Jayden – Spiegel der Seele

Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Aus diesem Grunde pickt man sich aus dem riesigen Rezensionsstapel, der an Ali Babas Räuberhöhle erinnert, auch gerne mal eine nicht sonderlich vielversprechende CD heraus, um sich die letzte Arbeitsstunde mit überraschend gutem Newcomershit zu vergolden. Wie zuletzt bei meinem neuen Lichtstreif am Horizont, bald schon bekannt  unter dem Namen Sorgenkind.
Stattdessen überfallen einen aber ab Takt eins würgreizende Heliumphrasen und peinlicher Trashrap. Na gut, das mag übertrieben sein, trotzdem ist "Spiegel Der Seele“ allein schon des Titels und der Tracklist wegen das ekligste, was ich seit längerem so gehört beziehungsweise gesehen habe und Jayden ohne Frage auf dem zweifelhaften Weg dahin, der nächste Taichi zu werden. Womöglich eine Ehre für den jungen Mann.

Das mag an den Beats liegen, die zwar nicht ohne seichtes Sternschnuppenrieseln und debiles, pseudodeepes Pianogeklimper auskommen, trotzdem aber schon hörbar sind. Sozusagen geschmacklich am Arsch, aber fein produziert.

Allerdings ist das Gesamtergebnis auf die Dauer unerträglich, weshalb ich mir vorbehalten habe jeden Track nicht länger als ungefähr bis zur Hälfte zu hören. Kann ja sein, dass mir dadurch die nie gehörten Powerpunchlines und tiefgehenden Lyrics entgangen sind, da er im ersten Part stets nur leeres, selbstmitleidiges Gewäsch und hohle Phrasen bringt, um sich aufzuwärmen und den zweiten Part dann umso gehaltvoller zu gestalten. Darauf möge ich durch einen beleidigenden Kommentar bitte aufmerksam gemacht werden.

Ansonsten aber scheue ich mich nicht auszusprechen, was jedem Rap liebenden Zuhörer schon beim Intro durch den Kopf schießt: Der ist ja mal richtig whack! Allerdings nicht dumpf und Anglizismen dreschend, sondern eher schmierig vor sich hin gleitend. Teilweise auch etwas komisch, wenn man auf seine selbstreflektierten Zeilen eingeht und sie sich zu Herzen nimmt. Beispiel: "Ich wurd geboren als Franzose, doch ich gelte als Deutscher. Ich bringe Licht in diese Welt und brenn noch heller als Feuer, ich habs nicht leicht gehabt auf meinen Wegen, Kälte und Feuer, Steine und Schläge, all das auf den eigenen Wegen.

Aha. Was auch immer er uns damit sagen will, abgesehen davon, dass ihm sehr warm zu sein scheint und er gern wandert, verpackt er seine Lines nicht sonderlich einfallsreich. Wobei ich für ein Bergsteiger Album durchaus ein offenes Ohr hätte. Nun ja. Nach dem mit  "Intro“ betitelten ersten Track, geht es dann weiter mit Songtiteln wie "Bleib Stark“, dem wenig Hoffnung schenkenden Kopf-hoch-Klischee-Track, der hauptsächlich beinhaltet, dass Naseweis Jayden ein hartes Leben hatte, deine Sorgen kennt und immer für dich da ist.

"Für dich“ wird nach 33 Sekunden auf Grund des dämlichen Einstiegs ("Es ist nicht leicht für dich mit mir, mir fehlt so oft für dich die Zeit und darum schreib ich diese Zeilen, um dir zu zeigen: Wir sind eins") weggeskipt. Strafe muss sein. "Klänge Der Nacht“ wiederum klingt lächerlich vielversprechend. Wieder mal ein unsinnig klimperndes Piano, mit einem Beatmungsgerät im Hintergrund, dann der bedrohliche Streicher, eine kurze Pause und: "Ihr habt mich alle ausgelacht, als ich sagte ‚Ich machs!‘, ihr habt gesagt ich werds nicht schaffen, doch ich hab es geschafft!“ Bis hier hin könnte man denken, es sei ein versteckter Funtrack über sein Baumhaus oder so, spätestens bei der Hook aber ("und was ich war, werd ich wissen, wenn ich nicht mehr bin, ich bin allein auf meinem Weg durch die Nacht“. Hä?)  gibt man wehmütig auf und skippt zu "Wege Des Lebens“. Yeah.

Auf diesem Track entfaltet sich vollkommen sein lyrisches Talent, Situationen in unverbrauchte um-die-Ecke-Metaphern zu verpacken. Ich derweil werde langsam zynisch. "Ich sitz im Wagen, auf der Straße und die Sonne versinkt, ich fühl mich frei von allen Sorgen, was es morgen wohl bringt? Das kann mir keiner sagen. Heute ist das Leben noch perfekt, doch wer weiß, vielleicht ist morgen alles Regenüberdeckt…“ Mja. Langsam ehrlich entrüstet skippe ich zum übernächsten Track  "Dir Mama“, mir ziemlich sicher, auf "Es Wird Zeit“ keinen Bangerhit verpasst zu haben.

Stattdessen begrüßt mich Mamas dankbarer Lieblingssohn mit "Yeah, yeah! Das ist straight up für meinen Dad… Und für meine Mum, die mich immer suported haben“, was ich als einen geschmacklosen Racheakt der beiden an die Welt werte und mich persönlich beleidigt fühle! Was er dann rappt, dürfte jedem soweit klar sein, es ist ja nicht so, dass er einen mit so richtig eigenen Lines überraschen würde. Viel eher ist das gesamte Album so eine Art Sammlung, eine Zusammenfassung aller langweiligen Hip Hop Klischees, um die kein Mensch gebeten hat.

Wahllos klicke ich in den vorletzten Track "Leben ist hart“, höre "deine Sicht muss sich ändern, verändere dich! Und diese Welt wird sich drehen wie du es willst, mein Freund, denn du musst wissen wer du bist, mit wem du chillst, mein Freund,“ bedanke mich für diesen Denkanstoß und entnehme die CD. Würde im Takt bleiben eine gute Platte machen, könnte man beim jungen J. vielleicht noch ein Auge zudrücken. Für das Gesamtprodukt sehe ich allerdings kein Licht am Ende des Tunnels. Um gleich bei abgeschmackten Metaphern zu bleiben.