Alpa Gun – Almanci

Was zuallererst auffällig ist: Auch Alpa scheint wie viele seiner Kollegen heutzutage nicht viel Wert auf Reime und Punchlines zu legen. Sein Flow ist zwar definitiv überzeugender als früher, ist oft aber sehr gleichförmig und erinnert (ehrlich gesagt) nicht selten an sido. Was diese Punkte angeht, kann der Künstler also eher nicht überzeugen und wem das bei einem Album wichtig ist, der sollte dann eher andere Rapvertreter hören.

Wenn man von diesen technischen Fähigkeiten aber absehen kann, erkennt man, dass Alpa dafür mit einem anderen großen Aspekt punkten kann, der anderen, vor allem eben den Technikversessenen der Rap Welt manchmal abhanden kommt: Realness!
Was Alpa erzählt glaubt man einfach, eben weil seine Texte fast sämtliche künstlerische Ausschmückung, Witz und Übertreibung vermissen lassen und er kein unehrlicher Typ zu sein scheint. Der Rapper stellt sich nicht furchteinflößender und krimineller dar, als er ist, sondern versucht ganz im Gegenteil noch möglichst tief zu stapeln.
So erzählt er beispielsweise, dass seine 8 Tage im Gefängnis für ihn keine richtige Haftstrafe gewesen sind, und erklärt auch mehrfach, dass er kein Gangster sei, dass er keinen Bock auf Stress, sondern lieber seine Ruhe habe und dass er auch Angst verpüre. Feinden macht er aber trotzdem klar, dass er gelernt hat, seinen Mann zu stehen und das auch tun wird, wenn’s denn sein muss.

Hier merkt man dann einfach: Okay, da will sich jetzt niemand künstlich aufplustern und glorifizieren. Das ist ehrlich, das ist real und damit sehr viel höher einzustufen als irgendwelche Märchen, die von anderen Rappern erzählt werden.

Leider ist es dann aber so, dass sich Alpa trotzdem desöfteren widerspricht. Dass er kein Gangster, sondern nur ein Straßenjunge ist, passt nämlich nicht zusammen mit anderen Tracks, in denen Alpa sich als Gee aus dem Kiez bezeichnet. Auch treffen auf Almanci Sprüche wie „Ich habe alles gemacht, ich habe alles probiert, falls jemand Action machen will, ist meine Waffe poliert!“ („So Straße“) auf andere Aussagen wie: „Ich hasse alle Menschen, die eine Waffe tragen“ („Meine Bestimmung“)
Der Track „Ticker“, in dem Alpa als Lehrer auftritt und dem Hörer beibringt, wie man richtig als Drogendealer agiert, unterstützt zwar definitiv Alpas Kredibilität, passt aber auch nicht so ins sonst dargestellte Bild des geläuterten, vernünftigen Mannes der Straße, der die Leute von der schiefen Bahn bringen will und Stress nur macht, wenn es unbedingt sein muss.
Diese Einzelaussagen, die sich irgendwie völlig gegenseitig unmöglich machen, zeigen dann ein in Teilen innerlich zerrissenes Bild des Künstler, wie es in diesen Kreisen aber auch nicht selten und vor Allem recht menschlich ist. Beim Hören wirkt das trotzdem komisch.

Almanci“ heißt soviel wie „Deutschländer“ und ist die türkische Bezeichnung für in Deutschland wohnhafte Türken. Ein großes Hauptthema der Platte ist deshalb auch die Integrationspolitik von Deutschland.
Alpas Gefühl der Fremdheit, hier wie in der Heimat, die Frage „Wo gehöre ich hin?“ und „Warum erkennt ihr mich nicht an?“, werden besonders intensiv in „Wer bin ich?“ und „Sor Bir Bana“ mit dem türkisch rappenden sido aufgegriffen. Diese beiden Tracks gehören dann auch ganz klar zu den besten Tracks auf dem Album, da es sich um ein relevantes Thema handelt, im Gegensatz zu dem Standard Straßenrepresenter „So Strasse“ und anderen Tracks zu denen ich leider auch „Freunde“ zählen muss. Ein Track, der für Alpas Freunde sicher sehr berührend und eine große Ehre ist, aber als Außenstehender kann man damit nicht viel anfangen und der Track wird geskippt..

Trotz aller kleinerer und größerer Wiedersprüche bleibt trotzdem immer klar, was Alpas Hauptanliegen auf diesem Album ist: Die Beschreibung und Kritik der Verhältnisse auf der Straße, denen dann auch jegliche Glorifizierung fehlt. Es ist eben ganz und gar nicht alles cool dort und genau das merkt man Alpa auf diesem Album durchweg an. Vor allem in „Zerbrochenes Glas“, einer deutschen Adaption von „The Message“, ist ein großer Zug nach draußen zu spüren, raus in eine andere, vermeintlich bessere Welt.

Ob das mit Almanci klappt, ist fraglich. Das Album hat zwar definitiv richtig gute Tracks und Ansätze, aber eben auch ein paar Schwachpunkte. Der ganz große Wurf ist es dadurch leider dann doch nicht geworden. Leider.