Fard – Alter Ego

Fard, “Der Junge Ohne Herz“, gehört zwar noch lange nicht zu den alten Hasen im Rapgeschäft, hat aber bereits eine kleine Sammlung an Riten, welche er auf seinen Soloalben  stets vollzieht – Ja, wir zählen auch die Streetalben mit. So ist es zum Beispiel Tradition, dass auf seinen immer 18-Track starken Alben, seit je her mind. ein Exemplar der “60 Terrorbars“-Reihe zu finden ist. Was sich der Rapper ebenfalls nicht abgewöhnt hat, ist ein Soloalbum auch tatsächlich als solches zu betrachten, denn mit gerade mal vier Featuregästen auf nur zwei Tracks kann sich der Hörer sicher sein, auch das zu bekommen, wofür er bezahlt hat: Fard pur.“Alter Ego” ist eine sehr emotionale und vor allem persönliche Platte geworden. Wut, Hass, Leid, Schmerz und Unverständnis gegenüber ihm oder seiner Konfession, thematisiert Fard auf vielen Stücken des Albums und spielen oft eine tragende Rolle. “Ziel & Schiess“ ist eine Geschichte über den Krieg mit sich aufbauender Dramaturgie, “Murmeltier“ handelt von fehlgeschlagener Integration und “Der Junge Ohne Herz“ erzählt von dem unsäglichen Leid, das daraus resultiert und der dazugehörigen Gefühlskälte.
Hilf Dir Selbst“ zeigt Fard’s innere Zerrissenheit. In einem schizophrenen Kampf mit sich selbst versucht er herauszufinden, was überhaupt recht und unrecht ist. Das Lied verdeutlicht die Unzufriedenheit in seinem Leben und die daraus hervorgehende, stetige Versuchung, diesem Leben ein Ende zu bereiten.
Mut, Ehre und Stolz sind die wichtigsten Attribute und Charaktereigenschaften von Fard, durch die er den Dämon der heutigen, stumpfsinnigen Welt erfolgreich entgegenzutreten versucht.

Nur ein einziges Mal auf “Alter Ego“ erinnert sich Fard an Positives. Auf “Peter Pan“ beschreibt er seine unbeschwerte und sorgenfreie Kindheit, in der sein größtes Problem darin bestand, eine Mark für Wassereis aufzutreiben. “Ich erinner mich, Sommerzeit, krasser Scheiß – für eine Mark eine Tüte voller Wassereis. Jeden Tag vom Zehner springen, im Schwimmbad – irgendwann dachte ich wirklich ich wäre Sindbad.“
Es bereitet einem wahrlich Freude, den Abenteuern des jungen Fard zu lauschen, weil man mitunter an der einen oder anderen Stelle an seine eigene Kindheit erinnert wird. Interessanterweise weist “Peter Pan“ sowohl melodisch, als auch inhaltlich, extrem viele Ähnlichkeiten und Parallelen mit dem Lied “Pitbull“ des französischen Rappers Booba auf. Ob sich Fard hierbei von dem Franzosen hat inspirieren lassen?

Durch Fard’s schier unermessliches Repertoire an Geschichten, entsteht nach und nach das Bild eines alten, auf einem Baumstumpf sitzenden Mannes, der Geschichten aus dem Buch des Lebens vorliest, um seine Erfahrungen an die jüngere Generation weiterzugeben.
Besonders wird das auf Tracks wie “Ein Normaler Tag“ oder “Du Willst Fort“ deutlich. Auf “Du Willst Fort“ denkt sich Fard in eine Frau hinein, die mit ihrer Beziehung zwar todunglücklich ist, sich diese aber immer wieder schönredet und nicht in der Lage ist, einen Schlussstrich zu ziehen. Das ist außergewöhnlich, ziemlich realitätsnah und ziemlich gut.

Fard präsentiert sich auf “Alter Ego“ als guter, technisch durchaus versierter Rapper mit sattem Flow und oft sehr deepen Texten. Er gibt Erlebtes authentisch und vor allem plastisch wieder, indem er zwar meist einfach gehaltene, aber konstant gute Lines kickt, welche einen nahe bei dem Rapper Platz nehmen lassen. Fard gewährt durch viele persönliche Geschichten teils tiefe Einblicke in seine zerrüttete Gefühlswelt. Vergleicht man “Alter Ego“ mit seinem letzten Album “Omertà“, sieht man deutlich, wie sich Fard technisch verbessern konnte. Zudem sind die Beats auf “Alter Ego“, bis auf ein, zwei Ausnahmen saftig wie Obst und damit gut gelungen.

Wer also nicht selbst schon genug Probleme mit seinem eigenen Leben hat, wird von Fard herzlich eingeladen, seinen zu lauschen. Vielleicht ist “Alter Ego“ aber auch gerade deswegen interessant, weil man sich in den düsteren Geschichten voller Zorn, Hass und Verbitterung wiedererkennt.