Interview mit LMNZ

rap.de: Kann jemand, der ein regulärer Arbeitnehmer ist, gleichzeitig auch Artist sein?

LMNZ: Solange man Input hat kann man als Mensch Output kreieren. Wer diesen Drang hat den Output rauslassen zu müssen, der kann auch Künstler sein. Wenn dein einziger Input jedoch nur Nahrung ist, dann wird dein ganzer Output vermutlich Scheiße sein. Auf die Frage genauer eingegangen kommt es sehr auf den eigenen Anspruch an. Es gibt Leute, die sagen „Ich arbeite acht Stunden am Tag, da hab ich keine Zeit / Energie mehr Texte zu schreiben“. Man hat dann evtl. auch keinen Input. Man trifft keine Leute, digged keine Platten, guckt keine Dokus etc. Prinzipiell geht alles, dann bringt man vielleicht nur jedes fünfte Jahr ein Album raus, nicht jedes Jahr eins. Bei mir ist es ja auch so: Wenn ich jetzt ein Video oder Aufnahmen für einen anderen Künstler mache, dann hat das ja nicht mit mir als Musiker LMNZ zu tun, sondern ich mach das als Dienstleistung als selbstständiger Künstler LMNZ. Trotzdem kann ich mich dabei kreativ verwirklichen und es gibt mir was. Wenn ich ungewohnte Jobs verrichte, ziehe ich daraus neue Ideen. Vielleicht könnte man also auch 8h täglich arbeiten, sein Leben lang zwei Mal im Jahr den Job wechseln und somit durch den entstandenen Input der beste Künstler überhaupt werden. Je mehr Zeit man natürlich in etwas investiert, desto besser wird man auch. Ein Sexy Sax Man, der jeden Tag acht Stunden „Careless Whisper“ spielt, ist wahrscheinlich besser als jemand, der nur eine Stunde am Tag das funky horn bläst. Ab einem gewissen Punkt lohnt sich‘s dann nicht mehr, das führt dann nur zu Frustration.

rap.de: Es gibt ja auch Leute, denen gibt das was, sich Abends zu verwirklichen und nicht mehr das machen zu müssen, was ihnen ihr Arbeitgeber jeden Tag sagt…

LMNZ: Ja, auf jeden Fall, das ist völlig individuell. Es kann sein, dass du ‘nen Job machst, der nicht so Hammer ist, wie z.B. der Monkey-Shit-Cage-Cleaner aufm Nastradamus Album, dann kommst du abends nach Hause und machst jeden Abend einen Track, bringst dann nach zwei Wochen ein Album raus und es geht voll ab. Das ist völlig individuell, da hat jeder seinen eigenen Weg… Ich kenn das auf jeden Fall, dass man manchmal Pausen braucht für neue Inspiration. Wenn man mal ne Zeit lang nichts gemacht hat, dann hat man wieder Bock.

Lass uns über dein neues Album „Anders als die Besseren“ reden. Ende 2010 hast du „Worldwide Rap“ rausgebracht. Brauchtest du dann auch erstmal eine kreative Pause?

LMNZ:Ich hab fast nahtlos weiter Musik gemacht. Einige der Tracks sind auch auf dem neuen Album. Manchmal schreibe ich auch was und dann lasse ich einen Track ein Jahr liegen und mache erst weiter, wenn ich eine Idee habe, die ich genug fühle oder jemanden treffe, der perfekt als Feature passen würde. So war das auch bei folgendem Track, dessen Video hiermit exklusiv Premiere feiert:

Das erste Album war ja ein Produzentenalbum und da haben andere Leute die Sachen erzählt. Ich habe zwar die Themen ausgesucht, aber kaum selbst gerappt. In der Zwischenzeit hat sich viel Input angestaut, den ich nur mit Instrumentalen nicht rauslassen konnte. Deswegen musste ich dieses Mal selbst zum Mikro greifen und somit war da eine ganz andere Motivation hinter Album Nr.2. Vielleicht wird das nächste Werk wieder komplett anders und ich Rap gar nicht, sondern will Dudelsack lernen und spiele bei einer chinesischen Funk-Band den Diggensäck, Sun.

rap.de: Gibt es weitere Unterschiede zwischen den beiden Platten?

LMNZ: Beim ersten Album „Worldwide Rap“ war es so: Ich suchte mir absichtlich 76 Künstler aus der ganzen Welt um meine Message von Unity zu verbreiten: „Es ist egal woher du kommst, welche Hautfarbe du hast, wir kreieren zusammen was Positives“. Beim zweiten kann man jetzt sehen: Da ist jemand aus Brasilien oder aus dem Senegal auf Song X und das geht wieder in eine ähnlich internationale Richtung, aber nicht weil es das Konzept ist, sondern einfach, weil sich mein Umfeld durch „Worldwide Rap“ so entwickelt und verändert hat. Ich war zum Beispiel mit Sister Fa von 2011 bis 2013 dreimal im Senegal auf Tour und da habe ich viele Leute kennen gelernt, neue Dinge erlebt und auch Ideen für Themen bekommen. Durch das Release von „Worldwide Rap“ habe ich natürlich auch viele Gleichgesinnte weltweit kennengelernt, mit ihnen diskutiert oder Bücher von ihnen empfohlen bekommen. Ein anderer Grund für die Featureauswahl ist der Tatsache geschuldet, dass ein Thema natürlich viel vollkommener und interessanter beleuchtet werden kann, wenn es von mehreren Menschen mit unterschiedlichen Lebensumständen gemeinsam bearbeitet wird. Ich hab natürlich die Wahrheit nicht gepachtet und als weißer Mann kann und will ich gar nicht alle Perspektiven zu einem Thema selbst übernehmen. Warum soll ich in die Rolle einer Schwarzen Frau springen und ihr eine Stimme verleihen, wenn sie das viel besser und authentischer selber kann? Ich habe kein White Savior Syndrome.