Interview mit Lena Stoehrfaktor: „Die kapitalistischen Strukturen kritisieren“

Wenn du sagst, die kapitalistischen Strukturen konkret zu kritisieren sei wichtig – wie schaffst du es, mit dem Widerspruch umzugehen, in dem System zu leben, aber es abzulehnen?

Ich versuche, so korrekt wie möglich zu sein. Mittlerweile lebe ich von der Musik. Ich versuche aber trotzdem, die politischen Sachen zu unterstützen. Wenn mich jemand fragt, ob ich auf einer Demo spiele, mach ich das gerne, wenn ich Zeit habe. Ich finde auch die Frage wichtig, wie man alternative Strukturen schaffen kann. Diese Utopie gebe ich nicht auf, ich mache es mir nicht bequem im System und versuche, da einen guten Platz für mich zu finden. Ich finde es auch total wichtig, die Subkultur zu stärken. Wir fahren oft in irgendwelche Dörfer und treten da auf, das finde ich auch total wichtig: Strukturen außerhalb von kommerziellen Strukturen. Mal auf einem Red Bull-Festival aufzutreten macht den Künstler für mich nicht komplett verwerflich, aber das kann doch nicht die Zukunft sein.

Zumal Red Bull das ja weniger aus Menschenliebe machen, sondern klare Ziele damit verfolgen.

Genau. Mir fehlt das manchmal im politischen Rap. Da gibt es so ein Ausruhen auf kapitalistischen Strukturen. Das einzige, was dann noch bleibt, ist „Fick die AfD!“

Darauf können sich alle einigen.

Genau, aber eine wirklich alternative Kultur zu schaffen – das ist wichtig.

Also denkst du, es geht darum, Freiräume innerhalb des Systems zu erkämpfen?

Auf jeden Fall, und diese auch zu verteidigen. Und vor allem darum, eine klare Haltung zu zeigen, seine Meinung zu sagen. Einfach immer stabil bleiben. Viele Leute machen politische Ansagen, machen dann aber kurz darauf wieder irgendwas komisches.

Aber wenn du sagst, du kannst von der Musik leben, dann hast du dich ja ein Stück weit von den Strukturen und der Lohnarbeit emanzipiert.

Ja, das ist total gut. Ich merke auch, das beruhigt mich total. Ich habe auf jeden Fall mehr Zeit für die Musik und kann mich darauf konzentrieren, davor hatte ich immer voll Stress. Ich mache mir da keine Illusionen, das kann auch jederzeit vorbei sein. Wenn kein Hahn mehr nach mir kräht, muss ich wieder arbeiten gehen.

Lebst du denn auch in alternativen Strukturen, sprich in einem Wohnprojekt oder ähnlichem?

Nee. Ich wohne alleine.

Also ganz neoliberal.

Ja, ich habe eine Ein-Zimmer-Wohnung. Ich merke aber auch, ich habe zu wenig Platz. Trotzdem versuche ich, die Strukturen zu supporten, auch wenn ich nicht selbst drin wohne. Am Samstag war ja auch die Mietendemo, sowas ist auch voll wichtig. Dass man auf die Straße geht, weil die Existenz gesichert sein muss, ohne dass man sich da so einen Stress macht.