Harris – Der Mann im Haus

Harris ist nicht der erste, der sich mit seinem neuen Album dazu entschließt, alles etwas reifer und erwachsener anzugehen. So ist man auch nicht erstaunt, dass sich auf einem Album mit dem Titel "Der Mann Im Haus“ gut die Hälfte der Songs um die schönen Themen Familie und Beziehung drehen. Das mag vielleicht an Harrys ‚Hammerfrau‘ und seinen zwei entzückenden Kindern liegen, die unverkennbar als Inspiration für Tracks wie "Für die Familie“, "Stell dir eine Welt vor“ und „“ dienten.
Persönlicher wird’s dann schon, wenn man intime Abschiedsrituale und Fritzchenwitze von Harrys Sohn erzählt bekommt. Mit so viel Einblick hätte wohl keiner gerechnet und auch nicht darauf gehofft. Dass sich der Lieblingsrapper aber nicht von Grund auf geändert hat, zeigt sich auf dem Rest der LP, auch wenn er auf dem Cover lieber eine Nuckelflasche und ein Baby im Arm hat, anstatt wie sonst die so passenden Attribute Buff und Bier.

Schon der erste Track "Auf Keinen“ reißt uns aus der familiären Idylle und gibt ordentlich aufs Maul mit Bass und Synthiesounds. Dazu ist die tiefe Stimme von Harris einfach nur feierbar. So gibt es Party-Harry in Reinkultur auf Tracks wie "Tag und Nacht“ oder "Trinke nie wieder“ und ganz nebenbei wird exzessiv die Männlichkeit zelebriert. So zum Beispiel im Song "Urinstinkt“, der den Männertrieben huldigt – an sich keine schlechte Song-Idee, nur der Umsetzung mangelt es an Kreativität. Aber das können wir Harris bei einem so gelungenen Wechsel der Rollen zwischen fürsorglichem Vater und Feiersau mit ruhigem Gewissen verzeihen.

Völlig unkategorisiert sei der Track "Nur ein Augenblick“ dahingestellt, der die durch Sarazzin wieder aktuell gewordene Integrations’problematik‘ der Bundesrepublik nüchtern lösen möchte und beiderseitigen Respekt der Parteien einfordert. Deutschland sei toll, heißt es da, jeder habe hier die Möglichkeit etwas zu erreichen und siehst du das anders, dann geh doch – so ließe sich die Botschaft des Tracks wohl grob als sehr einseitig zusammenfassen. Sicherlich kann man über diese Aussagen zurecht geteilter Meinung sein, vor allem das mit dem Nationalstolz ist immer ein bisschen fragwürdig, aber etwas anderes möchte man mit einem politischen Rap wohl auch nicht erreichen, als die Diskussion darüber. 

Was wirklich schade ist, ist der Einsatz von She Raw, die wiedermal nur als Chorus-Mäuschen einspringen durfte, obwohl sie doch eine der wenigen gut rappenden Frauen ist, auch J-Luv, Bintia und Muhabet dürfen sich in die soften Refraingesänge mit einreihen. Wiederum schön ist, dass neben Rapgröße und Lieblingsrapper Sido auch die Talentierten Hammer & Zirkel auf der Platte mit "NGeiler Tach“ vertreten sind und das höchstberlinerisch und unterhaltsam – so wie im Endeffekt das ganze Album, also ruhig mal rein hören.