Morlockk Dilemma

rap.de: Leute wie Kollegah haben dieses Level im Battlerap einfach wahnsinnig krass gehoben und es fällt mir…

Morlockk Dilemma: In dem Zusammenhang muss man aber sagen, dass Snaga und Pillath das davor auch schon gemacht haben. Nicht, dass er das jetzt darauf aufbaut, aber die haben das Level auch schon krass angehoben. Diese Um-Die-Ecke-Rhymes oder überhaupt die Definition von Punchlines, war auch aus der Ecke. Das wird immer vergessen. Es ist ja nicht so, dass Kollegah um die Ecke kam und Punchlines erfunden hat. Aber er hat krasse Punchlines und hält dieses Level auch kontinuierlich. Das ist ja auch so ein Ding: Andere Leute brechen dann ein oder man findet es irgendwann nicht mehr cool. Aber der hält das Niveau und ich halte den von den Punchlines her auf jeden Fall für einen der interessantesten Acts.

rap.de: Das Problem ist glaube ich, wenn man so in einer Schiene ist und dafür von allen gefeiert wird, dass man jedes absurde Wortspiel irgendwann mal gebracht hat.

Morlockk Dilemma: Natürlich, aber dann wird es wieder was Neues geben. Ich meine, Savas hatte auch "Ich gehe raus und die Sonne gefriert“. Wann war das? ´99, ´98? Da war das "Oh mein Gott!“ für alle, weißt du? Wobei die Line echt cool ist, die würde ich auch heute noch bringen. Aber eigentlich kann man das heute nicht mehr machen. Es gibt jetzt auch kein Gesamtkonzept für einen Künstler, ich habe auch verschiedene Arten von Punchlines. Da hat man diese Um-Die-Ecke-Sachen, wo die Wortspiele halt sind oder halt irgendwelche Vergleiche mit Bildern, wo man eine überbrutale Line bringt.
Wo ich sage, was ich mit demjenigen mache, damit das und das mit seinem Kopf passiert. Da haben die Leute ein Bild im Kopf und denken sich "Oh scheiße, Alter“. Eine Kombination aus beidem ist so mein Konzept, damit man auch mal mit einer Füll-Line kommen kann, weil man sonst als Hörer ja gar nicht hinterher kommt. Und wo man dann auch mal was von sich preisgeben kann beziehungsweise so eine "böse Prophetenline“ bringt, was Mystisches. Das würzt die ganze Sache so ein bisschen auf.

rap.de: Hast du so von dir eine Punchline, für die du dich nach wie vor unfassbar feierst?

Morlockk Dilemma: Nee, ich bin ein ziemlich bescheidener ostdeutscher Junge mit guter Kinderstube. Obwohl, doch. Die offizielle Presseantwort ist: "Jede neue, die ich schreibe“. Ich will übrigens auch wie Helmut Schmidt überall rauchen dürfen. Der darf überall rauchen.

rap.de: Echt?

Morlockk Dilemma: Ja. Mein Cousin ist bei der Bahn als, wie sagt man da, Begleiter im Restaurant und der hat den da rauchen gesehen. Er meinte dann: “Herr Schmidt, Sie müssen leider die Zigarette ausmachen hier ist Rauchverbot.“ Und Herr Schmidt meinte nur :“Nicht für mich.“ (Gelächter)

rap.de: Abschließend noch mal zu deinem Mixtape. "Der Eiserne Besen" ist der Titel eines antisemitischen Magazins.

Morlockk Dilemma: Da wurde ich schon mehrmals drauf angesprochen, aber davor wusste ich das gar nicht. Den Begriff kannte ich natürlich als Begrifflichkeit: Wenn der eiserne Besen fegt, dann spricht jemand Tacheles. Zum Beispiel, wenn jetzt jemand neues bei Porsche einsteigt oder bei VW eingestiegen ist und der ist halt bekannt als Hardliner und setzt, was weiß ich, den Betriebsrat unter Druck, dann hält dort der eiserne Besen Einzug. Jetzt habe ich dann erst gelesen, dass die Nazis das auch als Begrifflichkeit benutzt haben.

rap.de: Also das war dir gar nicht bewusst?

Morlockk Dilemma: Nein das war mir wirklich nicht bewusst, wirklich nicht. Also, auch nicht als Provokation. Ich habe echt eine linke Vergangenheit und es wäre mir zu schade oder zu haarig, mit solchen Begrifflichkeiten zu kokettieren und mir dadurch Promo zu holen. Ich überlege, das Tape als Reihe zu machen. Das ist erst seit dem 1. Mai draußen, aber läuft schon richtig gut und wir sind die ganze Zeit übelst am Rotieren. Das sprengt schon fast die Kapazitäten. Aber ich weiß nicht, ob ich das so weiterführe, weil mir das auch einfach zu heikel ist. Ich will nicht, dass das so an mir haften bleibt. Es gibt ja ignorante Leute, denen man das zehnmal erklären kann und sie wollen es immer noch nicht verstehen.

Ich bin ja auch aus dem Osten, vielleicht springen da einige Leute an. Ich meine, ich will nicht wissen, wie oft ich in irgendwelchen Texten gehört hab, der Führer des Rap, der Führer von Hip Hop… Blablabla. Ich bin der Letzte, der mit dem Finger auf andere Leute zeigt, aber sobald man Ossi ist, tun die Leute so. als würde das in den Genen liegen. Als würde man mit Springerstiefeln geboren werden.
Bei den Leuten geht dieser Ironieschalter nicht an. Da wird das immer schnell in die rechte Ecke gesteckt.

Aber um das noch mal letztendlich schön zu reden:  Ich hab irgendwann mal letztens auch so ein Interview gelesen, mit Max Frisch, diesem schweizer Schriftsteller. Der hat mal gesagt: "Die eigentliche Aufgabe von Lyrik ist es auch, Begrifflichkeiten“, oder sagen wir mal Worte, "und deren Konnotation zu verändern.
Zum Beispiel so ein Wort wie Separatist. Das gibt es nicht mehr im Sprachgebrauch, das wurde klamm und heimlich verändert, von wem auch immer, und zu Terrorist gemacht. Also die Konnotation hat sich verändert, weil ein Terrorist ist immer böse. Früher gab es aber noch einen begrifflichen Unterschied, ein Separatist war jemand, der für seine Freiheit kämpft.  Das nur als Beispiel und die Lyrik sollte das auch machen, zum Beispiel mit Worten, denen sich Diktaturen bedient haben.  

Man sieht das ja jetzt auch. Die Faschos tragen Che Guevara Shirts und spielen Rio Reiser. Die klauen der Linken die Symbole und die Symbole verlieren plötzlich ihren Wert und ihre Konnotation. Das ist jetzt nicht unbedingt mein Ziel gewesen mit " Der Eiserne Besen“, aber vielleicht schaffe ich es dadurch, dass wenn sich in 50 Jahren die Leute über den eisernen Besen unterhalten, sie nicht mehr an dieses Nazi-Magazin denken, sondern an dieses verflucht dope Mixtape.

rap.de: Da ist dann der Wikipedia-Artikel vom Mixtape über dem vom Nazimagazin.

Morlockk Dilemma: Wikipedia ist ein Toy. Nee, aber ich finde das klingt sehr romantisch und somit möchte ich mir diesen Hokuspokus schön reden.

rap.de: Wunderbares Schlusswort, wie ich finde. Vielen Dank für da Gespräch.