Kaas – Liebe, Sex und… Twilight Zone

Was erwartet man von einem Album, das mit dem schönen Namen „Liebe, Sex und … Twilight Zone“ betitelt wurde? Von einer CD, die sich mit Songtiteln wie „Jesus loves me„, „Planet of Love“ oder „Master of Seduction“ schmückt? Von einem Werk, auf dessen Rückseite uns Deutschraps breitestes Grinsen aus einem violetten Ninja-Turtles-artigen Panzer entgegenstrahlt?
KAAS‚ neues Album ist so ziemlich genau das, was man unter dem Eindruck dieser irren Optik erwartet. Es ist, das sollte man bei all der Kritik nicht vergessen, aber auch ein nach handwerklichen Gesichtspunkten wirklich gut gemachtes Album. Um es aber wirklich mögen, oder, wie KAAS es sich sicher wünscht,“liiieeebäääääään“ zu können, braucht man starke Nerven und spätestens ab CD-2 eine enorme Trash-Verträglichkeit.

Wer das Album ohne seelische Vorbereitung gedankenlos in den CD-Player schmeißt, steht auch sogleich vor einer rosaroten Wand:  Der Introsong „Von mir Geliebt“ vergrault in seiner aalglatten Schmierigkeit direkt alle, die  alles andere als scharf darauf sind, vom guten KAAS geliiiiieeebt zu werden. Wer aber diesen Song samt seines etwas zu sehr nach Plastik klingenden Beat überstanden hat, darf sich aber auf einige ausgesprochen gute Lieder freuen, die sicher auch für Non-Members des Love-Movements interessant sind.

Das mit einem wunderbar zu KAAS‚ Stimme passenden 7inch-Beat ausgestatte „Geiles Leben“ ist ein Paradebeispiel dafür, dass positive, ermutigende Rap-Musik auch funktionieren kann, ohne den Hörer direkt mit akkustischen Umarmungen á la „Von mir Geliebt“ zu erdrücken.
Auch andere Stellen, wie das beatmäßig angenehm aus dem Rahmen fallende „Relax“ oder Kaas’Part auf „Love vs. Hate„(feat.Kamp und Casper) gestalten die erste CD über lange Strecken angenehm hörbar. Zu letzterem Song drängen sich mir beim Hören allerdings zwei Fragen auf: Hat Kamp vor dem Schreiben seines Parts überhaupt mit seinen Mitrrappern über den Song und dessen Inhalt kommuniziert? Und aus welchem Jahr ist eigentlich der Part von Casper? Nicht, dass er sonderlich schlecht wäre, aber für eine solche Kollabo dann doch irgendwie ein wenig unspektakulär.

Egal, der sehr persönliche KAAS-Part über einen „Freund, der es bereut, dass er sein Herz aufgemacht hat“ reißt alles raus. Wunderschöne Nahaufnahme. Großes Kino. 3D-Kino, möchte man sagen, denn dieser Begriff ließe sich auf das gesamte Album beziehen: Glitzernde Special Effects, bisweilen auch erstaunlich und beeindruckend. Aber nach zu langem Konsum tun eben doch die Augen weh. Ist es der inflationäre Gebrauch des auch immer wieder gleich betonten Leitbegriffes der „Liiieeebääää„, die zahllreichen, teilweise schmalzigen Gesangshooks wie in „Rendesvouz mit einem Engel„? Als Ausgleich wünscht man sich fast eine Hollywood-Hank oder MC Basstard Scheibe als zweite Hälfte des Doppel-Albums.

Da erwartet den Hörer jedoch ein Ausflug mit dem „Raumschiff Twilight Zone“ zum „Planet of Love„. Wenn man sich auf die Abgespacetheit dieser ganzen Idee einlässt, und sich von dem Gedanken verabschiedet, das Ganze nach Rap bzw Hip-Hop-Maßstäben zu messen, kann man mit dem Eurodance-Projekt auch durchaus seinen Spaß haben.
Das liegt nicht nur an KAAS selbst, sondern auch und gerade an dem Produzenten Dirty Dasmo und de Sängerin Kyss „The Girl“ Major. Spätestens das „Halleluja“ im Refrain von „Jesus loves me“ setzt dem ganzen die – durchaus gewollte – Plastikkrone auf.  Eine authentische Eurodance-Platte, wer hätte so eine Formulierung jemals für denkbar gehalten?

KAAS‘ meist schräge („Der Chef der Bank„), bisweilen aber sehr symbolstarke Geschichten („The Puppet Master„) unterstreichen, dass der junge Mann in der lilalenen Superheldenuniform ein ausgesprochen eigenwilliger, aber auch guter Schreiber ist. Wer allen ernstes einen Song darüber verfasst, mithilfe von gesungen/gerappten Choreo-Ansagen die Filiale von „Twilight Zone Banking“ auszurauben, der weiß ganz genau was er da tut, und der wird auch sicher ganz geanu
wissen, wie Banane das ist. Aber gerade weil es so bis ins letzte Detail gewollt rüberkommt,hat die zweite CD einen kaum zu bestreitenden Trash-Kultfaktor.

Ob man sich das ganze dann über ganze 11 Tracks geben will, ist natürlich eine andere Frage und zwar, wie das Phänomen KAAS in seiner Gesamtheit, eine Frage des Geschmacks. Dass in diesem Doppel-Album viel Arbeit, Detailverliebtheit und künstlerischer Anspruch steckt, dürfte wohl jeder heraushören, kein Zweifel. Und gegen die positive Lebenseinstellung, die der Reutlinger in seinen Texten vertritt, ist ja per se nichts einzuwenden. Nur, wenn er sie auf eine
so nervige Art und Weise breit tritt, dass man vor lauter rosa Blubberblasen kaum mehr die wirklich geilen Songs des Albums erkennen kann.