Gastkolumne

Leider schaffe ich es wieder nicht ganz bis zum Bierstand. splash!-Oberfeldmarschall Martl rast auf seinem Quad an, um direkt vor mir eine Vollbremsung zu machen, natürlich nicht ohne vor mir den Lenker rumzureißen. Gut dass der Schlamm wieder etwas angetrocknet war. "Und wie ist Casper?“, will er wissen. "Weniger Leute da als er verdient hätte“, gebe ich knapp zur Antwort – ich kann mein Bier schon riechen. "Das wird nächstes Jahr ganz anders sein – er wird einen Hammerslot bekommen.“ Das freut mich sehr zu hören. Ich mag es zwar eigentlich nicht so sehr, wenn eher HipHop-fernere Gruppen die besten Slots bekommen, aber auf Casper würde ich mich freuen. Ich wüsste niemanden, der den legendären Kool Savas splash! 2005 Auftritt mit Nieselregen und Eule toppen könnte. Niemanden, außer eben Casper. Auf Platz zwei oder drei der besten deutschen Auftritte ist seine Casperheit eh schon.

Damals, als das splash! in Pouch war. Ein DJ, Back-up-MC Affenboss, ich glaube ein zweiter Back-up war ebenfalls noch dabei (sorry, dass ich hier nicht die Props geben kann, die du verdienst) und eben Casper. Das war nicht dieser übliche Ablauf der Standard-Rapper, die es ja immerhin schon bis auf das Splash geschafft hatten: Trackende – "wie fandet Ihr diesen Track?Macht mal Lärm“ – "Ihr seid Hammer“ – "Gebt Euch mal selbst Props“ – "Der nächste Song mit dem Namen x ist vom Album y und wurde produziert von z“ – Beat kommt langsam rein – "Ich will alle Hände sehn“ – Mein Kopf fällt nach vorne – ich wache auf – hubs schon wieder eingeschlafen – Okay ich geh lieber zum Grill – ich check mal was auf dem Campingplatz geht. Nein. Casper bzw. Caspers Rap-Band muss man da schon sagen, war anders.

Hat dieser Casper damals nicht lediglich einen Slot gewonnen, da er im Jahr zuvor das Battle gewann? Aus dem Battle auf die Mainstage? Unfassbar dynamisch brüllte er damals ins Mic, ließ Textstellen aus, die perfekt gebackt wurden. Komplett. Null Fehler. Eine klare Linie. Gute Beats. Super Show. Spannungskurve. Timing. Spielen mit dem Publikum. Alles hat gestimmt. Damals hatte er noch sehr viel mehr "normale“ Rapsongs mit den üblichen Inhalten, aber auch bereits diese gewissen anderen Songs, die er scheinbar heute durchgehend bringt.
Hinterher verriet er mir, dass er zwei mal die Woche mit DJ und Back-up in einen Proberaum geht um zu proben, selbst wenn keine Auftritte anstehen. So kaputt wirken, so es-platzt-halt-so-raus wirken, so quatsch-ich-scheiß-auf-alles wirken, aber in Wirklichkeit hart am Erfolg arbeiten, das erinnert doch irgendwie an Kurt Cobain. Und als ich so über den CasperCobain-Vergleich nachdenke und aus dem Hintergrund das Konzert höre switcht der Beat. Smells Like Teen Spirit wird gecoverd. Casper rappt oder singt oder was auch immer, über den Teen-Spirit-Beat. Ja er ist es. Casper ist Kurt Cobain. Ich weiß nicht wirklich, ob der Teen-Spirit-Beat kam oder ich einfach nur drauf war – aber scheiß drauf. Casper ist Kurt Cobain. Und deswegen wird Casper auch nicht deutschen Rap retten können. Nein, Casper wird deutsche Musik retten. Junimond, Wir sind Helden, Sportfreunde Stiller, … alles Dreck, alles Abfall, durchgehend 6 Minus. Casper ist gekommen, um euch zu ficken.

"Wir haben dieses Jahr einen neuen Schüler in unseren Reihen“, sagt die Klassenlehrerin. "Casper stell dich doch bitte mal vor.“ An seiner Stelle würde ich sage: "Tach, ich bin's, der deutsche Kurt Cobain. Der männliche Amy Winehouse. Der lebende Rio Reiser. Mach Dir keine Sorgen, ich bin's – Casper.
Nun, etwas traurig ist es ja schon, dass Casper jetzt auf eine neue Schule geht. Er wird dort sicher noch mehr Einsen bekommen, noch mehr Erfolg haben, noch größere Festivals spielen. Er wird Preise bekommen. Ohne Scheiß – ich rede von MTV Award, Bambi, Echo, von dieser Art Preise. Vielleicht "nur“ in der Sparte bester Hip Hop Act. Aber man wird es schwer erkennen und niemand wird es respektieren, dass er ja eigentlich "nur“ ein Rapper ist und mal einer von uns war, aus uns gewachsen ist. Über Hip Hop wird einfach weiter gelacht. Ist aber meines Erachtens auch nicht schlimm. Casper ist jetzt aber einer von ihnen. Ich bin mir 100% sicher, dass es so kommen wird. Leider habe ich selten recht. Naja, wenigstens bekommt er ja nächstes Jahr einen guten Slot, denke ich und setze meine Weg fort. Casper spielt noch einmal an seiner alten Schule.

"Ja?“ – "Ein Bier schaff ich noch.“ – Ich grinse. – Sie grinst. – Ich check ihre Titten. – Sie gibt mir ein Bier. – Ich gebe ihr Geld. – Endlich!!! Endlich ein Bier. Ich setze mich kurz auf die steinige Treppe. Die Menschenmassen strömen an mir vorbei. Casper ist fertig. Halbe Stunde? Kann das sein? Caspers Fans sehen gefickt aus. Gefickt, aber glücklich. Da kommt ein nackter Junge an mir vorbei, Casper ist besser als Sex, sagte er – glaub ich – verstanden habe ich es nicht wirklich.

Ein Mädchen mit verschmierter, sehr dunkler Schminke stolpert über meinen Fuß. Wahrscheinlich hat Casper sie grad vorm Sprung aus 30 Meter Höhe gerettet. Gut möglich. Da kommt eine Gruppe Jungs mit XXXL-Shirts und kurzen Hosen – glücklich. Casper bedient Sie alle. Casper ist Ritalin fürs Volk. Und wenn es dieses Jahr in Sidos Ich-und-meine-Katze Bus möglich war, sich ein Tattoo stechen zu lassen, dann sollte es doch nächstes Jahr einen splash!-Friseur geben. Tausende Leute setzten sich dann in Röhren-Jeans und Trägershirt auf den Friseur-Stuhl und krächzen mit trauriger Stimme: "Einmal Casper bitte!