Aimo Brookmann, ehemals Taichi, veröffentlicht nach sechs Jahren wieder ein Album. Dieses mal unter seinem bürgerlichen Namen. Und nicht nur der Name ist anders. Nach einer Pilgerreise auf dem Jakobsweg und vor allem einer Zeit, in der er keinen Bock mehr auf Rap und das ganze Drumherum hatte, hat er sich laut eigenen Angaben neu in die Musik verliebt und bringt nun „Schneckenhauseffekt“ an den Start. Wir haben mit ihm über sein Album, seine Reisen und seinen Bezug zu Rap gesprochen.
Ich war, genau wie du, auf einer Waldorfschule. Viele machen sich darüber lustig. Wie hast du die Zeit erlebt und wie stehst du heute dazu ?
Erstmal finde ich das pädagogische Konzept dahinter super. Ich hab‘ das 13 Jahre lang gemacht und irgendwann wird es schwierig, so ab der achten, neunten Klasse. Mann müsste ab dem Zeitpunkt mehr gelenkt werden, ansonsten fallen viele durchs Raster. Bei mir hat das alles gut geklappt, ich hab‘ Abitur gemacht. Wenn ich mal Kinder habe würd‘ ich sie bis zur sechsten,siebten Klasse auf jeden Fall auf die Schule geben, ich finde gerade die individuelle Betreuung und die Kreativität, die da gefördert wird, super.
Und was hast du aus der Schulzeit für deine Musik mitgenommen?
Als das in der siebten, achten Klasse bei mir los ging mit HipHop hab‘ ich Tapes aufgenommen und Freunden die Kassetten auf dem Pausenhof gegeben. Aber ich war der einzige, der gerappt hat damals und man bringt sich damit schnell selbst in eine Außenseiter-Rolle. Ich habe dann auch ein Album gemacht, das „Außenseiter“ hieß. Ich war nicht dieser typische Außenseite mit Brille und so weiter, ich habe mich selber ein bisschen ausgegrenzt. Ich hatte immer Freunde, aber viele außerhalb der Schule, gerade wegen HipHop. Ich glaube, auf einer staatlichen Schule hast du dieses Problem nicht.
Jetzt hast du ja sechs Jahre kein Album mehr gemacht, was hast du gemacht in der ganzen Zeit?
Musik gehört. Ich habe ja 2012,2013 drei Mixtapes gemacht, aber eben nur Mixtapes und auch nur digital. Davor habe ich von 2004 bis 2008 im Jahresrhythmus Alben released mit wahnsinnig vielen Features und das habe ich alles komplett eingestellt und habe nur wenn ich mal Bock hatte einen Song gemacht und das, was sich da angesammelt hat hab‘ ich als Mixtape digital veröffentlicht.
Warum? Hattest du keinen Bock mehr auf ein Album?
Das ist schwierig zu beschreiben. Ich habe in mein Album „Therapie“ wahnsinnig viel Kraft reingesteckt und war danach ein bisschen ausgebrannt. Ich habe immer alles alleine gemacht, ich hatte nie jemanden, der sich um mein Business oder um meine Promo gekümmert hat. Wenn du das alles alleine machst, fällt es wahnsinnig schwer abzuschalten. Dein Kopf arbeitet 24/7, ich hab‘ auch nicht nur Musik gemacht, sondern noch andere Business Sachen, und irgendwann war das alles so viel, dass ich kurz vor einem Burnout war. Dann habe ich bestimmte Sachen zurückgefahren. Dazu kommt, dass ich mir zwar selber immer den Arsch abgerackert und alles alleine gemacht habe, es aber nie so gut war, dass viel bei rumkommen konnte. Musikalisch war es auf jeden fall gut, das steht nicht in Frage, aber im Business lief einiges schief. Ich hatte ja nie eine richtigen Hype und damit auch nie richtig Erfolg. Das hat sich einfach nicht ausgeglichen, was ich reingesteckt habe und was am Ende dabei rum kam. Musik ist mein Baby und ich mach das gerne, aber es darf mich nicht kaputt machen.
2012 bist du den Jakobsweg gelaufen. Wie war das?
Das war an einem Punkt, wo ich einfach mal raus musste und dann bin ich 300 Kilometer gelaufen und das war super. Ich kann das nur jedem empfehlen, das hat was unglaublich befreiendes. Da bist nur du, dein Rucksack, der Weg und der Wille in dir, das jetzt zu machen und das kann sehr viel in dir bewegen.
Du bist gerade erst aus Indonesien zurückgekommen. Was bedeutet Reisen für dich?
Ich finde Reisen super. Ich überleg‘ auch ob ich bald mal ’ne Weltreise mache für ein Jahr. Nicht unbedingt nur, um musikalisch da was draus zu ziehen, ich habe die Indonesien-Reise jetzt auch nach dem Album gemacht. Ich reise eigentlich für mich, weil ich Länder und Menschen liebe und nicht weil ich daraus ein Album machen will.
Bushido hat in einem Interview letztes Jahr bei uns gesagt, dass du seinen Youtube Chanel betreust. Was macht du da genau?
Ich manage den Kanal und guck‘, dass da alles optimal ist.
Bushidos Musik ist ja sehr anders als deine Musik.
Ich finde seine Musik gut. Das letzte Album war hervorragend. Das findet in einem anderen Kosmos statt als das was ich mache und machen will, das ist komplett was anderes. Trotzdem habe ich natürlich auch 1998/1999/2000 Bushido wahrgenommen und für unterhaltsam befunden und finde das heute auch super, wie er das macht.
Du hast dein neues und erstes Album seit 2008 „Schneckenhauseffekt“ genannt, warum?
Das ist nicht mit ein paar Worten zu erklären. „Schneckenhauseffekt“ ist das Gegenteil zum Schmetterlingseffekt. Der „Schneckenhauseffekt“ ist nicht der Flügelschlag des Schmetterlings, sondern das zurück ziehen, wenn du dich nicht bewegst, dann entsteht nichts. Das war der Zustand der letzten Jahre. Ich hab‘ mich immer weiter zurück gezogen und dementsprechend ist auch immer weniger passiert. Wobei ich sagen muss, ein Rückzugsort ist für jeden Menschen wichtig, ich werde mir auch immer ein Stück Schneckenhaus bewahren zum Kraft tanken. Aber wichtig ist eben, dass du auch raus gehst und dich bewegst, ansonsten endest du in einer Depression. Das Album ist eine eher düsteres und melancholisches Album, weil es dieses tiefste Schwarz in dem Schneckenhaus zeigt, aber es beschreibt auch diesen Wunsch und Drang raus zu wollen und ein Stück den Weg raus ins Licht.
Hat das Album dir dabei geholfen dich aus dem Schneckenhaus zu befreien ?
Absolut. Ich mache Musik in erster Linie für mich und hab da auch keinen Druck damit Geld verdienen zu müssen, deswegen ist das ein sehr wichtiger Punkt, dass Musik mir hilft. Sich mit Worten zu beschäftigen und zu schreiben hilft mir persönlich enorm weiter auch im Alltag. Das muss auch kein Rap sein, das kann auch Pop oder Chanson sein, was ich schreibe.
Deswegen hast du wohl auch nie den richtigen Durchbruch geschafft – weil du nie auf einen Hit hin gearbeitet hast.
Ja genau, deswegen ist das Album auch genau das, was ich zu dem Zeitpunkt machen wollte. Da steckt keine Absicht dahinter, damit einen Hype zu generieren oder das große Geld zu verdienen. Das hab‘ ich aber auch nie so gemacht, sonst hätte ich schon 2004 angefangen, andere Musik zu machen, weil damals schon die Musik, die ich gemacht hab‘, nicht die Musik war, mit der man Geld verdienen konnte. Da bin ich auch sehr stolz drauf, dass das so ist.
„Schneckenhauseffekt“ ist ja sehr musikalisch, mit sehr vielen Instrumenten und verschiedenen Einflüssen. War das deine Idee oder die deines Produzenten? Und bekommst du viel Inspiration aus anderen Musikrichtungen?
Ich höre kaum Rap-Musik privat, ich hör‘ extrem viel Filmmusik, Klaviermusik und Klassik. Wenn du das Album gehört hast, hast du ja auch den Song mit Gunther Gabriel gehört, ich wollte tatsächlich früher Cowboy werden und habe sehr viel Country gehört, deswegen diese Einflüsse. Mit Timo (Krämer – Anm. d. Verf.) zu arbeiten war da natürlich perfekt, weil er einen ganz anderen musikalischen Background als ich hat, er hat zehn Jahre klassische Geige gespielt und kommt aus dem Metalbereich. Er bringt ganz viele neues mit rein. Wir haben am Anfang zusammen überlegt wo das Album hingehen soll und haben dann darauf hin gearbeitet.
War das also von Anfang an klar, dass es so klingen wird?
Ja, das war klar. Ich wollte auch gerne weg von diesem typischen HipHop-Beat und Rap, der mich zu dem Zeitpunkt 2012 eben auch angekotzt hat, bevor ich den Jakobsweg gelaufen bin. Ich hatte keine Lust mehr das zu machen, hab mich musikalisch da auch im Stillstand gefühlt. Die EPs waren schon cool, aber das hat mir nicht mehr so viel gegeben. Ich wollte da neu drauf gucken können und das ganze neu anfangen, deswegen war klar das wird musikalisch komplett was anderes.
In dem Track „Musik statt Beats“ sagst du, dass du Antirapper werden wolltest, aber dich wieder in Musik verliebt hast.
Dieses Antirapper-Ding begleitet mich schon länger, das ist eine Rolle in die ich mich unfreiwillig selbst reinbegeben habe. Ich hab‘ auch schon mit dem Album „Außenseiter“ versucht auszudrücken, dass ich mich in dieser Rapszene nicht zugehörig fühle und daraus resultiert, dass ich in der Rap-Welt natürlich nicht gerne aufgenommen wurde und das viele Leute sagen: „Okay, der macht so sein Ding, der will gar nichts mit uns zu tun haben.“ Das war nie so gemeint. Ich ärger mich im Nachhinein, dass ich diese Rolle jetzt habe, obwohl ich sehr viele Leute super finde und mich gerne mehr connecten würde, aber ich bin in dieses Antirapper-Ding so rein gewachsen. Allerdings hat Antirapper mehrere Bedeutungen. In der Phase, als ich genervt war von Rap und mir das alles zu viel wurde, habe ich überlegt, komplett aufzuhören, aber als ich dann den Abstand hatte und angefangen habe, mit Timo zu arbeiten, habe ich mich neu verliebt in Musik, ja. Ich wollte das Album auch eigentlich „Antirapper“ nennen, aber der Begriff wird dem Album einfach nicht gerecht. Dementsprechend ist das eine sehr schöne Zeile: „ich wollte Antirapper werden, bis Musik mich wach geküsst hat und ich danke ihr von Herzen.“ Damit habe ich den Antirapper auch wieder ein bisschen weggeschoben und gesagt „Hallo Musik, vielen Dank.“
Wirst du in Zukunft wieder ein Album machen oder lässt du das auf dich zukommen?
Ich mache mir darüber im Moment keine Gedanken. Erstmal werde ich kein Album mehr machen. Das hat mich wieder wahnsinnig viel Arbeit und Herzblut gekostet, dieses Album, und das steht einfach nicht im Verhältnis. Was ich sehr gut kann ist Songs schreiben, mich mit Gefühlen beschäftigen und emotionale Songs machen, die Leuten weiter helfen. Was ich gar nicht kann ist zu sagen: „Hallo, hier, ich mach‘ Musik! Hört euch das an!“ Wenn ich Leute kennenlerne sag ich nie, dass ich Musik mache, ich finde das fast unangenehm. Ich will gar nicht darüber reden. Aber das ist schwierig, weil dadurch die Musik nicht verbreitet wird. Ich bin lange nicht da, wo ich sein könnte mit meiner Musik. Wenn man sich das alles mal anguckt, macht einfach ein Album machen nicht so richtig Sinn. Ich werde sicher mal wieder Songs machen, aber erstmal auf keinen Fall ein Album.