rap.de: Für mich ist es immer eine interessante Frage, wie sehr es an der Gesellschaft liegt, dass Frauen in einer solchen Position sind, oder ob es nicht doch zu einem gewissen Teil auch an ihnen selbst liegt. Gerade wenn du von Dingen, wie den Reaktionen auf R.Kellys Musik redest. Auch wenn die Vorfälle ein paar Jahre zurück liegen – wie kann es sein, dass eine Frau das cool findet?
Ursula: Für mich wird das auch immer ein Rätsel bleiben. Was ist der fehlende Link? Ist es Common sense oder was fehlt? Ich habe ein paar unangenehme Erfahrungen in meinem Leben gemacht, ich war von Schmerz und Leid nicht abgeschirmt. Ich weiß, wie es ist, aufzuwachsen. Meine Eltern haben sich immer bemüht, aber wir waren nicht reich, auf keinen Fall. Und in Philly siehst du eben, was Leute ghetto nennen – die Neighbourhoods sind alle da. Man weiß also, wie es ist, und da frage ich mich schon, weshalb ich nicht so bin, wie diese anderen Frauen? Ich bin keine Soziologin, aber was diesen Song angeht: Wenn du in solchen Umständen aufwächst, zieht dich das runter. Die Leute verlieren ihren Sinn für die Optionen, die sie haben. Sie sehen nicht, dass sie eine Wahl haben. Sieh dir all diese Images an – Frauen wollen immer nur für jemand anderen gut aussehen. Selbst mir geht es ja manchmal so. Ich denke z.B. „Scheiße, mein Bauch ist nicht mehr so flach, seitdem ich meine Kinder bekommen habe“ – solche Sachen eben. Natürlich mag ich es, gut auszusehen, aber ich werde nicht für jemand anderen einen Standard aufrecht erhalten.
rap.de: Wie reagieren die Frauen auf dich, die du in dem Song kritisierst? Es ist ja offensichtlich, dass du ihren Lifestyle und ihre Ziele nicht schätzt…
Ursula: Diese Referenz ist nicht lediglich negativ. Ich feiere diese Frauen damit auch, denn es gibt Dinge an ihnen, die einfach sehr „schwarz“ sind und zu unserem „Schwarz-Sein“ und unserer Kultur in Amerika dazu gehören. Es ist mehr eine Art Aufforderung an sie, weniger eine Kritik: „Ich feiere was ihr seid und was ihr sein könntet.“ Ich sprach gerade mit einer Frau aus Berlin, deren Freund hier in einem ärmeren Viertel arbeitet, und die mir erzählte, dass es hier genauso ist. Die Mädels hier wollen unbedingt in ein Video, das ist ihr Ziel – ist das nicht sehr seltsam? Es scheint ein weltweites Phänomen zu sein.
rap.de: Auch im „Children ´s Poem“ setzt du dich mit der Verschiebung von Werten auseinander.
Ursual: Ja, es geht z.B. um Oral-Sex. In dem Gedicht sage ich „You better go and get your little girl up of her knees and tell her she don ´t have to suck no boys dick to keep him”. In Amerika ist das eine Art Modeerscheinung: Es gibt diese After-School-Parties, wo sie alle Schwänze lutschen – im Ernst.
rap.de: Weil es auch nicht als richtiger Sex gesehen wird bzw. als erster Schritt vor richtigem Sex?
Ursula: Und sie sind überzeugt, dass es ok ist. Wenn sie sich sagen „Ich mag diesen Jungen und ich will, dass er das merkt“, dann machen sie das, damit er nicht das Interesse verliert. Das soll ok sein? Ein zwölf jähriges Mädchen auf seinen Knien? Mein Sohn ist jetzt fast elf – wenn ich raus finde, dass er von einem Mädchen einen geblasen bekommt, fange ich an zu weinen. Ich habe echt Angst. Ich wüsste nicht, was ich tun soll.
rap.de: Auf deinem Album finden sich sehr viele verschiedene musikalische Einflüsse wieder. „Black Erotica“ z.B. ist ein Jazz-Song.
Ursula: Ich fühle mich, als ich wäre ich erwachsen geworden, wenn ich den Song höre. Jetzt habe ich „richtigen“ Jazz auf meinem Album!
rap.de: Wer hat den Song produziert?
Ursula: Anthony Tidd und der Typ ist erstaunlich. Ich habe ihm erzählt, worum es in dem Gedicht geht. Eines Tages kam ich ins Studio, und er spielt den Song – ich dachte, ich wäre zurück in den 60ern in einem Jazz-Club mit John Coltrane. Ich nahm das Gedicht dann mit dem Trompeter Jonathan Finlayson live auf. Er spielte mit mir und ich liebte es. Das war wahre Magie – ich stand in der Vokalbooth und er in einem anderen Raum, so dass wir uns sehen konnten. Ich war übrigens sehr nervös, als ich „Black Erotica“ machte. Niemand glaubt ja, dass ich schüchtern bin, aber tatsächlich ist es so. Für mich war das das erste Mal, dass ein Song so intensiv von Sexualität handelte.
rap.de: Versuchst du solche Lyrics auch deinen Kindern zu erklären?
Ursula: Ich fühle mich seltsam, wenn ich das Stück zu hause spiele und sie das hören wollen. Ich springe dann zum nächsten Song. Sie mögen die Musik allerdings, ich glaube aber nicht, dass sie wissen, was diese Dinge alle bedeuten.