Rick Ross – Teflon Don

Ich habe diese CD mitgenommen in meinen Frankreichurlaub, weil ich zwei lange Nachtfahrten vor mir hatte und mich auf verrückte und aberwitzige Geschichten vom Baus of The Sauf gefreut habe. Was ich bekommen habe, ist eine künstlerische Bankrotterklärung.Eine Bankrotterklärung für Rap, für Hip Hop und nicht zuletzt für Rick Ross selbst. Auch wenn ich nicht unbedingt der Typ bin, der jetzt auf Message, Aussage und kluge Gedanken pocht, wenn es um Rap geht… aber mit Rick Ross möchte ich keinen Abend verbringen müssen. So viel Dummheit, Ignoranz und Beschissenheit kann kein Mensch ertragen.
Rick Ross
hat es auf seinem vierten Soloalbum tatsächlich geschafft, nur ein einziges Lied ohne Featuregast zu erstellen und in seiner Fantasierolle des harten Kokainhändlers dabei so unsympathisch rüberzukommen, dass man sich endlich einen Song wünscht, in dem er einfach zugibt, dass er damals auf der anderen Seite der Gitterstäbe seinen Wachdienst geschoben hat – so whut? Schließlich muss man strugglen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen und auch Gefängniswärter ist ein echter Struggle.

Natürlich weiß sowieso jeder, dass Rick Ross eine Art Comiccharakter der Rapgeschichte ist, ein Abziehbild, eine Kunstfigur und keiner erwartet tatsächlich, dass er das war, was er vorgibt gewesen zu sein. Nein. Man hat Rick Ross deshalb gemocht, weil er möglichst sinnlos über 500 Dollar teuere Designer- Jeans aus Japan gerappt hat und den Soundtrack für Autofahrten mit heruntergelassenen Fensterscheiben geliefert hat, bei denen man sich auch mit einem Skoda Roomster wie ein Pimp vorkommen konnte. Wenn jetzt also dieser Clown, dieser Entertainer, dieser Showman eine Platte aufnimmt, auf der ich den Eindruck habe, dass er einzig und allein beweisen will, dass er tatsächlich so hart ist, wie er tut, dann ist mir das in höchstem Maße unangenehm und peinlich. Das ist dann ungefähr so, wie wenn man Youtube Videos von Sandy Solo anschaut. Menschen, die sich selbst nicht richtig einschätzen können, sind so mit das Schlimmste überhaupt auf der Welt.

Wie soll man aber Respekt haben, vor einem Menschen, der nicht weiß, wer er ist? Der in einem Anflug von Hellsichtigkeit sagt: „Looking in the mirror, but I don’t see much.“ Nicht nur, dass er seinen Namen von einem der größten Drogenhändler der Geschichte geklaut hat, auch der Albumtitel „Teflon Don“ bezieht sich auf den New Yorker Mafiapaten John Gotti. Dieser wurde „Teflon Don“ genannt, weswegen dessen Enkel, neben „FreewayRicky Ross, ebenfalls überlegte gegen den Rapper aus Miami wegen Verletzung von Markenrechten zu klagen. Das lustige Namenskarussell findet aber seinen unfreiwillig komischen Höhepunkt im Song „MC Hammer„, in dem Rick Ross verzweifelt schreit: „I got 30 Cars – I got a lot of dancers – I take em everywhere – I’m MC Hammer.“ Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da hätten sich Rapper lieber eine Hand abgeschnitten, als mit MC Hammer verglichen zu werden. Dann lieber Vanilla Ice. Aber darum geht es Herrn Ross ja auch gar nicht. Die andere Hälfte seiner Aussage heißt nämlich Geld. Rick Ross erklärt seinen Wohlstand, weswegen man, neben seiner Gefährlichkeit, spätestens dann Achtung vor ihm haben müsse. Das ist peinlich und würdelos und bei einer Aussage wie „You better behave – you dealin with some rich niggers”, möchte ich mich am liebsten wegdrehen.

Mit dem Respekt verhält es sich nämlich so ähnlich, wie mit der Liebe. Beides kann man nicht einfordern. Man kann nicht aufzählen, was man alles gemacht hat und dann schreien: „Deswegen respektiert mich!!!! Deswegen liebe mich!!!!“ Das geht nicht. Das ist armselig. Bei den zahlreichen Anspielungen, dass die Damen dieser Welt Herrn Ross nur deshalb Gesellschaft leisten, weil er ein dickes Portemonnaie mit sich führt, spüre ich sogar einen Anflug von Bedauern und Mitleid für den Mann aus Miami. Wenn er sich nicht gleichzeitig so unsympathisch gebärden würden, könnte ich ihn sogar trösten wollen, so aber würde ich ihm am liebsten in einer dunklen Seitenstraße mit Hilfe des Windes Worte in seinen Geist träufeln, die ihn von Innen her zersetzten: „Siehst du Ricky, all das viele Geld, mit dem Du immer angibst, kann Dich trotzdem nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass Du ein hässliches, fettes und dummes Stück Scheiße bist. Selbst als Künstler hast Du versagt und alles, was Dir bleibt, ist Geld. Ersticken sollst du daran!

Denn was passiert musikalisch auf „Teflon Don„? Opulente Beats, die teilweise nichts, aber auch gar nichts mit den Raps zu tun haben. „Tränen der Freude“ werden angesichts des eigenen Erfolges vergossen, ein Lied so schmierig, das man kotzen möchte. Wer bitte hat das vollkommen schiefe „Maybach Music III“ verbrochen? Wer bitte hat Rick Ross gesagt, dass er singen darf? Das ist ein Witz und ich habe ihn nur nicht richtig gepeilt, oder? Was machen drei meiner Lieblingsrapper auf dem Album? Musste Jay-Z seinen Part abliefern, weil er als Def Jam Präsident diesen Hampelmann gesignt hat? Sind Jadakiss und Styles P jetzt auch bei diesem Zirkusverein? Bitte nicht. Was um Gottes Willen machen Erykah Badu, Kanye West, Drake, Gucci Mane und Cee Lo auf diesem Album. Sind das alles Respektbekundungen für ein großes künstlerisches Genie, das ich nicht begreifen kann? Ist das Hip Hop 2010?

Geht es tatsächlich nur noch darum, den Besitzstand zu verwalten und das abgesteckte Territorium zu verteidigen? Kann man machen. Ist vielleicht notwendig, aber im Endeffekt ist das dann so attraktiv wie Veranstaltungen vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Aus Pflichtgefühl geht man vielleicht noch mal hin und vielleicht klappt das auch noch ein paar Jahre. Aber die Zukunft, die Zukunft wird anders aussehen und tief im Herzen weiß man, dass man hier seine Zeit verschwendet.Zum Glück sind auf dem Album nur elf Stücke drauf und das Ärgernis ist nur 49 Minuten und 21 Sekunden lang. Das ist immerhin ein Anfang.