Gastkolumne

Ich verstehe zwar selten bis nie, was Casper mir eigentlich mitteilen will, aber das liegt nicht an ihm, sondern an meiner Dummheit, die es mir einfach nicht ermöglicht Lines von Casper begreifen zu können. Bisschen wie bei Einstein: Versteht ja auch keiner, warum ich jemanden mit Lichtgeschwindigkeit an mir vorbeirasen sehe, der Lichtgeschwindigkeit rennt, wenn ich doch selber fast Lichtgeschwindigkeit renne und eben nicht stehe. Trotzdem weiß wohl jeder, dass Einstein ein Genie gewesen sein muss. Naja, Casper ist wohl eher nicht Einstein, glaub ich, aber was ist er? Was soll das alles? Wieso ist das so wie es ist? Nun, genau diese Fragen scheint er mir ja mit seiner Musik beantworten zu wollen. Offen und ehrlich. Nur, dass ich es eben nicht verstehen kann. Außer: das Leben scheint ihn zu ficken, aber Casper fickt zurück.

Ich gucke nach rechts – Nicolai von Universal wirkt – hmmmm – irgendetwas zwischen fasziniert und angeekelt, abgesehen davon, dass der gestrige Fall-out natürlich Spuren hinterlassen hat. Ja, recht hat er. Wir sind auf dem Splash. Was wollen wir also sehen? Rapper, am besten übergewichtig, die durch bloße Präsenz und gute Lines und Flows alleine wirken. Die, indem sie eigentlich nichts machen, dennoch klar stellen, dass sie die größten sind – Karren, Weiber, Fame, das übliche eben. Was bekommen wir? Casper! Casper wirkt weniger als "dieser Rapper“ denn als geprügelter Köter, der draußen im Regen auf die Sonne wartet. Aber es guckt sich trotzdem gut an. Technisch sowieso, keine Frage, aber auch das Gesamtbild ist einfach gut. Und, auch wenn man es eigentlich nicht sehen wollte – zum Zelt gehen, geht jetzt auch nicht. Casper ist zu spannend, zu anders, zu neu, zu kaputt, zu gut. Aber warum eigentlich eine Band? Bands sind doch schwul. Jeder Rapper scheint ab dem dritten Album etwas Neues machen zu wollen – und, da ihnen scheinbar nichts einfällt, kommt dann halt einfach eine Band dazu. Scheiß drauf, zu Casper passt das. Aber ist das alles noch Hip Hop? Casper erzählt mir nicht, wie es im Knast ist, auch wenn mich das echt interessiert. Casper macht mir nicht klar, warum er der Größte ist – zumindest nicht mehr ("Das Leben ist schön lass mich eben verwöhn/ lieg in der Sonne von Bali, du nackt nass, neben nem Fön") – was mich aber auch sehr interessieren würde. Und wie viele Bitches er so pro Wochenende bügelt, verrät er mir auch nicht. Schade. Was erzählt er mir aber?

Während seines Auftritts bekomme ich eher eine Stimmung als einen Inhalt mit, um ehrlich zu sein. Diese Stimmung wirkt ziemlich depressiv. Depressiv und wenig HipHop. So wenig HipHop, dass ein Gangsterrapper ihn wohl nie bedrohen würde. So wenig HipHop, dass ihn ein Battlerapper wohl nicht dissen würde. Schade eigentlich, denn in all seiner Casperheit ist Casper dennoch mehr als genug Rapper um jeden anderen in Deutschland kaputt machen zu können – will jemand Geld setzen?
Gefällt mir Casper jetzt so gut, weil er kein Hip Hop mehr ist oder obwohl er Hip Hop ist? Ich habe keine Antwort, aber was ich grad sehe, ist von Ein-Rapper-ein-DJ-ein-Backup soweit entfernt wie das Splash von Chemnitz. Bisschen leider, bisschen Gott-sei-Dank.

Nach dem Konzert – um ehrlich zu sein, war es glaube ich "etwas“ früher – mache ich mich auf den Weg zum Bierstand, schließlich gilt es meinen Pegel zu halten. Runterkommen wäre jetzt ganz schlecht. Ich krame in meiner Hosentasche zwischen einem knappen Dutzend Getränkechips nach etwas Kleingeld, als mir plötzlich mein Zeltnachbar gegenüber steht. Felix weint – scheiße ja, Felix weint. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich diesen durchgeknallten Typen ausschließlich lachen sehen, heiße und weniger heiße Bräute aufs Dreckigste anmachen hören und Elektrolyt-Tabletten am Morgen danach mit Bier runterschlucken sehen. Super Typ. Diesmal weint er aber. Auf meine Frage, was los sei, antwortet er in seinem Mannheim-Dialekt lediglich mit "Casper“.
Wow, denke ich, Casper bringt Männer zum Weinen. Ich fühle, Felix in den Arm schließen zu müssen, aber ich bin nicht so richtig gut in solchen Dingen, und außerdem habe ich ja auch Durst. "Keep-ya-Head-up“ denke ich und gehe weiter. Bier.