, die ja wirklich wie Gentlemen behandelt werden, man wird einfach nicht als Teil der Kultur angesehen. In Amerika ist das ganz anders, da sitzen die großen Rapper an manchen Festtagen mit dem Präsidenten zusammen.
rap.de: Was dann umgehend wilde Verschwörungstheorien auslöst…
Massiv: Barack Obama macht die Geste aus "Dirt off your shoulders“ (von Jay-Z, Anm. d. Verf.) und twittert das. Ist doch cool, Hammer. Lass das mal Merkel hier machen. Die muss drei Tage später kündigen oder das per Pressemitteilung zurücknehmen. Stell dir vor Merkel sagt: Sonnenbankflavour (lacht).
rap.de: Auf deinem Album sind sehr harte Stücke drauf wie “Black Gun Beretta", aber auch sehr ruhige wie “Schließ deine Augen und vergiss“. Ist es dein erstes Album, auf dem du alle deine Facetten zeigst?
Massiv: Ich denke, es ist ein gut gelungenes Konzeptalbum, auf dem genau das drauf ist, was ich am liebsten mache und was den Leuten Hoffnung gibt. Und sogar in den harten Songs vergesse ich das nicht und weise darauf hin: Wenn du ein Penner sein willst, kannst du auch ein Penner bleiben, wenn du kein Penner sein willst, musst du halt aufstehen. Wenn du keinen Bock hast zum Aufstehen, dann bleibst du ein Penner. Ganz einfach. Deswegen habe ich ganz viele Hoffnungslieder und Liebessongs drauf.
rap.de: Was ist deine Motivation, so derart harten Stücke zu machen? Wir wissen alle, im privaten Leben bist du nicht der Typ, der jedem sofort auf die Fresse haut, sondern ein ruhiger und netter Typ.
Massiv: Das, was jeder unterschätzt, ist: Wenn ich mit dir im Interview sitze oder mit einem deiner Kollegen oder bei einem Auftritt den Konzertveranstalter kennen lerne, dann ist das bei mir auf einer Basis: Okay, wir machen jetzt zusammen ein Interview, wir machen zusammen einen Auftritt. Du nimmst mir nichts, du bist keiner von der Straße, der kommt, um mich zu haten. Also sehe ich da keine Gefahr, deswegen zeige ich mich da von einer Seite, die sehr kooperativ und zurückhaltend ist, weil ich will, dass für beide Parteien das Beste dabei rauskommt. Aber wenn ich auf der Straße bin und einer guckt mich blöd von der Seite an, ist für mich zwar alles schön und gut, weil ich auf Bewährung bin, aber wenn einer von der anderen Straßenseite ruft: “Du Opfer", bin ich der Letzte, der nicht sofort zurückruft: Was ist dein Problem? Ich bin der erste, der seinen Mann steht, geradeaus läuft und wirklich erhobenen Hauptes behaupten kann, dass ich kein Arschkriecher bin. Ich bin Einzelgänger und das ist auch gut so. Ich nutze die Zeit, weil es nichts wertvollers im Leben gibt als legal Geld zu verdienen und dazu habe ich die Chance. Da ich auf Bewährung bin, kann mir die ganz schnell wieder weggenommen werden, wenn ich nur ein bisschen Scheiße baue. Darauf habe ich keinen Bock, das, was früher passiert ist, lasse ich hinter mir, dafür muss ich schon genug Rechnungen bezahlen. Ich habe überhaupt keinen Kopf dafür, in Interviews rumzuprahlen: Komm her, ich fick dich. Wenn irgendjemand ein Problem hat, kann er aber gerne herkommen. Die Leute wissen Bescheid, wer hier in Berlin das Sagen hat.