Revilo – Haken und Ösen

Revilo, weiteres 70er-Baby wirft seine Mucke raus, der 30-Jährige erinnert in angenehmer Weise an ollen Rap aus dem Rhein/Ruhrgebiet. Storytelling mit Sprachgefühl und einem gehobeneren Vokabular – ja, hier schimmern die Beats aus der Bude-Ideen durch, die Wittener Bunkerweltbeatästhetik steht Pate und der Rapstyle erinnert in guten Momenten durchaus an Schivv oder Galla, schön pressend durch die Kehle in das heiliggehaltene Mic.Natürlich sitzt nicht jede Line des Domstädter oder rockt hart, aber auffällig anders ist er schon. Hart, kompromissfrei und sicherlich nichts für lasche Lappen. Für diejenige, die immer nur den neuen, heissen Shit brauchen, ist die Platte aber sicherlich auch nicht die allererste Wahl – traditionelles Boomshack mit Cuts und Vocalsamples ist eben nicht mehr der letzte Schrei, aber wer will hier auch schon schreien, wenn man stattdessen zuhören kann. Wer Ruhrpott auch trunken buchstabieren kann und weiterhin moody cyphern will, der wird hier fündig.

Inhaltsstoffe: Inhalt, Handwerkerstolz, Bass, Cuts, Aussage und dezente politische Botschaften auf nicht ganz neuen, aber dafür extrasatten Beats. Ja und die meisten Bretter (10 von 16) kommen vom Schreinermeister Croup, der auch schon Curse und Royce Da 5‘9′ Bretter aufn Leib schneiderte und DJ Chestnut gibt das tapfere Schneiderlein und strickte für Revilo eine formvollendes Singlejäckchen aus „Teflon Und Kevlar„. Badaboom!

Ill-Luzion liefert düstere Flächen für die Introspektive „Ohne Zukunft“ und Audioholic schuf mit der übersouligen letzten Nummer des Albums „Niemals Alleine“ eine sehr eigene Grundlage für den sehr deepen und sehr mutigen Track über den Todeskampf von Revilos Mutter, den sie leider verlor. Battlen und beten, so schaut es aus.

Mir persönlich taugt die Collabonummer „Über Dem Limit“ sehr, bei der das unbesungene Übertalent Sinuhe gemeinsam mit Franksta (Inflabluntahz) und Epoz und Revilo über die „Kälte im Geschäft“ rappen. Ein bissiges Rudel voller hungriger MCs, die ihre Enttäuschung und Wut über erfolgreiche, talentfreie Halblappen folgendermassen in Worte fassen: „Die Moral von dieser Geschichte, nur echter Rap brennt wie Tränengas„. Yap. Klatschen diese Ohrfeigen.

Etwas enttäuscht bin ich von dem Nazz-Part („Infight„), inhaltlich und thematisch wie immer weit über den meisten Eintagsfliegen dieses Landes, aber irgendwie scheint ihr bisheriger Biss in der Performance nicht wirklich durch. Schade!

Der gedrosselte Part von T.O.N.Y. (Loki von Labcologne) bei der Battleschlachtplatte „Alles Zu Spät“ bildet wiederum die sehr satte Kontrastfolie zu dem schnelleren Part Revilos, der lautstark bemängelt, dass „gerade der Consciousbereich […] voll mit zahllosen Nutten“ ist. Ja, auch ne Meinung, kann man teilen, oder nicht?

Auch wenn ich die Platte bestimmt nicht tagtäglich pumpen werde, ist eins sicher: Nämlich dass sie eine dieser Platten ist, die man mit richtig Wut im Bauch und Liebe im Herzen sicherlich goutieren kann. Oldschoolaffin, aber nicht altbacken, inhaltschwer aber nicht flowschwach. Passt.

Und jetzt noch einmal Leidenschaft in s/w. Jamhop und keine Industrieware.