Deso Dogg

rap.de: Wie sieht so ein Trainingsalltag von dir jetzt aus?

Deso Dogg: Wenn es ein bisschen wärmer ist, fängt mein Training eigentlich schon so zwischen Sieben und halb Acht an. Ich steh morgens auf, trink meine ganzen Vitamine – ich bin jetzt voll der Tablettenjunkie geworden! (lacht) Knall Vitamine rein, Zink, Eisen, Magnesium, die ganzen Shakes, ziehe mich schweißfest an und dann geht’s erst mal auf die Piste, dann wird quer durch Kreuzberg gejoggt.

Ich nehme mir meinen MP3 Player, mit, und jogge dann, wenn die Sonne aufgeht, durch den Görlitzer Park, Treptow, da die ganzen Kanal-Ecken. Ich lauf also erst mal eine, eineinhalb Stunden, komm dann nach Hause, frühstücke ordentlich was, dann pack ich meine Sporttasche und geh zum Training.

Vormittags bin ich dann immer zehn, elf Uhr da und trainier so bis 13 Uhr. Kraft, Ausdauer, viel Technik, Balance… Da hat der Trainer auch Zeit, weil wir nicht so viele sind. Da sind hauptsächlich die da, die bei Turnieren und Wettkämpfen mitmachen und da kann sich der Trainer um einzelne Kämpfer kümmern.

Dann bin ich gegen Zwei, halb Drei wieder in Kreuzberg, hau richtig Essen rein und knall mir wieder einen Shake rein. Dann wird eineinhalb Stunden Mittagsschlaf gemacht, danach kümmere ich mich um meine Internetarbeit und um Musiksachen.

Um 18 Uhr wird dann die Tasche gepackt und man geht wieder zum Training. Um 22.30 Uhr bin ich dann im Orient Eck und hau mir noch einen Spezial mit viel Soße rein. Ein bisschen sündigen. Dann geh ich nach Hause, knall mir noch einen Salat rein, Vitamine, bisschen Fernseh gucken, im Internet Sachen machen, bisschen lesen und dann wird geschlafen.

Der Tag ist auf jeden Fall von Ernährung, Kopf alles komplett aufs Training und das Kämpfen ausgerichtet.

rap.de: Inwiefern unterscheidet sich die Kampfsportszene von der Rapszene?

Deso Dogg: Die sind disziplinierter, gesünder, meist auch ehrlicher. Die Leute sind friedlicher und gelassener. Das ist cool. Was ich nicht mag ist, wenn man 24 Stunden lang über den Sport redet und wenn man schon mit Kimono auf die Straße raus geht. Das ist nicht mein Ding. 

rap.de: Wie bist Du zum Freefight gekommen?

Deso Dogg: Ich hab ja schon immer Sport gemacht. Ich hab mit Taekwando angefangen, als ich acht war. Ich hab Kickboxen gemacht und hab dann irgendwann angefangen mit Boxen. Aber Boxen ist langweilig. Immer nur auf Fresse, Kopf, bambambam. Da habe ich mir gedacht, es muss doch auch noch was anderes geben. Und beim Thaiboxen, durch meinen Trainer da, das hat mir gefallen. Das war hart. Beine, Faust, hinschmeißen, Würfe – das war interessant. Ich hatte aber schon Informationen über so eine Freefight Veranstaltung in Japan bekommen, das war Ende der 90er. Das war Pride.

Ich habe mir immer die Sachen rein gezogen und das hat mir gefallen. Ich dachte mir boah, geil, alles auf einmal! Wie kloppen auf der Straße, bloß mit ein paar Regeln und einem Ring. Das hat mir gefallen und die ganzen Techniken auch.

Damals hatte ich noch keine Ahnung von Internet und so und habe mich gefragt, wie ich da ran komme. Und dann ist uns zufällig ein Freund besuchen bekommen, der bei Ulf Brazilian Jiu Jitsu trainiert hat. Der war damals noch neu. Wir sind ins Gespräch gekommen und er hat mich mal mit zum Training genommen. Da habe ich einen richtigen Flash gekriegt. Das war wie so ein Blitz, es hat mich richtig erwischt. Dann war ich aber durch die ganze Musik und so beschäftigt, dass ich es gar nicht mehr geschafft habe, richtig hinzugehen. Ich hab dann ab und zu nur noch Box-Training oder Thaibox-Training gemacht und ab und zu mit einem Freund gerungen.

rap.de: Wie alt bist du jetzt eigentlich?

Deso Dogg: Jetzt 34.

rap.de: Wie viel Jahre davon hast du im Knast gesessen?

Deso Dogg: Uff, über 10 Jahre. Zu lange. 

rap.de: Fühlst Du Dich betrogen um diese Zeit? Oder hast du das Gefühl, dass Du Dich selbst verarscht hast?

Deso Dogg: (lacht kurz) Nee, nicht selber verarscht. Guck mal, ich war sehr früh kriminell. Ich habe früher aus dem Kindergarten schon aus der Kindergarten Kassen geklaut. Alles was silbern war, alles was geglänzt hat, das wollte ich haben. Wenn bei uns zuhause Geld rum lag, habe ich das einfach eingesteckt. Ich hab mir nicht mal was dabei gedacht.

Wir haben ja nicht soviel gehabt, und deshalb habe ich auch mal ein paar Playmobil-Figuren eingesteckt. Und in der Grundschule musste ich dann auch öfters mal auf dem Flur stehen, weil ich den Unterricht gestört habe. Und da habe ich dann die Jacken durchsucht, hier Taschengeld, da eine Uhr. Wenn mir die Jacken gefallen haben, dann habe ich die einfach mitgenommen. Und als es dann mit den Gangs losging, ist alles größer geworden. Man hat Autoradios geklaut, Fahrräder geklaut, man ist Einbrechen gegangen. Es wurde halt immer mehr, immer mehr, immer mehr. Naja, und dann bin ich halt im Knast gelandet. Aber ich würde nicht sage, dass ich mich jetzt selbst verarscht habe. Ich habe einfach gegen Regeln verstoßen, und das hat mich in den Knast gebracht.

Es war aber auch so, dass uns niemand etwas verboten hätte. Unsere Eltern haben uns natürlich gehauen und gesagt, "Mach das nicht, das ist verboten“ Aber wir waren auf diesem "Wir machen, was wir wollen“-Trip. Rebellen. Wir haben gesagt, "Wir nehmen es von den Reichen und geben es den Armen“. Robin Hood-Style. 

rap.de: Also habt ihr in Zehlendorf die Autoradios geklaut?

Deso Dogg: Nein, natürlich sind wir erstmal in unserer Gegend ausgerastet. Aber später sind wir dann wirklich in andere Bezirke gegangen und haben gesagt, "Bei uns in der Gegend nicht!“ Und auch so Sachen auf dem Ku’Damm gemacht, da war ja viel Tourismus, Mitte der 90er.

Die Gang-Zeit, viele Schlägereien, viele Stechereien. Es war eben meine Pubertäts-Phase. Andere gehen ihr leben lang reiten. Wir waren alle kriminell. Ich kannte nur Kriminelle. Es war normal, dass man klaut, raubt oder Drogen verkauft. Als ich jung war, war es schlimm, wenn man mit seiner Freundin ins Kino geht. Das war krass. Oh mein Gott. Wenn das einer von den Älteren hört, dann gibt es Probleme!

rap.de: Warum?

Deso Dogg: Das war nicht normal. Wenn du dir normale Zivilisten  anguckst, für die ist das schlimm, wenn man klaut. Und für uns war es halt schlimm, Hand in Hand mit einem Mädchen herum zu laufen oder zu picknicken, so was ging gar nicht. Wir haben in einer anderen Welt gelebt. Irgendwann sind wir eingefahren, haben unsere Strafen bekommen und mussten einsitzen.  

rap.de: Was hätte Dich aus dieser Zeit raus geholt? Sowas wie Sport? Jemand wie Ulf? Hätte der Dich damals schon retten können?

Deso Dogg: Ja, auf jeden Fall. Ich habe mich ja damals viel geprügelt. Ich war sehr gewaltbereit. Kloppen hat mir immer Spaß gemacht. Hätte ich gewusst, dass ich damit Geld verdienen kann, dann hätte ich das viel früher gemacht. Ich habe damals Kickboxen gemacht, Thaiboxen gemacht, aber darin habe ich kein Geld gesehen. Dann habe ich halt mit Kriminalität Geld verdient, aber die Scheiße war dann natürlich der Knast.

Ich habe da so viele Jahre drin verloren, die Familie ist dadurch kaputt gegangen. Ich habe mich nicht mehr mit meiner Mutter oder meinem Vater verstanden. Und mein Bruder, der war damals ja draußen, der hat mich dann als Vorbild gesehen und hat dann natürlich auch los gelegt. Ich war drin, konnte nichts dagegen tun. Scheiße.