rap.de: Dein Buch bist du mit einem ganz anderen Tonfall als das Album angegangen. Du erklärst mehr, zeigst mehr Schwächen und weiche Seiten von dir.
Fler: Ich fand, dass es dafür der richtige Augenblick ist und dass es eine gute Chance ist, es den Leuten zu erklären. Das kannst du mit einer Rapplatte eben nicht. Musik soll sowieso zeitlos sein und für sich stehen. Die sollte auch nicht zu viele Infos haben. Wenn mir da jemand was vom Weltfrieden erklärt oder von irgendwelchen politischen Sachen, dann hat das in der Musik nichts zu suchen. In der Musik nimmst du mich, wie ich bin, oder lässt es bleiben. Entweder du liebst es oder du hasst es. Ich treffe den Nerv von gewissen Leuten, von anderen halt nicht. Ich bediene ja eigentlich immer dieselbe Emotion bei meiner Musik. Es gibt selten Songs, in denen ich traurig bin. Ich bin zwar manchmal ein bisschen nachdenklich, aber ich würde mich nie in der Opferrolle darstellen. In dem Buch dagegen bin ich ja oft in der Opferrolle. In der Musik ist dafür kein Platz. Rap steht für die Gefühle, die ich schon immer transportiert habe: Stärke, nach vorne schauen. Das Buch ist Vergangenheitsbewältigung.
rap.de: Kamen beim Schreiben Sachen wieder hoch, die dich belastet haben oder konntest du dadurch damit abschließen?
Fler: Wenn ich das Buch selber lese, kann ich wieder anfangen, über die ollen Kamellen nachzudenken, kann mich wieder über Sido, Bushido und Specter aufregen. Oder ich kann einfach mit dem Thema abschließen und mir sagen, ich kucke nach vorne, ich habe in den nächsten fünf Jahren was vor und da spielen gewisse Leute aus meiner Vergangenheit gar keine Rolle. Aber das muss man jeden Tag aufs Neue lernen.
rap.de: Die Vergangenheit greift immer wieder nach einem.
Fler: Natürlich. Das ist ja die Kunst im Leben: Dass man die alten Wunden nicht zu seiner Identität macht. Viele Leute, auch sehr erfolgreiche Rapper-Kollegen von mir, denken, sie haben das Recht, andere Leute zu erniedrigen, weil sie in der Vergangenheit erniedrigt wurden. Das ist der Grund, warum die nie glücklich werden. Warum sie nie mit sich zufrieden sind. Warum sie es alles im Endeffekt nicht für sich, sondern für andere machen. Und das will ich nicht machen. Ich will die Vergangenheit, die du aus meinem Buch kennst, nicht als Grund nehmen, um durch die Gegend zu rennen und zu sagen, ich bin der böse, eingeschnappte Junge. Die Leute können sich das durchlesen, was in dem Buch steht, sie können auch teilweise daraus lernen, für viele kann es eine echte Hilfe sein. Aber für mich persönlich habe ich das nur gemacht, um damit abzuschließen. Andere gehen zur Therapie, ich bin zum Riva Verlag gegangen.
rap.de: Hat es dich Überwindung gekostet, so sehr die Hosen runterzulassen?
Fler: Manche Kapitel waren ätzend, Kopffick. Da hat dann Sascha (Wernicke, Co-Autor von "Im Bus Ganz Hinten“ – Anm. d. Verf.) angerufen und meinte, wir müssen jetzt über das und das Thema sprechen und ich so: Fick mal nicht meinen Kopf, Alter.
rap.de: Aber eigentlich bist du jetzt gerade in einer Phase, wo es dir so gut geht wie noch nie, oder?
Fler: Das stimmt zwar, aber ich bin nicht so euphorisch. In den ersten Aggro-Berlin-Jahren war immer Euphorie dabei, da kam ich aus einer Zeit, wo ich nichts hatte, deshalb war es wie beim ersten Mal, Alter. Jetzt bist du halt in diesem Business drin und klar, mir geht es so gut wie noch nie, vor allem, weil ich zum ersten Mal eigene Entscheidungen treffen kann. Aber es wird eben nie wieder so gut wie beim ersten Mal. Darum will man ja auf das nächste Level. Und dahin zu kommen ist nochmal ein richtiger Act. Aber wir arbeiten daran. Das Buch war zum Beispiel so ein Ding, wo ich mir gesagt habe, krass, cool, dass ich das geschafft habe. Oder auch der Erfolg des Albums und des Buches. Aber es gibt viele Sachen, die noch kommen können.