K.I.Z. – Urlaub fürs Gehirn

Seit ihrem Major-Label-Debut „Hahnenkampf“ von 2007 muss man den vier Freunden von K.I.Z. wohl oder übel zugestehen, für einen leichten Wandel in der bis dato doch recht verkrampften und festgefahrenen Deutsch-Rap-Szene gesorgt zu haben. Plötzlich war es wieder cool, lustig zu sein und sich zum Clown zu machen, was dann in der Folgezeit zu solchen Auswüchsen wie den Orsons oder jüngst Kraftklub führte. Während die Spaßrapper mit ihrer Punk-Attitude nach Meinung der Fans endlich mal wieder für frischen Wind sorgten, war das Chaos-Quartett für den aufgeklärten Teil der Deutsch-Rap-Gemeinde nicht viel mehr als eine Straßen-Version von Fettes Brot, wie schon der Rostocker Rapper Marteria in einem seiner Songs trefflich feststellte. Mit drastischen, respektlosen und menschenverachtenden Texten, natürlich immer unter dem Deckmantel der „Ironie“ und ihren wilden Beats, die hauptsächlich für Live-Auftritte ausgelegt waren, zogen sie sich den Zorn vieler zu, für die HipHop nicht nur eine Spielwiese der Albernheiten und Mittel zur Selbstprofilierung darstellt, sondern eine Herzensangelegenheit und weit mehr als nur Musik ist. 
Solcherlei Einstellung wurde  von den K.I.Z.-lern immer schon mit einem überheblichen Lächeln bedacht, und ihr Erfolg zeugt von einer allgemeinen Stimmung unter den verlorenen Individuen der Generation X, denen nichts und niemand heilig ist und wo alles erlaubt scheint, solange nur der „Fun-Faktor“ stimmt.

Nun also das dritte „große“ Album „Urlaub fürs Gehirn“. War nach „Hahnenkampf“ bei ihrer zweiten LP mit dem hirnrissigen und künstlich provokanten Titel „Sexismus gegen Rechts“ schon ein deutlicher Abwärtstrend erkennbar, so sind die Klosterschüler im Zölibat mit ihrem neuen „Werk“ augenscheinlich an ihrem vorläufigen Tiefpunkt angelangt. Gleich der erste Song, „Küss den Schwanz“, ist nicht viel mehr als eine zusammenhangslose Aneinanderreihung von „Punchlines“ auf einem asbach-uralten Breakbeat, vorgetragen in Pseudo-Old-School-Flows, auf dem am Ende der sonst nur durch übermotiviertes Grimassenschneiden auffallende Dj Sil-Yan noch ein paar, durch allerhand Effekte-Schnick-Schnack aufgeblähte, Cuts zum „Besten“ gibt, die jeder DJ-Schüler nach ein, zwei Übungsstunden besser hinbekommen hätte. Wenigstens Tarek zeigt sich Einsichtig, wenn er zugibt: „Dieser Text ist der schlechteste seit langem“, aber das soll ja bestimmt wieder „ironisch“ gemeint sein.
Nach dem dann folgenden indiskutablen Titel-Track, auf dem eigentlich nur der gewissenlose Spruch „Wie es gibt kein deutsches Ghetto?! Wir ham Ghetto hier erfunden!“ im Gedächtnis bleibt (eine Anspielung auf die Errichtung der jüdischen Ghettos unter den Nazis), kommt der völlig in die Hose gegangene Versuch, in „Doitschland schafft sich ab“ die im HipHop traditionell verankerte Homophobie  auf die Schippe zu nehmen. Den Vogel schießt dabei „MC“ Nico ab, wenn er sagt: „Frauen sind wie Kinder, nur zum Ficken und Bierholen gut.“ Hoffentlich schreitet da mal die BPJ ein und zeigt dem ach so ironischen K.I.Z.-Humor die Grenzen auf. Danach soll im Track „Heiraten“, die Generation Disco, welche sich auf dem Klo das Ja-Wort gibt und ungewollte Babys in die Welt setzt, kritisch beleuchtet werden. Dargeboten auf einem bemüht Club-tauglichen Beat und mit allerlei Autotune-Unsinn „verziert“. Spätestens ab hier fällt es schwer, sich zu überwinden und die restlichen Lieder durchzustehen, doch was tut man nicht alles für Geld?!
Besonderes Unverständnis ruft dabei die uninspirierte Cover-Version des  Tracks „Meat“ vom Kannibalen-Rapper Brotha Lynch Hung aus Sacramento hervor. Ein mehr als lauer Aufguss des schon im Original bestenfalls durchschnittlichen Songs, dem keinerlei neue Facetten hinzugefügt werden. Tarek gibt sich zwar Mühe, emotional zu klingen und nicht seine Standard-Flows auszupacken, scheitert aber ebenso wie beim Versuch, mit seinen Sing-Sang-Styles auf „Fremdgehen“ für ein gewisses Hit-Potential zu sorgen – fremdschämen trifft’s wohl eher.
Ansonsten ist da noch die überflüssige Fortsetzung des Tracks „Neuruppin“, und gleich zweimal quält uns Nico mit seinem berlinernden, schreienden Proll-Alter-Ego auf „Raus aus dem Amt“ und „Der durch die Scheibe-Boxxer“. Ebenso wird gleich zweimal in „Abteilungsleiter der Liebe“ und „Mr.Sonderbar“, der gerade angesagte Disco-Sound bemüht… bemühter hat man selten jemand auf einen fahrenden Zug aufspringen sehen. Als Abschluss gibt’s noch den nicht enden wollenden Kiffer-Posse-Track „Koksen ist scheiße“ und den bereits über ein Jahr alten WM-Song „Biergarten Eden“. Die Jungs geben sich also keine große Mühe, den eklatanten  Mangel an Ideen zu kaschieren.  Auch werden viele, viele bereits verwendete Sprüche wieder aufgewärmt. Etwa „Wir sollen Bordstein fressen? Gib uns Pfeffer und Salz!“, oder „Laseraugen wie Heino“, vom zurecht in Vergessenheit geratenen Feature auf einem der unsäglichen Boba Fettt-Mixtapes.
Ebenso unsäglich wie der verzweifelte Versuch, mit dem unter Mithilfe von Hinz und Kunz entstandenen Vorab-Album-Leak“, auf dem alle Songs nochmal in „schlecht“ nachgemacht wurden, für etwas mehr Aufmerksamkeit zu sorgen. Bei genauerer Betrachtung ist dabei allerdings kein wirklicher Qualitätsunterschied zum „richtigen“ Album erkennbar; die dafür verschwendete Zeit hätte man trotzdem sinnvoller nutzen können. Etwa zum Aufräumen des immer mehr versiffenden Bunker-Studios.

Nach diesem „Album“ werden die Plattenhändler in Deutschland bestimmt mit einer neuen Bedeutung der Buchstaben K.I.Z. konfrontiert werden: „Kann Ich’s Zurückgeben?“