Hip Hop Never Dies!

Singersongwriter mein Arsch

Zu den ärgerlichsten Momenten im abgelaufenen Jahr gehörte der Satz "Ich mache keinen Rap mehr, ich mache jetzt so Singer-Songwriter“, der anscheinend den Satz "Ich mache keinen Rap mehr, ich mache jetzt so Elektro“ abgelöst hat. Ganz vorne mit dabei bei dieser Scheiße, die Herren Max Herre und Dennis Lisk.

Nun wollte Max Herre ja schon immer lieber irgendwer sein nur nicht er selbst und so folgt nach seinen Inkarnationen als Udo Lindenberg und Lenny Krevitz seine Wiedergeburt als Rio Reiser. Das geht sogar so weit, dass er im Berliner Idiom Sätze wie : "Und er ging zum nächsten Schutzmann und sagte wollnsenbisschen Liebe?“ raushaut und sich selbst, barfuß auf der Gitarre begleitet. Das könnte alles so schön sein, wenn sich der gute Max doch endlich einmal selber finden würde als Künstler. Vorher hätten wir aber noch mögliche Rollen als Konstantin Wecker, Solomon Burke oder Elvis Presley anzubieten. Irgendwas wird schon dabei sein. Hauptsache Du brauchst nicht Du selbst sein.        

Ebenfalls auf der Suche nach einer neuen Rolle befindet sich offensichtlich Dennis Lisk, auch bekannt unter den Namen Denyo, Denyo 77, Dennis Deutschland oder Dennis Dubplate.

Natürlich wollen wir, dass sich Künstler weiterentwickeln, neue Wege beschreiten und alte Fesseln sprengen, aber wer mit Phrasen wie "Der eine kommt, der andre geht – schau nicht zurück und geh dein Weg“ kommt, der darf sich nicht wundern, wenn man die Häme gleich eimerweise über ihn auskippt.
Da fragt man sich dann tatsächlich, warum im zugehörigen Video zu "Lass Los!“ der gute Dennis nicht wirklich losgelassen hat und den beiden Basejumpern einfach mal hinterhergesprungen ist. Ohne Fallschirm, Netz und doppelten Boden. Das wäre doch mal was gewesen. Da hätten wir Respekt vor gehabt. Aber so?

Ich mache jetzt Rockmusik – ah Du auch?

Lange Haare und ausgefranste Lederkutten sind nicht zwingend notwendig, um die Leidenschaft zur Rockmusik in vollem Umfang auszuleben. Nachdem schon Curse und Olli Banjo den Quereinstieg ins Rock-Genre ankündigte, sind in diesem Jahr immer mehr Rapper auf den Geschmack gekommen, ihre Bühnenshow mit einer eigenen Band zu bereichern. So zum Beispiel Bass Sultan Hengzt, der im November auf seiner “Live + Band Tour 2010“ den Fans mit einer Mischung aus Rap und Rock einheizte.

Auch Chakuza möchte sich mit dem nächsten großen Album einen langersehnten Traum verwirklichen: Endlich mal mit einer Band spielen. Rein optisch passt der eingefleischte Glamrock-Fan zwar noch nicht ins Genre, aber vielleicht wird es ja noch mal was mit Pailletten-Kostüm und  Bandana à la Axl Rose. Wir sind auf jeden Fall gespannt, denn neben diversen Absichtserklärungen hat man ja in Echt noch nicht allzu viel zu Gehör bekommen.

Wo ist eigentlich Hipster Rap abgeblieben?

Eigentlich hat sich diese Kategorie schon alleine mit der Überschrift erledigt, aber es ist doch erstaunlich, dass im letzten Jahr noch alle Welt von rosgewandeten Typen mit dicken Hornbrillen und bunten Turnschuhen gesprochen hat, die aber offensichtlich allesamt den frühen Ruhm nicht verkraftet haben. Zwar lieferte Kid Cudi mit Man on The Moon 2 eines der besten Alben des Jahres ab, erklärte aber, dass er mit Rap nichts mehr zu tun haben wolle und dass ihn die Drogen zerstört hätten.
Charles Hamilton wiederum war lediglich durch eine Prügelei mit der Polizei in den Schlagzeilen und was ist eigentlich aus den Cool Kids geworden?

Na gut, wenn Drake tatsächlich noch ein Hipster Rapper sein sollte, dann war diese Kategorie sogar wirtschaftlich richtig erfolgreich aber insgesamt ist die Euphorie um das einst gehypte Subgenre doch spürbar zurück gegangen.

Wir von rap.de haben das natürlich schon immer gewusst und der ganzen Sache sowieso nicht so richtig getraut. Außerdem halten wir uns nach wie vor streng und orthodox an alte, ewig weise Weisheiten aus der Hip Hop Geschichte, wie zum Beispiel an den guten alten Public Enemy Satz: Don’t believe the hype. Und das liebe Freunde von rap.de, das solltet Ihr auch tun.

Autotune: Vergeben und Vergessen?

Langsam, aber sicher, scheint der allgemeine Hip Hop Kosmos resigniert, und sich endgültig dem Audio-Verfeinerungselement Autotune ergeben zu haben. Kaum ein Künstler mag mehr auf die Tonhöhenkorrektur verzichten und das obwohl sich der Pate des Rap, Jay Z himself so sehr dagegen ausgesprochen hatte.

Und so findet sich auf nahezu jedem, in diesem Jahr erschienenem Album Autotune als festes Stilmittel wieder. Egal ob national oder international, es wird einfach nicht mehr darauf verzichtet und das schlimmste ist, es wird einfach so hingenommen. Darüber geredet oder diskutiert wird nicht mehr.
Wir haben diese Debatten, ob Autotune Alben besser macht, oder nur für Totalausfälle verantwortlich ist, schmerzlich vermisst und fordern eine Wiederaufnahme der Diskussion!

Straßenrap is back….

Lange Zeit hieß es ja Straßenrap wäre vorbei, zu ausgelutscht und nicht mehr interessant. Durch all die Bushido-Kopien und innovationslosen Dorfgangster, die sich in den Weiten des youtube-Universums rumtrieben, konnte man auch durchaus diesen Eindruck gewinnen. Schließlich löste der besagte Straßennachwuchs bis dato keine Euphoriewellen, sondern eher peinlich berührte Reaktionen aus. Zumindest für durchschnittlich intelligente Betrachter, war so manches, was da das youtube-Licht der Welt erblickte, einfach eine Zumutung.

Doch zwischen all dem Rotz der, sich in den einschlägig bekannten Videoportalen ausbreitete, gelang zwei Newcomern der Durchbrauch. Die Rede ist von Nate57 und Haftbefehl. Ersterer hatte wohl dieses Jahr den vielleicht größten Hype der gesamten Deutschrapszene und konnte sein Debutalbum "Stress aufm Kiez“ gleich mal auf Platz 37 der Charts platzieren. Nate als auch Haft beschreiben auf ihren Alben zwar beide typsiche Straßenrap-Szenarien rund um Drogen, Hochhäuser und Armut, konnten aber durch eigenen Style und innovative Bildsprache dem Hörer noch mal eine ganz eigene Perspektive auf das Ganze liefern.

So bleibt zu hoffen, das diese Tendenz auch im nächsten Jahr beibehalten wird und statt Videos aus dem Baukasten, mit schwarzweiß gefilmten  Jugendgangs vor heruntergekommenen Hochhausfassaden, die künstlerische Originalität im Vordergrund steht. Denn darum geht es schließlich und endlich – um guten, unterhaltsamen, originellen Rap. Egal in welchem Genre.