rap.de: Ist man ein bisschen nervös, wenn man am ersten Mai auftritt?
Morlockk Dilemma: Nein, nein. Das Einzige war: Wir hatten überlegt zu filmen, aber in der Presse wurde der erste Mai dieses Jahr als der absolute Horrortag angekündigt und es gibt den absoluten Aufruhr und es werden Leute umgebracht und so weiter. Was ich jetzt nicht schlimm fand, aber ich muss den Abend nicht unbedingt in einer Zelle verbringen. Nicht dass ich vorhatte, da irgendwie aktiv zu werden, aber man kennt das ja. Schnell ist man in irgendeinem Mob drin und…
rap.de: …man hat einfach jemanden umgebracht!
Morlockk Dilemma: Ja, einfach so! Weißt du Lisa, eins muss man ja mal festhalten: Man kann nicht auf der einen Seite Agitator sein und auf der anderen Seite, wenn es heiß hergeht, zurück stecken. Nein, so sind wir nicht! Ich hatte mehr Angst davor, dass es regnet und ich keine Jacke und nur kurze Hosen dabei habe. Das ist die Wahrheit.
rap.de: Ist der erste Mai in Leipzig mit dem in Berlin vergleichbar?
Morlockk Dilemma: Ich habe mir das hier gar nicht so genau angeguckt und es war ja auch relativ chill. Und in Leipzig: Ich weiß nicht, ob da dieses Jahr überhaupt irgendwas los war. Die letzten Jahre war es relativ ruhig. Es gab mal so eine Zeit, da sollte jedes Jahr so eine Fascho-Demo in die Südvorstadt gehen beziehungsweise nach Konnewitz, wo so das linke Klientel ist. Das haben sie aber nie geschafft und wirklich krass war das auch nicht. Da hat halt mal was gebrannt und es gab das typische Katz und Maus Spiel mit den Bullen in irgendwelchen Seitenstraßen, aber wie gesagt: Ich bin jetzt auch keiner, der da mit rennt.
Man geht halt mal verkatert am nächsten Tag hin, wenn man weggegangen ist und durchgemacht hat. Choleriker hat mal durchgemacht, mich abgeholt, wir laufen zwei Straßen weiter, kommen irgendwie an so einer Bullenkontrolle vorbei und die geben uns sofort Platzverweis. Nur wegen unserer optischen Erscheinung wahrscheinlich. Wir sahen vom Vortag noch so finster aus, dass sie uns gleich als Gefahrengruppe A oder wie das heißt eingeschätzt haben. Ansonsten hält sich das aber in Grenzen, das ist mir alles ein bisschen zu albern.
rap.de: Viele Leute von außerhalb sagen immer, dass das Berliner Publikum ganz speziell ist.
Morlockk Dilemma: Wenn ich mir in Berlin Ami-Acts angucke, fällt mir das immer auf. Da lassen sich die Leute vor der Bühne erst mal so ein bisschen bitten. Ich kann jetzt nur von meinen Auftritten oder denen mit Hiob sprechen, aber da ist eigentlich immer gute Stimmung. Da weiß man jetzt natürlich auch wieder nicht, ob das nur Berliner sind oder ob die Hälfte aus Stuttgart kommt. Man kann am Hauptbahnhof niemanden nach dem Weg fragen, weil einfach NIEMAND aus dieser Stadt kommt. Ich warte auch auf den Tag, an dem Hiob schwäbisch spricht. Und es wird soweit kommen, wenn er weiter da wohnt, wo er wohnt.
rap.de: Hast du mal darüber nachgedacht, nach Berlin zu ziehen? Dein Label sitzt ja unter anderem auch hier.
Morlockk Dilemma: Wegen Musik nicht. Man ist ja erstaunt, wie viele Rapkünstler mittlerweile in Berlin wohnen – auch von den Etablierten. Wenn wir hier auf Freestyle-Veranstaltungen waren, waren da auch meistens Leute aus Thüringen und da könnte ich es verstehen, wenn jemand, der hier aufgewachsen ist und die Berliner Fahne hochhält, sagt: "Ey, ihr könnt jetzt nicht sagen, dass ihr zur Berliner Szene gehört“. Wenn das jetzt in Leipzig so wäre, würde es mir auch nicht gefallen, wenn die Szene nur aus irgendwelchen… Es spielt zwar keine Rolle, wo du her kommst, aber ich wiederum würde es nicht machen.
Ich würde zum Beispiel wegen einem Job hierher ziehen. Ich bin ja auch oft hier, aber ich würde mich niemals erdreisten zu sagen, dass ich Berliner bin. Auch wenn ich seit zehn Jahren hier wohnen würde. Ich denke man ist das, wo man seine Jugend verbracht hat, weil das am prägendsten ist. Und das jetzt nicht aus irgendeinem dummen Lokalpatriotismus heraus, sondern das ist einfach die Zeit, die einem am meisten prägt. Das kriegt man dann ja auch nur schwer wieder raus. Ich werde zum Beispiel nie diesen Sachsen-Dialekt weg kriegen, egal wo ich wohne. Das ist aber auch ok so. Jetzt nicht dogmatisch gesehen, aber wegen Mucke würde ich nicht hierher ziehen.
rap.de: Du wohnst mittlerweile wieder in Leipzig, hast aber in Magdeburg Journalistik studiert. Willst du zukünftig auch in dem Bereich arbeiten?
(Kellner bringt Getränke)
Morlockk Dilemma: Prost! Und ich erkläre dir jetzt, warum man nicht anstoßen soll. Das haben sie früher nämlich nur gemacht, weil sie sich gegenseitig vergiftet haben. Um sich Vertrauen zu beweisen, haben sie angestoßen, damit das vom einen Glas ins andere überschwappt. Galileo ist gar nicht so schlecht, wie der Ruf ist. Ich weiß auch alles über Nestlé und andere Großkonzerne. Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, Journalistik. Ja, ich werde da zukünftig was machen und ich schreibe gerade schon hier und da was, aber das ist nicht der Rede wert. Ansonsten habe ich wie gesagt meine Sendung, aber die hat nichts mit Morlockk Dilemma zu tun. Das ist eine Hip Hop-Sendung auf ByteFM, so ein Online-Radiosender. Die heißt "Bodega“ und die mache ich mit zwei Redaktionskollegen.
Das ist so was, was ich von Zuhause aus vorbereiten kann. Ich versuche das aber echt zu trennen von der Mucke-Geschichte, auch wenn es eine Hip Hop-Sendung ist. Da werden nämlich auch Sachen gespielt, die ich mir erstens privat nicht anhören würde und die zweitens auch nichts mit meiner Musik zu tun haben.
Diese ganze journalistische Geschichte ist halt mein Job und einmal in der Woche hole ich das Morlockk Dilemma Kostüm raus beziehungsweise hole ich ihn aus seiner Puppenkiste raus und dann meckert er in die Ecke und dann wird das aufgenommen.