Fler & Silla

rap.de: Musstest du ihn dazu zwingen?

Fler: Nee, er ist ja auch jemand, der gerne coole Klamotten kauft.

Silla: Wir wollen einfach auch zeigen, was es heißt, ein Rapper zu sein. Da geht's um Statussymbole, da geht's um coole Klamotten. Das ist ja das, was ich früher bei Fett MTV  gesehen habe und dachte,  boah krass. Danach habe ich mein ganzes Leben ausgerichtet habe, nach diesem Lifestyle. Ich war jahrelang im Untergrund und hab nach Gehör gesucht. Dann bin ich hoch gekommen. Jetzt macht es natürlich Spaß, auf'n Putz zuhauen, ganz klar. Ist natürlich schön, wenn man ab und zu über'n Ku'damm stept oder nach New York, um einzukaufen, wunderschön sogar.

Fler: In Deutschland spielt der Neid eine große Rolle. Dadurch haben Rapper immer ein Realness-Problem, wenn sie  erzählen, sie fahren die dicken Autos und haben Geld. Da wird schnell die Frage gestellt, erzählt der das jetzt nur und ist ein Lügner? Klar, ich habe das Problem nicht, alles, was ich in meinen Songs rappe, habe ich auch. Aber ich find's auch nicht schlimm, wenn jemand das nur visualisiert. Wenn ein Silla darüber rappt, dass er dicke Autos fährt, dann gehört das dazu, das ist Rap. Ich geh sogar so weit zu sagen, dass jemand, der darüber rappt, das auch bekommt. Darum sag ich zu ihm und auch zu allen andern auf dem Label: Wenn ihr rappt, dann rappt über positive Sachen. Rappt darüber, was ihr haben wollt, rappt das, was ihr sein wollt.

rap.de: Selbstmotivation also.

Fler: Genau, Selbstmotivation. Sachen geistig in Besitz nehmen. Bei mir hat das funktioniert. Deswegen, wenn andere Rapper aus anderen Camps über Geld rappen, bin ich nicht der HipHop-Polizist, der sagt, ey, du bist ja gar nicht so reich. Das ist für mich Rap und HipHop und gehört  dazu. Selbst, wenn ich mein letztes Geld dafür ausgeben würde, dass die Leute draußen denken ich sei Millionär, fände ich das richtig. So ist meine Einstellung. Du verkaufst dich auf eine Art und Weise. Wenn man sich dagegen gehen lässt, wenn man in diesen Strudel gerät und sich sagt, bei mir läuft's jetzt nicht so gut und sich diese Leier immer wieder vorsagt, dann läuft's auch nie wieder gut. Du musst anfangen, dich praktisch selber zu belügen – auch wenn das erst mal blöd klingt. Aber das darf man nicht damit verwechseln, dass man sich etwas einredet, was man im Endeffekt nicht ist. Man soll schon selbstkritisch sein, man soll schon ehrlich zu sich sein. Man soll nicht überheblich werden, soll nicht andere belügen. Oder noch schlimmer: Es anderen recht machen. Das ist wieder was anderes. Die Typen, die zweitausend Euro im Monat verdienen, aber am Wochenende in den Club gehen und so tun, als wären sie Bonzen, weil eine Champagnerflasche auf dem Tisch steht – das ist was anderes. Dann machst du es der Welt recht und möchtest den Leuten etwas vorspielen, was du nicht bist. Das sind zwei verschiedene paar Schuhe. Aber man sollte auch auf keinen Fall in diesen Strudel geraten und sich sagen, es läuft scheiße. Denn dann wird es auch nie besser laufen. Darum ist Rap eine super Sache. Rap ist ein Band, das du immer wieder ablaufen lassen kann, etwa, wenn du deine Musik zuhause hörst. Du kannst dir damit selbst eintrichtern, was du sein wirst. Und dann funktioniert es, garantiert. Das ist wie Therapie.

rap.de: Oder eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Fler: Genau.

rap.de: Müsst ihr euch diese Philosophie jeden Tag anhören, Silla?

Fler: Er nicht mehr. Er hat es schon gelernt.

Silla: Ich habe gelernt, auch mal loszulassen. Auch mal Geld auszugeben. Investieren in die Karriere nennt man das. Es ist nicht so, dass ich mich nur darüber definiere und es mir nur gut geht, wenn ich Geld auf den Kopf haue. Aber ich mach's gerne und es macht Spaß.

Fler: Erfolg verlangt Vorkasse. Wenn du nur das tust, was du immer getan hast, wirst du auch nur das bekommen, was du immer bekommen hast. Man soll sich auch belohnen. Es geht nicht darum, dass du dir, wenn du ein Kind zuhause hast, eine Gucci-Jacke kaufst und dein Kind muss hungern. Dann bist du kein Mann für mich. Du musst auch dann ein Mann sein, wenn das Geld mal nicht da ist. Das erklären wir den Leuten immer gerne, wenn's um Maskulin geht: Du musst auch ohne Geld ein Mann sein, du musst auch ohne Geld cool sein. Es kann immer sein, dass du im Leben mal kein Geld hast. Auch dann musst du deinen Mann stehen und dir sagen, alles cool, ich bleibe bei der Sache. Es geht nicht darum, sich eine gefälschte Gucci-Tasche zu kaufen, um zu sagen, ich habe mir was von Gucci gekauft. Wenn du dir eine Gucci-Tasche kaufen willst, dann kauf sie dir, aber mach es für dich. Mach's nicht, um den Leuten zu zeigen, guck mal, ich habe 'ne Gucci-Tasche. Denn dann musst du es immer allen recht machen. Und dann wirst du unglücklich. Daran scheitern auch viele Leute, die sehr viel Geld haben und trotzdem unglücklich sind. Weil sie immer denken, sie müssten es anderen recht machen. Die Jungs von Puls, die jetzt bald wahrscheinlich ihren großen Durchbruch haben werden – du glaubst gar nicht, wie lange die jetzt schon dran sind. Wie lange die gekotzt haben, Alter! Zu denen habe ich auch immer gesagt, Leute, hört auf, darüber zu reden, dass es euch scheiße geht. Ihr habt Talent, ihr habt euer eigenes Ding am laufen, wenn ihr weiter zusammenhaltet und es durchzieht, dann kann es nur irgendwann laufen. Ich habe schon viele Newcomer kennengelernt. Von hundert sind maximal zwei bereit, wirklich alles dafür zu geben. MoTrip ist zum Beispiel einer davon. Auch wenn ich businessmäßig vieles anders sehe. Ich glaube, er macht viele Fehler am Anfang seiner Karriere, aber das ist sein persönliches Ding. Er hat aber einfach das Potential, den ganzen Tag herumzurennen und es wirklich zu wollen. Davon gibt es ganz wenige in Deutschland. Deshalb gibt es auch wenig Konkurrenz hier.