DeineLtan – JaMan

DeineLtan. „Bäbääämm“, um das ausufernde Feuerwerk hinter diesem Namen gleich mal mit ihren eigenen Worten zu erfassen. Denn so lautet der erste Titel und wirklich KEIN anderes Wort könnte das Album besser in sich zusammenfassen! Von der allerersten Sekunde an ziehen einen brutale Gitarrenriffs tief in die unverputzten Hinterhöfe von Berlin Wedding, wo man sich beinahe in HD-Qualität vorstellen kann, wie Bozblind, J.O.D. und TAMAS abgefüllt mit den stärksten Drogencocktails der Welt ihre überschüssige Energie entladen, indem sie in Lichtgeschwindigkeit von Wand zu Wand brettern und alles zerstören.Das tun sie natürlich nicht, stattdessen aber füllen sie 20 Tracks mit purem Adrenalin und der wüsten Feierlaune, die sie auf ihren zahlreichen Clubkonzerten quer durch Deutschland zu verbreiten wussten.
Als Untergrundgröße schon etabliert, waren sie dennoch immer zu klein für die wenigen Hiphopspektakel und Festivals die dieses Land so zu bieten hat. Doch wo ein Wille ist, da ist auch ein Booking und so kommt es vor, dass man ihren Namen sogar auf Crunkpartyflyern der Oldenburger Clubszene finden konnte.

Nachdem ihre letzte Langspielplatte schon satte vier Jahre zurück liegt, hat sich im Hause BlutBadBerlin einiges getan: So verließ das Langjährige Mitglied Nicklas die Crew und trotz vermeintlicher Produktionspause gaben sie sich auf bekannten Alben wie Orgipörnchen und Alphagene die Ehre, wo sie deutlich Hunger auf mehr machten.
Doch auch nicht zuletzt durch den etwas skurrilen Medienwirbel um den Track „Fick Die Cops“ vom letzten Album Kopfschuss, verbunden mit einer Anklage wegen Volksverhetzung, machten die Doubletime-Spezialisten von sich reden, was dann auch gewissermaßen einen roten Faden durch JaMan bildet.

Denn nun wird Rache genommen. Schon im Intro angekündigt durch Lines wie „Kopfschuss-Sampler Nummer eins, Polizei wurde zum Feind“ und einer kurzen, weil sehr schnell gerappten Rückblende in die Historie der Untergrundrapper, geht es schon im zweiten Track „Geben Gas“ deutlich präziser zur Sache. „Wir sind nicht Linksgeprägt, noch Rechtsgerichtet“ oder „Das LKA und der Jugendschutz fühlen sich angepisst und verfluchen uns, guck, Vaterstaat und die Innenminister jagen lieber Rapper als Kinderficker“ legen eindringlich fest wie DeineLtan die Sache sehen.
Das alles im gewohnten rhythmischen Doubletime, wobei man hinzufügen sollte dass sich ihre Raptechniken deutlich verbessert haben.

Auch die Beats auf JaMan sind für Deutschland ungewohnt melodisch und lassen an eine Mischung aus Dirtysouth und dem französischen Mainstreamrap denken, ohne ihren eigenen Style zu verlieren.

Im Gegensatz zu früher lassen sich mittlerweile auch die verschiedenen Rapper-Charaktere besser auseinanderhalten, wobei Tamas sich mit seiner perversen, überschlagenden Stimme im Laufe des Albums zu meinem persönlichen Favorit entwickelt.

Mit „JaMan (Jenau)“, dem Titeltrack, erreicht das Album seinen ersten richtigen Höhepunkt und kommt Auf einem Synthiebeat, der an Kollegahs „Hater“ erinnert. Ein Lied, dass wie die meisten des Albums live bestimmt großartig funktioniert, ohne aber an Inhalt oder Originalität zu sparen.

Prominent wird es dann bei „Schweißtropfen“, zu dem B-Tight einen Gastpart beisteuert der ungewohnt gut ist. Inhaltlich dreht es sich hier, wie bei 80% des Gesamtwerks um „Sex, Drogen und Bass“ (Track 5, noch so ein Knaller, der genau so einen sympathischen Eindruck hinterlässt.)

DeineLtan
verzichten größtenteils auf Klischeephrasen und sorgen gerade durch Details wie den „Ex oder Kellyfan“-Aufhänger in „Kampftrinker“ mit Exmember Nicklas für Mundwinkelzucken.

Ähnlich wie bei manchen Sportwagen merkt man ihrem Rapstil an, dass er erstmal auf Touren kommen muss, um richtig geschmeidig zu laufen. Sind ihre normalgetakteten Parts eher stockend und technisch schlicht, werden Flow und Reimketten erst so richtig raffiniert, wenn sie in den Ltan-typischen Doubletime verfallen, der wahrscheinlich deshalb auch nicht zu kurz kommt.

Bemerkenswert, weil thematisch unterschiedlich, sind dann noch die Songs „Bild der Frau 2010“, worin mit einem gewissen Augenzwinkern der unemanzipierten Hausfrau gehuldigt wird und der vorletzte Anspielpunkt „Autotune“: In der Machart von Kool Savas„Technopilot“ singen DeineLtan auf einem soften Popbeat über Erfolg und einhergehende Arroganz, dem Vergessen der Fans und eben Autotune, denn „so ist halt der Lauf der Dinge, viele Leute können überhaupt nicht singen, doch je schlechter du bist, desto mehr Idioten hier im Lande kaufen die Single“.

Wie schon das Snippet erhoffen ließ hat sich das Warten also eindeutig gelohnt, so dass JaMan für mich bislang zu den besten Alben 2010 gezählt werden wird.
Typischer Berliner Untergrundhumor gemischt mit erstaunlich abgehbaren Crunkbeats legen einfach nahe, DeineLtan im Auge zu behalten, da der im Autotune-Track verschriene Erfolg zumindest denkbar wäre.

Mich würd’s erfreuen.