rap.de: Der Titel "Leidkultur", weist darauf hin, dass Leid bei dir eine große Rolle spielt. Hast du in dieser Hinsicht einen buddhistischen Ansatz, Leben als Leiden?
Amewu: Ich hab mich nie festgelegt, was Religion oder Glauben angeht. Ich werkle da sozusagen an meinem eigenen persönlichen Vermächtnis…
rap.de: Also vielleicht einfach selbst mal eine Religion gründen?
Amewu: Dann reicht es mir aber auch, wenn ich der einzige Anhänger bin. Ich hab auch ungern den Gedanken, das meine Musik die Leute nur zum Hören und nicht zum mitdenken anregt. Der Buddhismus hat interessante Ansätze, aber andere Religionen auch…Menschen an sich haben interessante Ansätze und ich tausche mich gerne mit ihnen aus. Man kann auch viele schöne Bücher lesen, auch über den Buddhismus, aber ich würde nicht sagen, dass sich das durch mein Leben zieht.
rap.de: Du bist also ein Suchender in diesen religiösen Dingen?
Amewu: Suchen, finden…ja, man meint immer, man habe was gefunden und kurze Zeit später merkt man dann, dass es doch nicht das Richtige war. Suchender stimmt schon.
rap.de: Glaubst du an ein Schicksal oder an vorherbestimmte Dinge?
Amewu: Ich glaub an das Paradoxe. Ich glaube an das Schicksal, aber auch an Selbstbestimmung. Bei vielen Themen ist es für Leute schwierig nachzuvollziehen, was ich für eine Meinung habe, weil ich meist mehrere hab. Die können sich auch zum Teil widersprechen,aber dadurch drücken sie halt auch aus, was ich überhaupt meine. Beides stimmt. Es gibt meiner Meinung nach Schicksal, aber auch Selbstbestimmung. Das ist auch eine bestimmte Lebenseinstellung von mir, die manchmal aber auch Leute einfach nur verwirrt. Die Welt an sich ist aber auch sehr widersprüchlich. Widersprüche zu akzeptieren ist der sicherste Weg damit umzugehen.
rap.de: Woher nimmst du die Inspiration für solche Theorien?
Amewu: Ich kann dir das gar nicht sagen. Ich muss auch ehrlich sagen, dass ich gar nicht soviel gelesen habe… bzw. mich nicht dran erinnern kann.Ich sitze lieber alleine in meinem Wohnzimmer und mach mir meine eigenen Theorien und denk drüber nach. Wenn man immer wieder an die selbe Grenze stößt, dann musst du auch deine Ansichten darüber ändern oder halt auch mal einsehen, dass es nicht weitergeht. Das kann ja auch eine wertvolle Erfahrung sein.
rap.de: Fördert dich diese ganze Reflektiertheit und das ganze Nachdenken manchmal oder ist das eher hinderlich?
Amewu: Tja, die Antwort kannst du dir ja sicher denken.
rap.de: Beides.
Amewu: (grinst) Natürlich hilft mir das, Dinge zu begreifen, an denen andere scheitern, aber auf der anderen Seite ist es auch hinderlich, weil man dadurch einfach vergisst, auch mal impulsiv zu handeln. Das kann in vielen Situationen auch eine schlechte Sache sein. Aber ich muss ja zum Glück nicht das ultimative Wesen sein. Ich spiele einfach nur meine Rolle auf dem Planeten. Ich bin schon jemand der versucht, alle Fähigkeiten und Charaktereigenschaften in sich aufzunehmen, aber meine Art und Weise ist schon sehr reflektiert.
rap.de: Um noch mal auf das Leid aus dem Albumtitel zurückzukommen: Ist das ein großer Faktor in deinem persönlichen Leben?
Amewu: Ja klar, zu einem Teil ist das mein Charakter. Ich bin halt ein sehr melancholisch Mensch. Aber meiner Meinung nach ist es auch sehr leicht in dieser Welt melancholisch zu werden. Es passieren halt sehr viele Dinge, die Richtung Abgrund zielen und es wird das Dogma vertreten, dass es so sein muss und wir immer weiter in die eingeschlagene Richtung gehen müssen. Aber ich will da auch ein wenig gegen den Strom schwimmen. Ich will den Leuten bewusst machen, was sie alles machen können. Die Leute sollen sich selbst bewusst werden. Sie sollen Wissen darüber erlangen, was mit ihnen passiert.
rap.de: Du bist also ein Anhänger der Aufklärung?
Amewu: Ja, ich finde aber, dass auch die Aufklärung an sich zum Teil leich schief gegangen ist. Wenn wir uns die Wissenschaft anschauen, dann erkennt man schnell, dass die Leute einfach nicht mit der Entwicklung mitkommen. Das ist vergleichbar mit der Bibel auf Latein damals und es konnte keiner Latein. Alles, was mit Glauben zu tun hat, wird eher etwas belächelt. Wissenschaft hat für mich aber auch sehr viel mit Glauben zu tun, weil eh keiner mehr durchsieht, was überhaupt abgeht. Ich hab mich ja früher auch viel mit Wissenschaftsphilosophie beschäftigt und dabei wird einem schon klar, dass die Wissenschaft nicht immer wie ein roter Pfaden ist, sondern es existieren tausende von Theorien in alle möglichen Richtungen, die sich zum Teil auch widersprechen. Bei der Wissenschaft herrscht halt auch schon eine sehr krasse Arroganz alten Dingen gegenüber.