Interview mit Lena Stoehrfaktor: „Die kapitalistischen Strukturen kritisieren“

Bist du auch international vernetzt? Es gibt ja mittlerweile in ganz Europa solche Bewegungen und Strukturen, zum Beispiel dieser Stadtteil in Athen, aus dem der Staat sich schon zurückgezogen hat…

…Exarchia meinst du. Ja, Daisy Chain, die auch auf dem Album ist, hat da ein deutschgriechisches HipHop-Kollektiv, In.Flammen. Die haben mich eingeladen. Letzten Herbst war ich da. Die HipHop-Szene ist da sehr politisch. Da ist es nicht wie hier, sogar der kommerziell erfolgreiche Rap ist noch in Ansätzen politisch und nicht vergleichbar mit kommerziellem Rap hier…

…weil die sozialen Verhältnisse weit dramatischer sind als hier…

…genau, das ist nicht dieses Wohlstandsding. Die Leute von der Linken haben da richtige Probleme, die sitzen nicht nur in der Uni rum. Aber ja, es ist cool, sich zu vernetzen und auszutauschen. Da merkt man auch, dass es überall Menschen gibt, die ähnlich denken.

Hat sich aus deiner Sicht eigentlich was verbessert im Deutschrap? Immerhin wird ja inzwischen über beispielsweise Sexismus gesprochen.

Klar, es ist positiv, dass mehr debattiert wird. Aber es reicht nicht aus. Es gibt immer noch sehr viel Quatsch, viele, die mit Rap sehr erfolgreich sind, labern viel Scheiße. Außerdem stehen die kapitalistischen Ziele über allem: Erfolgreich sein, stark sein, nicht über Ängste sprechen, außer in kitschigen Liebesliedern. Es geht um Statussymbole, nicht darum, eine gleichberechtigte Gesellschaft aufzubauen. Das finde ich echt traurig.

Verfolgst du es trotzdem?

Ja, klar. Natürlich interessiert man sich. Bei Rauhfaser tauschen wir uns auch viel darüber aus. Manchmal ist es Entertainment, manchmal denke ich aber auch nur, oh Scheiße.

Kann ich gut nachvollziehen.

Stimmt, du musst dich ja auch damit beschäftigen.

Wo soll es denn noch hingehen mit dir? Willst du weiter wachsen und deine Zuhörerschaft vergrößern?

So, wie es gerade ist, ist es eigentlich cool. Ich finde es nur krass, wie ignorant die Deutschrap-Medien sind. Ihr seid die einzigen, die bisher über uns berichtet haben. Ich vermisse es, dass die Leute sich mal trauen, selber nachzuschauen und Sachen zu supporten, die nicht von allen schon gehört werden. Ich verstehe auch nicht, warum man irgendwelche Trottel supportet.

Weil es Klicks bringt.

Klar, aus der kapitalistischen Logik macht es total Sinn. Ich finde halt, ich hab schon coole Sachen zu sagen. Und ich fände es cool, wenn möglichst viele Leute das mitkriegen. Egal, ob sie es dann feiern oder nicht. Aber ich möchte die Message gerne verbreiten.