rap.de: Das gute, alte Internet… Wo wir gerade beim Thema sind: Du hast auf deinem Twitteraccount geschrieben, dass du dich derzeit um die wesentlichen Dinge des Lebens kümmerst. Was gemau meinst du damit?
Ercandize: Alles außer Rap. Hinter jedem Rap steckt auch eine Nummer im Finanzamt, wie Torch mal gesagt hat. Man darf sich nicht zu sehr in der Rapwelt verlieren, sondern muss auch mal aussteigen, bevor man mit 180 gegen die Wand knallt. Ich lege viel Wert auf den Kontakt zu Freunden und Familie und da kommt Rapmusik nicht ran. Jeder, der einen gewissen Einblick in die Szene hat, weiß, dass die Rapper, die man kennenlernt, definitiv nicht die sind, die an deiner Seite stehen, wenn mal was passiert. Ich geb dir Brief und Siegel darauf, dass die Rapper bei Problemen niemals die sind, die dir helfen werden… es sei denn, man hat wirklich eine intime Beziehung, no homo, zu einem Sandkastenfreund, der durch Zufall auch rappt. Deshalb habe ich mir auch den Luxus genommen, für vier Jahre mal auszusteigen. Ich muss nicht den ganzen Tag mit irgendwelchen Kiffern in einer Hartz-IV-Wohnung rumsitzen, um meinen Rapfilm auszuleben. Nur mit Rap kann ich nicht leben. Früher war es so, dass ich nach einer Tour gedacht habe, ich werde nie wieder auftreten, aber zwei bis drei Montate danach hatte ich schon wieder Lust. Inzwischen brauch ich dieses Zwischending zwischen Privatleben und Rap, um weiter zu machen.
rap.de: Apropros Twitter, du hast letztens deine Follower gefragt, was sich auf Tätowierung reimt…
Ercandize: (lacht) Ja, das war vorgestern.
rap.de: Ist dir da nix eingefallen? Fällt das schon unter Ghostwriting?
Ercandize: Das war eine lustige Situation. Wir waren im Studio und mir ist auf Teufel komm raus nix eingefallen. Ich habe hin und her überlegt, war ein wenig unter Zeitdruck und dachte, ich frage einfach mal die Leute, was ihnen dazu einfällt. Und okay, da kam nur Müll zum Großteil bei raus. Aber dafür war es sehr unterhaltsam. Ich hab dann meinen Song nicht mehr fertig bekommen, aber dafür saß ich vor meinem Handy und hab mich kaputt gelacht. Ich will aber die Leute nicht mit in meine Musik mit einzubeziehen, die Musik mach ich. Und da will ich auch unbefangen und autark bleiben und den Leuten nicht nach dem Mund reden. Es war nur so 'ne Interessenfrage. Eigenlich habe ich ein kleines Tabu für mich selbst gebrochen, aber ich dachte mir, vielleicht ist ja wirklich der Überreim von einem siebzehnjährigen Mädchen mit dabei, die einfach nur 'nen guten Einfall hat, dann hätte ich ihn eiskalt mit eingebunden, und sie informiert, damit sie sich der Sache zugehörig fühlen kann, aber es war mehr ein Ding aus Jux und Dollerei.
rap.de: Wie siehst du die Zeit bei Optik denn im Rückblick? Goldene Jahre oder war doch nicht alles Gold was glänzt?
Ercandize: Goldene Jahre, definitiv. Im Endeffekt sind wir ein Verbund von Menschen gewesen. Jeder hatte seinen eigenen Charakter, sein eigenes Ego, aber im Optik-Verbund hat jeder verstanden, sein Ego an den Kleiderhaken zu hängen und sich locker zu machen. Der Unterschied für mich zwischen ABS und Optik ist, dass ABS aus einer Freundschaft heraus entstanden ist, Optik dagegen aus der Musik heraus – und dann zu einer Freundschaft gewachsen ist. Wir sind aus Liebe zur Musik zusammengekommen und dadurch hat sich eine Freundschaft entwickelt. Mitlerweile hat sich das wieder auf Distanz entwickelt, aber aber man weiß, was man am jeweilig anderen hat. Ich würde nichts verteufeln. Klar gibt es auch ein weinendes Auge bei der Sache, weil es so ein abruptes Ende genommen hat, aber es war auch die logische Konsequenz aus dem Ganzen. Aber es gibt auch ein lachendes Auge, denn das gehört auch zum Leben dazu. Man trifft die Leute, lebt eine Zeit lang zusammen. Irgendwann muss man sich halt trennen und seine eigenen Wege gehen. Optik war für uns die Möglichkeit ein paar Jahre am Rad zu drehen und Deutschland aufzumischen. Wir waren raptechnsich jedem Camp überlegen und hatten einen großartigen Frontman, von dem wir viel gelernt haben.
rap.de: Und was war für dich prägender? Die Ruhrpott-Zeit oder die Zeit bei Optik?
Ercandize: Beide, die fallen in unterschiedliche Epochen für mich. Die alte Ruhrpott-Zeit mit RAG, Creutzfeld & Jakob und ABS war die Zeit, in der ich das Game kennengelernt habe. Da hatte ich die Möglichkeit, gleich auf höchstem Niveau einzusteigen und mit den Leuten unterwegs zu sein, die mir zeigen, worauf es im Rap ankommt. Optik war die fortgeschrittene Zeit, sozusagen meine 2.0-Zeit. Es wurde dann in den sechsten Gang geschaltet und noch mal Gas gegeben. Dadurch hab ich mich auch vom Original B-Boy zum straighten Rapper entwickelt.