Ursula Rucker

rap.de: Wie stehst du dem Papstkult im Katholizismus gegenüber?

Ursula: Ich würde den Ring des Papstes sicher nicht küssen, das ist nicht mein Ding. Als ich klein war, kam der damalige Papst nach Philly und meine Mom hat mich mit nach Downtown genommen, um ihn zu sehen. Sie geht da sonst nie hin, also musste es sich um eine wichtige Sache handeln. Ich werde mich daran immer erinnern und schätze diese Erfahrung auch. Man konnte eine gewisse Wärme und ein gewisses Gemeinschaftsgefühl spüren, obwohl ich das damals noch nicht wirklich einordnen konnte. Ich war ein kleines Mädchen, wahrscheinlich sechs oder sieben Jahre alt. Ich erinnere mich, wie er in seinem Auto vorbei fuhr.  

rap.de: Die Familie deiner Mutter stammt aus Italien. Haben ihre Wurzeln den Papstbesuch für sie noch wichtiger gemacht?

Ursula: Absolut. Sie ist sehr katholisch, allerdings glaubt sie an das Recht der Frauen, selbst zu entscheiden. Mich überrascht das manchmal ein bisschen, weil sie deutlich älter ist, als ich. Aber als mein Bruder getötet wurde, war ihre Trauer z.B. äußerst intensiv. Natürlich würde jeder Mutter den Verlust ihres Kindes betrauern, aber für eine italienische Katholikin ist das eine sehr rituelle Sache. Sie trug zwei Jahre schwarz und lebte wirklich in tiefer Trauer.  

rap.de: Du stammst aus einer gemischt-rassigen Beziehung und Deine Eltern haben in den 50ern in den USA geheiratet. Leben sie noch?

Ursula: Ja – sie leben noch und sind inzwischen seit 53 Jahren verheiratet.  

rap.de: Ich könnte mir vorstellen, dass sie das Thema inzwischen leid sind. Wie gehen sie dir gegenüber damit um?

Ursula: Sie waren immer offen dafür, mit mir darüber zu sprechen. Das ist eine sehr interessante Sache, im Prinzip aber auch ein Buch für sich. Eine gemischt-rassige Heirat in den 50ern war verrückt. Der Vater meiner Mutter stammte aus Italien und war ein sehr strenger und harter Mann. Als sie heiratete, log sie. Sie lebte noch zu hause und hat es niemanden erzählt. Mein Großvater fand es dann jedoch heraus und hat all ihre Sachen aus dem Haus geworfen. Danach hat er sie verleugnet. Sie haben das Problem zwar irgendwann gelöst, aber zu dieser Zeit war er sehr verletzt und wütend. Eigentlich stand seine Familie selbst in Kontakt mit schwarzen Leuten. Mein Großvater war Grundbesitzer und vermietete viel an schwarze Familien. Dass seine Tochter einen schwarzen Mann heiratet und es nicht erzählt, war für ihn aber unvorstellbar.  

rap.de: Wie lief die Geschichte für deinen Vater? Für ihn war es ja sicher auch nicht leicht.

Ursula: Seine Story zu hören, ist schmerzvoll. Ich denke, er hat einiges auch immer noch nicht verarbeitet. Ich will auch noch vieles mit meinen Eltern besprechen – eines Tages setze ich mich vielleicht mit einem Rekorder hin und interviewe sie. Ich habe meine Mutter immer gefragt, wie es für sie war, zu dieser Zeit, in den späten 50ern, mit meinen Brüdern herumzulaufen. Sie sind beide wesentlich älter als ich, elf und 12 Jahre. Sie sagte immer „Weißt du was – sie waren meine Kinder, meine Söhne. Ich habe es nie anders gesehen. Natürlich haben sich Leute nach uns umgedreht, aber für mich war es ganz natürlich. Sie waren meine Kinder. Nichts sonst.“ Ich liebe das an ihr. Als ich klein war, war ich mir der Sache einmal bewusst. Die Kids haben mich oft damit aufgezogen, dass ich hellere Haut habe – das war für schwarze Leute früher ein Thema.  

rap.de: Für Malcolm X soll das ja auch ein Problem gewesen sein.

Ursula: Stimmt. Bei mir selbst gab es einmal einen Vorfall im Supermarkt. Ich rannte weg, weil es mir peinlich war, dass meine Mutter weiß ist. Aber das hielt nur sehr kurz an. Wenig später dachte ich wieder „Sie ist einfach meine Ma“. Erst als ich ein politisches Bewusstsein bekam und etwas „revolutionärer“ wurde, bin ich mir gewisser Unterschiede in den Dynamiken bewusst geworden. Aber ich bin mir sehr bewusst, wer ich bin und bin darauf auch stolz. Mein Platz ist allerdings in der schwarzen Gemeinschaft, wenn es darum geht, wofür ich mich engagiere. Ich werde nicht gebraucht, um für italienische Rechte zu kämpfen (lacht). Das ist nicht wirklich nötig.  

rap.de: Bist du mit einem schwarzen Mann verheiratet?

Ursula: Ja

rap.de: Wenn du sagst, dass dein Platz in der schwarzen Community ist – schließt das für dich auch eine Beziehung zu einem weißen Mann aus? Ich frage, weil sich viele schwarze Künstler offen dagegen aussprechen. Wenn man z.B. Sachen von Common hört, weiß man, dass eine Beziehung zu einer weißen Frau für ihn keine Option wäre…