Kollegah – Hoodtape Vol. 1

Redaktionsintern waren die Erwartungen an das Hoodtape ja nicht sonderlich hoch. Genug Gründe schienen dafür zu sprechen, Kollegah könne das erste Mal richtig einbrechen, sich womöglich unter seinen eigenen Reimketten begraben. Denn sein Rap und das Image wurden langsam fad und wie er es selbst sagte, wurde es dringend Zeit für frischen Wind in eine neue Richtung.Letztendlich ist dieses Mixtape ja nur eine Beilage, eine Art Duftprobe aus der Pafümerie, in der man sich seit fünf Jahren regelmäßig seinen Lieblingsduft kauft. Packt man sie dann aus, ist sie erst mal nicht interessant, denn man hat sich ja auf das bereits gut bekannte Fläschchen gefreut. Doch irgendwann langweilt es einen, so dass man aus Neugierde, und weil sie eben da ist, die Probe doch noch auflegt. Und dieser Moment entscheidet darüber, ob man von dem Produkt angetan ist und darüber nachdenkt, es sich das nächste Mal zu kaufen, oder man die Marke satt hat und sich nach einer anderen umsieht. Schafft es T.O.N.I. vorgeschmacklich also soweit zu überzeugen, dass man sofort Geld zurücklegen möchte, um auf das nächste Release zu sparen? Jein. Und deshalb ist es in sich schlüßig!

Beim erstmaligen, flüchtigen durchhören beschleicht mich eine suppige Mischung aus Enttäuschung und Langeweile. Wohin das Ohr hört nur öde Beats, diese grausame Dichte an Punchlines, so dass man kaum hinterher kommt und eine monotone Stimme, die sich selten zu seinem berühmten Doubletimefeuerwerken verleiten lässt. Das dann aber auch noch, wie auf „Für Immer Player“, unsauber und lustlos klingt.

Doch bereits bei Runde zwei, ich sitze gerade in der U-Bahn, fällt es mir sichtlich schwer, bei Lines wie „Ich versteck noch das Geld, sie wird uns wieder da rausreden. ‚Herr Wachtmeister, ich fahr doch nicht etwa zu schnell? Eine Tankstelle beraubt? Ich bin ’ne anständige Frau! Huch, sowas..: Ich hab die gleichen Handschellen zuhaus…‚“ („Bonnie Und Clyde 2010“) mein entnervt wirkendes Gegenüber nicht breit anzugrinsen. Mehr Textzeilen zu zitieren würde, wie man sich denken kann, absolut den Rahmen dieser Review sprengen, doch auch die typischen Kollegah-Metaphern sind gewohnt erstklassik.

Sogar mehr als das: Begnügte der Boss der Bosse sich bisher oft damit, ähnlich klingende Wörter zu doppeldeutigen Punchlines abzuändern, geht er auf diesem Tape beinahe routiniert dazu über, ganze Silben auseinander zu pflücken und im Nebensatz zu neuen Sätzen zu formen.
Während sein Fokus früher auf battlelastigen Fronterzeilen lag, disst er Deine peinliche, oder auch nur schlecht angezogene Crew hier lediglich im Vorübergehen. Hauptsächlich behandelt jeder einzelne Track ein bestimmtes Thema, zu dem der Märchenonkelboss dann kleine Geschichten erzählt.

Das kann sein „44er Bizeps“ oder sein „Powerschwanz“ sein, genauso aber das witzig-trashige „Sexxx“ – nebenbei bemerkt der wohl unerotischste Ficktrack, der jemals recordet wurde! Entertainment wie es in der Show-Fibel steht also, natürlich auf höchstem Niveau, trotzdem aber auch unpersönlich wie nie zuvor. Einzig und allein „Vorbei“, in dem beschrieben wird, wie der größte Playboy der Welt mit seiner Freundin Schluss macht, beginnt scheinbar autobiographisch und rührend, bevor er ins altbekannte Bossblabla übergeht.

Dennoch ist das genau der Track, der Kollegahs Versprechen, er würde in Zukunft persönlichere Storytellingtracks machen, ohne dabei uncool zu werden oder seinen Stil zu verraten, beinahe erfüllt. Wenn dies einen Vorgeschmack auf sein nächstes großes Album darstellen soll, macht es wirklich gespannt auf die Zukunft. Man wünscht sich einfach, er würde seinen schweren, ohnehin schon löchrigen Imagemantel Stück für Stück weiter ablegen und sich trauen, tieferer Einblicke zu gewähren, denn selbst wenn sein Leben selbstverständlich nicht so übermenschlich verläuft, wie das seines Bosscharakters, hat er sicherlich spannende Erlebnisse vorzuweisen, dich sich lohnen berappt zu werden. Da bin ich mir sicher.

Versteht man das Hoodtape Vol.1 als musikalischen Zwischenstand des Künstlers, nach dem Motto „von dort komm ich, da will ich hin und hier steh ich im Moment“, ist es eine interessante Platte und keine Beschreibung würde besser passen, als ein „richtig gutes Mixtape“, weil es genau das ist.
Eine Weiterentwicklung findet jedenfalls definitiv statt und es macht Spaß dabei zuzusehen. Die größtenteils eher langweiligen 08/15 Beats sind eventuell ein kleiner Mangel, stören aber nicht , sondern fokussieren eher auf den Rap. Und wenn auch die Hook von „Meine Lady“ der wohl beschissenste Ekelchorus ist, den ich je von ihm gehört habe, so ist die „Ridermusic“ Hook meiner Meinung nach wiederum die beste seines Schaffens. Man sollte dieses Tape nicht all zu ernst nehmen und Fehler wie der erwähnte Refrain, oder auch Haftbefehls verstörend armer Part, sind ausnahmsweise mal erlaubt.

Für eine Gratisbeilage auf jeden Fall ein überdurchschnittliches Geschenk und um es doch nochmal in einer seiner Lines zu formulieren: „Kollegah ist der Shit, wie ein umgedrehter Tisch!“ Auch weiterhin.