Ercandize

rap.de: In deinem Pressetext steht, dass du hungriger, motivierter und fokussierter als je zuvor bist. Was motiviert dich denn, noch mal richtig loszulegen?

Ercandize: Mein Antrieb ist die Liebe zum Spiel und die Liebe zur Musik. Das klingt jetzt gerade voll abgedroschen, aber es ist genau so. Man sammelt viele Eindrücke und spätestens jetzt muss nochmal was kommen. Es kann nicht einfach mit "Verbrannter Erde" oder den letzten Mixtapes enden. Ich habe das Gefühl, dass ich da nochmal ein paar Schippen drauflegen muss, um auch wirklich zufrieden zu sein. Der Hauptgrund ist Lust an der Musik. Bock auf das Rapding, Bock darauf, im Studio zu sein, gute Beats zu bekommen und mit Leuten zusammenzuarbeiten, die genauso fühlen wie ich.
Und vor allem um zu zeigen: Leute, es gibt nicht nur zwei Schubladen. Früher gab es ja nur die Guten und die Bösen, aber die Art Rap – straight nach vorne, ohne dieses ganze Drumherum, ohne aufgesetzte Bilder – das wird immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Ich bin ein Verfechter dieser Basisroots. Man muss kein suizidgefährdetes schranziges Gymnasiastenkind sein, aber auch nicht der Übergangster, der im Golf nach Holland fährt, um Gras zu kaufen, um meine Mucke hören zu können. Es ist Basismucke für jeden Rapfan.

rap.de: Soll das Album der Startschuss zu weitere Rapaktivitäten sein?

Ercandize: Auf jeden Fall. Gerade deswegen auch dieser offensive Titel, diese offensivere Auswahl an Beats, diese direkteren Punchlines. Wenn die Leute das fertige Ding  hören, werden sie sehen, dass  Humor wieder eine große Rolle spielt. Es gibt sehr viele lustige Geschichten zwischen den Zeilen, aber es ist noch nicht mein vollendetes Meisterwerk. Es ist eine Momentaufnahme, die das Gefühl verdeutlichen soll, dass ich wieder an den Start gehe.

rap.de: Und wie sieht es mit deinem Assazeen-Label aus?

Ercandize: Ich hab Assazeen gegründet, um Musik von Freunden zu releasen, die nicht die Möglichkeinten haben, die ich hatte. Ich meine, ich konnte so oft ich wollte mit 'nem Album oder 'nem Mixtape zu Optik kommen und die haben es dann releaset, ohne wenn und aber. Die haben ein wenig Promo gemacht und viele Leute haben es dann gehört. Genau diese Möglichkeit wollte ich auch meinen Freunden geben. Man muss aber auch schauen, dass man eine bestimmte Struktur pflegt, es müssen Ressourcen wie Zeit oder Investitionen vorhanden sein und man muss auch abwägen, was sich rechnet und was nicht. Bis zu welcher Grenze, welchem Punkt geht die Leidenschaft und ab wann wird es zu stressig? Irgendwann war es dann auch notwendig, einen Schlussstrich zu ziehen und zu sagen, bis hierhin konnte ich euch supporten, ab jetzt nicht mehr.

rap.de: Nochmal zurück zur aktuellen Entwicklung von Deutschrap. Du kommst ja noch aus der Zeit von Jams und Freestylebattles…

Ercandize: Oh ja, die gibt es ja heutzutage kaum noch. Ich weiß von vielen, die jetzt erst wahrgenommen werden, die aber früher auch schon auf Jams im Rhein-Main-Geebiet unterwegs waren. Viele, die ich mit 15, 16 schon auf Jams live gesehen habe, werden jetzt als neue Rapper wahrgenommen. Es hat sich schon stark zerstreut, Rap steht nicht mehr im unmittelbaren Zusammenhang zu Graffiti und Breakdance. Man kann nicht mehr von einer Szene reden. Ich denke, dass die Entwicklung logisch ist, die Interessen haben sich halt verteilt. Es gibt kaum noch Sprayer, die auch noch nebenbei rappen oder breaken – außer Scotty76, dem Einzigen, der wirklich alle drei Sachen beherrscht… okay, Torch vielleicht noch. Obwohl ich dessen Breakedanceskills nicht so gut einschätzen kann (lacht)… Jedenfalls, es ist eine logische Entwicklung. Leute, die zu ABS-Zeiten aufgewachsen sind, haben sich dann halt Spax, Savas, Too Strong oder Azad als Vorbild genommen. Das hat die neue Generation so nicht. Generationen haben in Deutschrap eine Laufzeit von zwei Jahren. Danach kommt eine neue. Man sollte für alles offen sein, es gibt immer wieder Rapper, die ich nicht feier, aber auch das sollte man akzeptieren. Vieles ist heutzutage schnellebiger geworden. Jeder kann heutzutage rappen, Beats im Kinderzimmer basteln oder Videos auf YouTube hochladen. Heutzutage gibt es durch die technischen Möglichkeiten einfach viel mehr Rapper, die durch Medien wie das Internet hochgeschwemmt werden. Dadurch kommt natürlich auch viel Müll mit hoch. Früher ist man auf 'ne Jam gegangen und dort haben zehn Gruppen gespielt und davon fand man halt nur zwei gut, ist aber die ganze Zeit dageblieben und hat es sich trotzdem angehört. Heutzutage hat man viel mehr Möglichkeiten.