Dissythekid legt für Newcomer-Verhältnisse einen durchaus bemerkenswerten Start hin: Mit einer atmosphärisch runden Download-EP namens „Pestizid„ betritt der Erfurter die Bildfläche und hinterlässt den geneigten und kundigen Hörer beeindruckt. Diese Download-EP wird nun auch als physisches Release verkauft – mehr, als Dissythekid laut eigener Aussage jemals erwartet hätte. Wir trafen ihn, um zu resümieren, was in den letzten Monaten geschah und darüber zu spekulieren, was die Zukunft wohl so bringen mag.
Wie fühlt es sich an, die erste eigene CD in Händen zu halten?
Das ist ein geiles Gefühl! Schon weil die Lieder eigentlich schon so lange existieren, es mir aber utopisch vorkam, dass davon irgendwann mal CDs produziert werden. Ich hatte ja nie die Kohle für sowas. Das war eigentlich nur dazu da, um es ins Netz zu stellen, aber gleichzeitig auch viel zu schade dafür es nur hoch zu laden und das war’s. Wenn ich daran denke, wie ich die Lieder bei Bandcamp hochgeladen habe und die dann einfach da lagen und versauert sind – das hat schon weh getan.
Als die EP zum Download angeboten wurde, war es da bereits geplant, sie noch auf CD zu pressen?
Als sie jetzt nochmal ‚raus kam stand die Möglichkeit im Raum. Aber die ersten Versuche, das bei einem Vertrieb oder Label unterzubringen haben nicht wirklich geklappt, deswegen haben wir beschlossen das nochmal kostenlos hoch zu laden. Daraufhin hat sich dann einiges entwickelt – naja, und jetzt isse da.
Wurde der finale Entschluss eine CD zu pressen aufgrund der Download-Zahlen gefällt?
Nö, ich glaube das lag einfach daran, dass sich noch mehr Kontakte entwickelt haben, also dass sich einfach intern mehr mit anderen Menschen entwickelt hat. Auf die Download-Zahlen haben wir da gar nicht geschaut.
Der momentane Trend für Newcomer geht ja Richtung Internet-Battle-Turnier. Dein Wordsflysch-Crew-Kollege Dekzter Fro hat ja auch beim Rap-Sparring eine größere Bekanntheit erreicht. Wieso kam das für dich nicht in Frage?
Die vom Rap-Sparring haben uns damals selbst angeschrieben, weil die ein Video von uns als Crew entdeckt haben. Mir war aber gleich klar, dass ich da keinen Bock drauf habe. Ich hab‘ dann Dekzter gefragt, ob er Bock hat und ihn dabei auch unterstützt. Ich hab mich aber sehr gefreut zu sehen, dass Dekzter damit so weit kommt – er hat ja den 2. Platz belegt. Aber ich steh‘ da nicht so drauf, dabei müsste ich viel zu viel von mir preisgeben. Ich hab keine Lust, dass dann schon jeder alles über mich erfährt, weil die Gegner dann recherchieren. Damit macht man sich auf Dauer uninteressant, weil man während des Battles schon so viel von sich offenbart. Dafür bin ich nicht der Typ. Mal zu battlen macht bestimmt Spaß, aber ich bin eher Künstler als Battlerapper.
Du hast die Bühne ja direkt als verdammt guter Mc mit Rundem Release, Professionellen Videos und so weiter betreten. Inwiefern war das kalkuliert? Und wie viel Geduld und Selbstbeherrschung hat es gebraucht, nicht voreilig an den Start zu gehen?
Ich hab‘ ja schon ein paar Kleinigkeiten gemacht, aber das war halt eher lokal. Ich hab‘ zum Beispiel mit 15 mal ’ne CD gemacht, die ich halt intern an der Schule und auf der Straße verkauft hab. Die hieß „Kleinstadt-Krimineller“ und war im Ansatz gar nicht so anders als „Pestizid„, aber vom Skill her halt noch auf lächerlich niedrigem Niveau. Zwischenzeitlich hab‘ ich auch gar nicht so viel Musik gemacht und mich künstlerisch anders ausgelebt, aber irgendwann hab ich dann “ Captain Hook“ (Das heute nur noch „Hook“ heißt; Amn. d. Verf.) gemacht und hatte Bock, diese Schiene weiter zu fahren.
Waren die Bonustracks schon fertig, als die EP zum Download freigegeben wurde oder hast du sie extra für die CD aufgenommen?
„Speed“ war eigentlich schon fertig, das wurde nur noch mal überarbeitet. „Böse“ hab ich noch extra dafür gemacht und „Soap“ hab ich noch kurz vorher geschrieben und aufgenommen. Die Idee stand vorher schon, dann haben wir überlegt, den für’s Album zu machen aber irgendwie hatte ich dann doch Bock, den schon raus zu hauen.
Wird das Album in die selbe Richtung wie „Pestizid“ gehen?
Ich habe schon einige Ideen und Visionen. Es wird schon anders, quasi eine Fortsetzung. Was den Sound angeht habe ich schon Lust, etwas luftigeres und sonnigeres zu machen.
Du wirst in Pressemitteilungen gerne als Raps Antiheld, Raps böser Zwilling und Maeckes ohne Sonnenschein charakterisiert. Inwiefern korrespondiert diese Darstellung mit deiner Persönlichkeit?
Viele Leute machen sich durch Rap böser als sie sind, das gehört auch für mich dazu. Das ist etwas, das ich total interessant finde: Inwiefern können wir durch Rap unsere böse Seite offenbaren? Viele machen das, wobei es dann auch immer diese kleinen Wankster gibt, die halt mit Goldkette sagen, sie ficken alles, aber aus einem wohl behüteten Heim kommen. Aber gerade heute ist das irgendwie Thema, sich den Ärger und das Böse zu suchen, weil es kaum noch Reibungspunkte im Alltag und in der Gesellschaft gibt. Ich hab früher schon manchmal ein bisschen auf hart gemacht, mittlerweile ist das aber eher eine Art Selbstreflexion. Warum macht man sowas? Warum macht man sich durch Rap böser als man ist? Ich versuche, mich durch die Musik selbst zu reflektieren.
Schreibst du in einer bestimmten Situation oder Stimmung? Kommt erst der Beat oder erst der Text?
Meistens steht erst der Beat beziehungsweise erstmal ’ne Skizze. Manchmal auch erst ’ne Videoidee – das ist unterschiedlich. Oft hab ich nebenbei irgendeine stupide Beatskizze gemacht und mir dann gedacht, dass man da in eine bestimmte Richtung etwas drauf machen könnte. Meistens schreibe ich nachts, weil ich da einfach meine Ruhe habe. Aber das sind unterschiedliche Anlässe, manchmal habe ich in der Bahn eine Idee zu irgendeinem Lied oder Aufbau und dann fang‘ ich an zu schreiben. Manchmal ist das auch einfach nur Fleißarbeit, dann sag ich mir: Okay, ich hab‘ jetzt ’nen Beat und in drei Tagen will ich da einen fertigen Text für haben. Dann setze ich mir selbst Deadlines.
Leidet die Qualität nicht darunter, wenn du dir selbst Druck machst?
Wenn ich im gesetzten Zeitrahmen das Grundgerüst habe ist ja alles gut. Ich überarbeite das hinterher eh noch tausendmal, weil ich meinem eigenen Anspruch gerecht werden will. Selbst wenn ich’s schon aufgenommen habe merke ich oft, dass ich noch nicht zufrieden bin. Zum Leidwesen aller beteiligten mach ich das dann nochmal – wenn es sein muss auch ein fünftes Mal.