Morlockk Dilemma – Circus Maximus

20 Anspielpunkte. 59 Minuten Spielzeit. Ein erster Gedanke nach dem Hören:Alter, dieses Album ist anstrengend.

Auf seinem nunmehr vierten Soloalbum “Circus Maximus” tut Morlockk Dilemma im Prinzip genau das, was ihn schon mit dem Vorgänger “Omnipotenz in D-Moll” zum Liebling der Fans hat werden lassen: Er betreibt anspruchsvolles bis abgedrehtes Storytelling, für das der Horizont des durchschnittlichen Straßenrappers nicht einmal im Ansatz ausreichen würde, und verbindet dieses Geschichtenerzählen mit einer stellenweise spektakulären Technik.

So etwas darf bis zu einem gewissen Grad natürlich gar keine entspannende Angelegenheit sein. Aber wie wir alle wissen: Es gibt ein gutes “anstrengend” und ein anstrengendes „anstrengend„.

Kommen wir erstmal zum Guten. Morlockk Dilemma ist einer der wenigen Rapper in Deutschland,  deren Alben explizit einen Anspruch vertreten, der höher zu sein scheint, als einfach nur dope Rhymes auf krasse Beats zu packen. Wenn sich der Leipziger im Opener seines Albums als Messias darstellt, nur um dann im nächsten Track namens “Der wahre Messias” das Leben eines Straßenpenners zu beschreiben, der religiöse Botschaften verkündend durch Fußgängerzonen zieht, dann ist das einfach sehr gut gemachte Kunst: “Er predigt Erlösung, betet für ein besseres Morgen / doch sein Wort verhallt ungehört in den Gängen der Mall.”

Es sind solche Brüche und viele kleine, weitere Ideen, die das Album die meiste Zeit hinweg zu einer äußerst hörenswerten Angelegenheit werden lassen. An guten Konzepten mangelt es Dilemma wirklich nicht. Da wäre zum Beispiel “Fieber”, ein wahnsinnig misanthropischer wie unterhaltsamer Track, in dem sich der 29-Jährige als einen der wenigen Überlebenden einer weltweiten Epidemie inszeniert, die er nur deswegen überstehen konnte, weil er Menschen hasst und keinen Kontakt mit ihnen pflegt. Oder “Galgenberg”, wo Dilemma die Massenmedien mit Scharfrichtern aus dem Mittelalter vergleicht: “Sie bringen Entertainment in die Exekutive.”

Zu erwähnen wäre auch “Der Schatten”, ein Track, der oberflächlich von Paranoia und Verfolgungswahn handelt, dann aber eine überraschende Wendung nimmt, die hier nicht verraten werden darf. Oder “Herkunft”, wo Dilemma in grandios überzeichneter Art das reiche München und das arme Leipzig miteinander vergleicht. Wobei ich als Münchner Aussagen wie “Hier trinken die Punker Champagner und schnorren Zigarren” eigentlich nur unterschreiben kann.

Solche guten Songideen gibt es also wirklich zuhauf auf “Circus Maximus”. Der Haken dabei ist: Eine Idee alleine macht noch keinen guten Song. Morlockk ist einfach nicht Pop-Sau genug, um den stellenweise genialen Strophen auch gute, eingängige Hooks beizufügen. Man kann sich natürlich darüber streiten, inwiefern gute Refrains ein integraler Bestandteil eines HipHop-Songs sind. Aber jemand wie Dilemma, der den Anspruch vertritt, gute Tracks mit Inhalten zu schreiben, verschenkt einfach wahnsinnig viel, wenn er auf die Hookline scheißt wie Die Firma zu ihren besten Zeiten. Das macht das Album unnötig anstrengend.

Womit wir wieder beim Thema wären. Dilemmas Rap trägt dazu auch einen nicht unerheblichen Teil bei. Nicht falsch verstehen, Morlockks Reime spielen definitiv in der ersten Liga, und seinen Style hat der Leipziger über die Jahre hinweg konsequent perfektioniert. Aber: Er hat halt auch nur diesen einen Style.

Dilemma ballert folglich eine komplette Stunde lang mit seinen Stakkato-Rhymes auf den Hörer ein. Das muss man erstmal aushalten.
Die Konsequenz daraus ist nämlich auch, dass sich die Beats auf dem Album allesamt stark ähneln, vor allem was ihr Tempo angeht. Auf anderen Instrumentals fühlt sich Morlockk vermutlich nicht ganz so wohl, auch wenn er auf dem beinahe schon hektischen „Vorsuppe“ eine eindrucksvolle Demonstration seines Könnens gibt.
Hinzu kommt natürlich noch Dilemmas gewöhnungsbedürftige Stimme, die auf Albumlänge durchaus enervierend sein kann. Dafür kann der gute Mann natürlich nichts, aber „it’s mostly the voice“, um mal fünf Euro ins HipHop-Phrasenschwein zu werfen.

Auch die Inhalte auf „Circus Maximus“ sind bisweilen weniger interessant als vielmehr einfach nur anstrengend, gerade wenn Dilemma Fäkalhumor als Stilmittel verwendet. Ich verstehe natürlich, dass er in einem Track wie „Sündenfall“ die unrealistische Erwartungshaltung an Frauen anprangert, wenn er einen Refrain droppt wie: „Oh Lord, wieso lässt Du es zu / ein Engel scheißt nicht, er hat mit dem Dreck nichts zu tun / Darling, ich liebe den Charme an Dir / liebe den lächelnden Blick, doch hasse den Darm in Dir“. Deswegen finde ich’s aber trotzdem irgendwie ungeil. „Die Taube“, wo Dilemma in der zweiten Strophe en détail darlegt, wie besagte Taube die Monumente der Stadt vollkackt, leidet am selben Problem.

Klassische Battletracks wie „Wende den Blick ab Part 1+2“ oder „Portwein“ mit Hiob, R.U.F.F.K.I.D.D und JAW bilden da eine wohltuende Abwechslung. Da muss man auch keine guten Hooks schreiben.

Was bleibt also? „Circus Maximus“ ist ein gutes Album, gar keine Frage. Aber es ist frustrierend zu beobachten, wie ein technisch dermaßen versierter Rapper mit so vielen guten Ideen es einfach nicht hinbekommt, seine Skills in gute Songs umzusetzen. Vielleicht bin ich unfair. Doch es kann einfach nicht Dilemmas Anspruch sein, Musik für einige wenige hartgesottene Fans zu machen, die wahnsinnig genug sind, sich so ein sperriges, anstrengendes Album reinzuziehen.

„Circus Maximus“ ist äußerst hörenswert, aber man muss sich immer ein bisschen überwinden, um es sich nochmal anzuhören. Und das kann es ja irgendwie nicht sein. Das könnte der Künstler dem Hörer definitiv etwas einfacher gestalten.