Dendemann – Vom Vintage Verweht

"Ist das Textniveau im Keller / kommt der letzte Storyteller und dann gibt’s mehr auf die Löffel als beim nächsten Uri Geller" (Und wenn ja, warum?)

Ja, wenn eins der letzten deutschen Originale dir solche Zeilen durch die Gehörgänge peitscht, dann grinst man als Rezenzent natürlich erstmal breit, denn besser aufn Punkt bringen geht nicht. Und daher bite ich mal Dende für den Einleitungssatz:

Willkommen zurück, werte Lichtgestalt!

Überraschend ist es nicht, dass Diggi Dende mit einem krass verhuschten Albumtitel zurück ins sogenannte Game stept und dass er mit einem gewagten Bademeisterköpper von seiner Hüpfburg mitten & frontal ins Haifischbecken der Charts kracht, hatten wir eh erwartet.
Und Rap auf Beats war sowieso gestern, weshalb Dende heute in feinstem Garagenrap mit Bandgeballer macht.

Auch diese Entwicklung hatte sich manch einer sehnlichst gewünscht, spätestens nachdem Dendemann 2007 raus ausm Rapghetto schlüpfte & mit den Beatsteaks eine Collabo stiftete. Denn es war klar, das stylestapelnde Alphapantoffeltierchen mit Pferdelunge plus ne ballernde Unterlage, da geht noch mehr!
Und so ist es denn auch gekommen. Nach den diskussionswürdigen Beats der letzten Platte ist hier nix zu mäkeln, meckern oder gar zu kritisieren. Die Freien Radikale, Dendes GbR der Herzen, wummert auf der ganzen Platte so fett, dass mein Mitbewohner seit Tagen feststellen muss, dass seine Dubsteporgien hiergegen klingen wie Altemännerfürze nach Schonkost. Wie sagt man in Hamburg? Derbe!

Dendemann kommt zurück, mit erfrischenden Styles für die Nachhaltigkeit (Eigenaussage), Wortspielereien, die nur er so zustande bringen kann. Wenn er beispielsweise in einem herrlich abgehackten Flow den Unterschied zwischen meiner Meinung, deiner Deinung und eurer Eurung erklärt (Hörma!) oder über seine schulbedingten Mathetraumata redet, die ihn heute noch verfolgen – und ich bitte euch, wer bekommt so salopp & beiläufig eine dermaßen slicke Zeile hin wie "ja, er war früh da der Hass und noch heute denk ich bei Gyros Pita an Pythagoras" (O, Robata)? Das kann nur der "Mann der irren Parabeln, der uralten Novellen & der verwirrenden Fabeln" (V.N.D.).

Der Storyteller erzählt nichts mehr für Omis aus’m ersten Stock, sondern berichtet von den Alpträume eines bilanzphobischen Rappers (Papierkrieg), von den guten alten Tagen, in denen der i-pod noch mit Tapes betrieben wurde und das Christkind noch keinen Seratoschinken an die Kinderlein verschenkte, (I’m a record junkie und zu) oder über die Prüfungen des Alltags (Metapher than leather) – da ist schon der Titel so verschwurbelt – Klasse?

Wie üblich könnte man Hunderte von Seiten füllen und trotzdem Larussos Wortwitz nicht adäquat auf den Punkt bringen. Da hilft dann leider nur selber hören und fühlen – checken anfangen.

Und wenn Dende anfängt, von Eichhörnchen zu erzählen, die einen Ring um ihn bilden, dann wird sichtbar wie wichtig in dieser imagegefickten Epoche so ein herrlich selbstironischer Hanswurst ist. Ritz Normalorap ins Display Deines i-phones!

Dende hat sich völlig freigeschwommen & tut nur noch was er am besten kann, glänzen & stylen, wenn auch etwas weiter weg von Rap als erwartet. Begrenzte Gangstarapgeister, 2Turntables1Mic-Stalinisten und die ewigen Bescheidwisser & Hasser, werden der Platte sicherlich nichts abgewinnen werden, was man ja schon an den Kritiken zu dem Freedownload von "Papierkrieg" sehen kann, deren tocotronische Hook gleich abgewatscht wird.

Egal – ich sag euch einige dieser 13 Perlen werden in 2010 öfter mal aus den Autos, Anlagen, Ghettoblastern dieses Landes schallen und möglicherweise auch Rap endlich mal aus diesem Jammertal aus Imagegewichse, Textniveaus abseits von Haus/Maus/Hurensohn-Adlib/Aus-Pattern und erbärmlicher Ideenlosigkeit führen.

Ja, ich gebs ja zu, mir Oldschoolschädel schlägt das Herz gerade bis zum Hals auf dem ein wild nickender Kopf sitzt.
Voreingenommenheit kann nicht geleugnet werden & die professionelle Distanz ist auch im Arsch. Druff geschissen, wenn so eine Platte durch die Boxen tobt, darf man auch mal die Fassung verlieren!

Jetzt hab ich eigentlich nur noch zwei Wünsche an die olle Hip Hop-Fee, Dende auf einem Beatgewitter von Scan & ein Soloalbum von Aphroe – jetzt endlich!

Danke!

+++Der Digitale Flaneur ist Gast-Autor und betreibt einen viel beachteten Blog, in dem er auch Comics und andere Themenfelder der modernen Pop-Kultur bespricht. Mehr auf seinem Blog!+++