Der von Deutschlands wohl einflussreichstem und vielseitigstem Rapper Kool Savas gebrauchte Spruch, „Ich vereine alle in einem“… bei keinem anderen MC trifft er so genau ins Schwarze wie bei Aaron D.Yates aus Kansas City.
Nach einem wahren Release-Inferno in den letzten Jahren mit Mixtapes, EPs und Features am Fließband, nun also das 9. Solo-Album „All 6’s And 7’s“, welches dem erfolgreichsten Independent-Rapper endgültig zum längst überfälligen Durchbruch zum Superstar verhelfen soll. Wobei seine Aussage, „Tech will never go mainstream, the mainstream will go Tech“, angesichts der in den letzten 15 Jahren zur Schau gestellten künstlerischen Integrität gewiss keine Phrasendrescherei gewesen sein dürfte. Und auch gleich der Opener „Technicians“ zerstreut sofort alle Befürchtungen hinsichtlich einer Verringerung der Schlagzahl. Auf einem Bass-Intensiven Dub-Stepper von Soleternity liefert der Meister eine Performance ab, die jedem Ein-Flow-Rapper die Schamesröte ins Gesicht treiben dürfte. Wenn dann unter Mithilfe von PNC Krizz Kaliko die Hook angestimmt wird, während der Beat komplett die Richtung ändert, sind aber sowas von alle Hände in der Luft und die Gemeinde am Mitbrüllen des beliebten Spartaner-Schlachtrufes: „Aaugh! Aaugh! Aaugh! Others ain’t got a clue. […] put your ammunition and your hands up in the sky/ This is a strong addiction live to this if ya’a Technician till ya die.“
Man muß jetzt nicht gleich zum Tech-Jünger auf Gedeih und Verderb mutieren, aber man sollte schon mitbekommen, dass hier die Kunstform des MCings auf allerhöchstem Niveau zelebriert wird. Auch die nun folgenden Parts stillen jeglichen Hunger nach Rap-Skillz: wütende Groll-Flexer („Am I A Psycho“), elegante Tripletimes („Worldwide Choppers“) oder Glanzparaden, die an den Sturmlauf der Hand Gottes gegen England erinnern („He’s A Mental Giant“). Ebenso herrlich ist diese Goldkette aus Reimen in „I Love Music“, die ganz nebenbei auch noch Tech’s Verhältnis zur Musik umschreibt: „Saved my life/ paid my lights/ made my wife/ say Bye Bye/ gave my nite/ babes I like/ prayed my mic/ Would never fade, forever slayed, days I write.“
Die technischen Innovationen gehen dabei einher mit einer stetigen lyrischen Weiterentwicklung, was in den von der J.U.S.T.I.C.E.-League produzierten „The Boogieman“ und „Strangeland“ sowie besonders im fulminanten „Cult Leader“ deutlich wird: „We slegna see dread through these Retna‚s/ We beg to be swept up by the blessed head inspecter/ but all these hecklers don’t respect the way we lecture ya/ Get next to ya, that’s when the Tech get flexed, and I wet up who’s next with us.“
Eine ironische Auseinandersetzung mit den Teufelsanbeter -und Sektenkult-Unterstellungen, die Tech nach wie vor zu verfolgen scheinen, bei genauerer Kenntnis seines Schaffens allerdings hanebüchen sind. Strange Music-Hausproduzent Michael“Seven“Summers, der sich nach den eher trockenen, auf das nötigste reduzierten Beats auf Brotha Lynch’s „Coathanga Stragla“ wieder neu erfindet, vollführt hier ein Arrangement-Fest ohnegleichen. Seven stemmt knapp die Hälfte der Album-Produktion, wobei er nicht mit jedem Beat das Rad unbedingt neu erfindet. Mindestens solide ist aber sein 808-Gewitter, das er in „Fuck Food“ entfesselt. Die von Lil‘ Wayne iniziierte Collabo, welche im Vorfeld für einen Schrei der Entrüstung unter den Die-Hard-Technicians sorgte, ist thematisch zwar etwas belanglos, bestätigt aber das oben angesprochene Motto. Eher passen sich hier die Gäste Tech an als umgekehrt. T-Pain choppt recht euphorisch und auch Weezy gefällt mit dezenter Flex-Passage. Dazu natürlich seine gewohnt souveränen One-Liner: „I eat that pussy like the last supper“.
Gänzlich undezent dagegen der Auftritt von „Rap-Opa“ Busta Rhymes. Nach Krayzie Bone ist Busta erst der zweite Mensch, dem das Kunststück gelingt, Tech auf einem seiner eigenen Tracks die Schau zu stehlen. Ansonsten muss man das mit einiger Spannung erwartete „Worldwide Choppers“ streng genommen leicht kritisieren, angesichts der viiiel zu kurz gekommenen Flex-Legenden Ceza und Twisted Insane sowie eines verhältnismäßig durchschnittlichen Yelawolf-Parts. Sogar unterdurchschnittlich ist der Erguss von Snoop, welcher auch noch frech behauptet, nur eine Minute für seinen Text gebraucht zu haben. „Pornographic“ featured noch einen soliden E-40 und bildet zusammen mit „Overtime“ und „You Owe Like Pookie“ dank ausgelutschter Rap-Klischee-Themen die etwas uninspirierte Schwächephase des Albums. Mit dem selbstreflexiven „Delusional“ ist Tech allerdings wieder voll auf der Höhe, und das folgende „So Lonely“ wäre mit dem schon fest eingeplanten Eminem vermutlich der Königs-Track auf „All 6’s And 7’s„.geworden N9na und die mystische Mackenzie O’Guin sorgen auf einem Wyshmaster-Brett für Gänsehaut-Stimmung, die vom noch unbekannten „Em-Ersatz“ Blind Fury leider nicht gehalten werden kann. Dies ist nach „She Devil“ und „My World“ nun schon das dritte Mal, dass sich Marshall vor einer Zusammenarbeit zu drücken scheint. Schade, dabei befindet er sich doch momentan auf der „Bad Meets Evil-EP“ in Top-Form.
Die Deftones-Collabo „If I Could“, in welcher Tech’s Rocker-Herz aufflammt, läutet dann den persönlichen, emotionalen Schlussteil ein. Besonders ergreifend dabei ist der von ihm bis zu diesem Album aufgehobene Mama-Song, der in seinem Verlauf zu einer Ode an alle Mütter gerät: „Mama Nem would take you in even if you’re a vicious sinner/ Nobody would ever take that humungous love thats within her/ If your mama gone, heavens where mum belongs but if your momma home, call ya momma phone“
Auch seinen Anhängern hat er mit dem vorab als Pre-Order-Bonus veröffentlichten „F.orever A.ccepting N.9ne’s S.oul“ einen Track gewidmet, der sein wahres Wesen zu offenbaren scheint: Das eines dankbaren, hart arbeitenden „Down to earth“- Sympathen: „I didn’t know that I was chosen never expected it/ but these people saw while the other haters rejected it/ I tore through the hardest part of this art when most neglected it/ I poured out my soul on to the paper and you accepted it“
Dazu kommen noch sechs weitere Bonussongs, die bis auf „Eenie Meanie Miny Ho“ (immer diese ollen Groupie-Kamellen!?) absolutes A-Material verkörpern. Besonders herausragend: „Give It Up“, auf dem Teccanina allen Wack-MC“s das Lied vom Tod auf der Stalin-Orgel vorsspielt sowie „Face Paint“, der das perfekte Abschluss-Statement zu jeglichen „Realness“-Diskussionen liefert: „I say what the fuck I want and do what I want to do behind my Face Paint/ I can be who I want to be and I know it’s still me but I’m totally free with my Face Paint“
Darüberhinaus wird hier mit einer durchkomponierten Reimstruktur geglänzt, deren Brillanz sich erst nach ein paar Durchläufen erschließt. Vor allem diese kleineren, eher unscheinbaren Details sorgen für das Extra an Langlebigkeit der Tech’schen Erzeugnisse. Bis man alle Finessen des vorliegenden Werkes erforscht hat, ist mit Sicherheit schon wieder ein neues Projekt in der Pipeline. Beim nächsten Album ein paar weniger durchschnittliche Features und die perfekte Tech-N9ne-LP ist nicht mehr weit. Seinen Beitrag zum nächsten großen Karriere-Sprung hat er mit „All 6’s And 7’s“ jedenfalls mehr als eindrucksvoll geleistet.
Nun liegt es an Euch, liebe Rap-Freunde, dafür zu sorgen, dass sich ein Sender wie BET in Zukunft nicht mehr weigern kann, seine Videos zu spielen. Shame on you, BET, denn Tech ist: „Wunderschon. Tech is second to none.„