Maeckes – Kids

Es gibt Alben, bei denen weiß man schon vor dem Hören, dass sie keinen Spaß machen werden. Das ist auch bei Maeckes neuestem Werk „Kids“ so. Während das kontrovers aufgenommene Zwischen-Release „Null“ lediglich eine musikalische Skizze wirrer Gedankenfetzen war, soll „Kids“ den Worten des Künstlers zufolge nun ein komplett ausgemaltes Bild sein.
Nein. Das Orsons-Mitglied macht bei seinen Solo-Releases nur wenige Songs, die Spaß machen. Maeckes macht Musik, die den Hörer fordert, aufwühlt, zerstört und manchmal auch einfach nur mit Fragezeichen im Gesicht zurück lässt. Anstrengende Tracks, denen man beim nebenbei Hören nicht gerecht wird. Der Künstler fordert die vollste Aufmerksamkeit seines Publikums, so lässig die ein oder andere Zeile auch, wie flüchtig auf’s Blatt geworfen klingt. Das mag man finden wie man möchte, eins ist es in jedem Fall: Kunst.
Bereits der erste Track „Grinsende Gleichgültigkeit“ zeigt minimalistisch angedeutet auf, was auf den restlichen 13 Liedern weiter ausgeführt wird. Eine Art Soundskelett, was mit jeder weiteren Minute Musik an Muskelmasse, Nerven und Haut zulegt, bis sich am Schluss das Gesamtkunstwerk „Kids“ präsentiert.
Desillusionierte Kinder, aufgewachsen in einer oberflächlichen Welt voller zwischenmenschlicher Kälte und kurzlebigen Bindungen. Befeuert durch Exzess und keinerlei Respekt vor dem eigenen Leben. Maeckes malt das Bild einer Welt, die wir weitaus plakativer dargestellt, jeden Tag im Privatfernsehen vorgeführt kriegen. Nur geht der Rapper noch weiter und erzählt von jungen Menschen, die nicht nur sein wollen, wie die Erwachsenen, sondern sich auch genau so verhalten.
Wen wundert es also, dass der Tonträger mit einem Abschiedsbrief beginnt, in dem sich der Verfasser sein Leben von der Seele schreibt, bevor die Schlaftabletten zu wirken beginnen? „Wie es so weit gekommen ist, weiß nur ich. Doch ich schildere euch gerne die Welt, die mich umgibt“ heißt es da und spätestens an dieser Stelle wird klar, weshalb gerade das vermeintliche Ende als Einstieg in das bizarre Kinder-Universum fungiert.
Wirklich erschreckend wird diese Welt allerdings nur für den, der richtig hinhört. Der Soundteppich, mal fröhlich auf- und abschwellend, mal hypnotisierend klimpernd, mal fast clubtauglich wummernd, bildet trotz unterschiedlicher Produzenten (Valencia, Marlon, Knastingers, DJ Yooter und Maeckes selbst) ein harmonisches Gesamtbild, von dem man sich schnell positiv eingelullt fühlt. Der Künstler selbst hangelt sich gewohnt sprunghaft aber nichtsdestotrotz souverän durch seine Parts. Mal singend, mal rappend, mal mehr sprechend als reimend und auch in Betonung und Stimmlage erfrischend inkonsequent. All das ist ein angenehmes Hörerlebnis und selbst wenn sich das inhaltlich nur um die Bewerbung von Heizdecken drehen würde, könnte man sagen: Ok, gutes rundes Album. Doch dann fängt man an, hinzuhören und die Abgründe tun sich auf.
Nahezu heiter spricht Maeckes davon, „Spritzgebäck“ an Leute zu verteilen, „die nur den Löffel teilten“ („Graustufenregenbogen“) und Zehnjährigen, die sich „pures Glück“ ins Glas schenken lassen („Von Logen Herab“), um anschließend die verbliebenen Erwachsen wehmütig zu fragen, wann sie zuletzt wirklich unvernünftige Sachen gemacht haben („Das Letzte Mal“). Diese Dissonanz zwischen Vortragsweise und Inhalt tut teilweise beinahe weh und hinterlässt ein Gefühl der Beklemmung.
Nach mehrmaligem Hören kristallisieren sich für mich aus dem insgesamt absolut stimmigen Gesamtwerk drei Tracks heraus, die mir einfach nicht aus dem Kopf gehen wollen. Mag sein, dass das daran liegt, dass mir die Beats und der Aufbau sofort zugesagt haben.
Zum einen wäre da „Würgegriff Des Glücks“, das unsere Gesellschaft, in der alle permanent gut drauf sein müssen, weil niemand sich zusätzlich noch mit dem Leid anderer belasten möchte, äußerst treffend beschreibt.
In „Betrunkene Kinder“ hingegen wird der Sinnspruch, nach dem nur Betrunkene und Kinder die Wahrheit sagen, auf die Spitze getrieben. So ergibt sich daraus die Konsequenz, einen jungen Menschen zu kidnappen und ihn anschließend abzufüllen, um in den Besitz der absoluten Wahrheit zu gelangen. Interessanter Ansatz, unkonventionelle Ausführung.
4 Uhr Nachts“ ist mein Favorit und gleichzeitig auch der Song, der im Gesamten die depressivste Stimmung verbreitet. Ein Kind sitzt nachts alleine auf einem Spielplatz und macht sich Gedanken. „Liebe ist nur noch der Auswuchs einer Angst, allein zu sein dank ausgeprägtem Ich-Bezug“ ist nur eine der unzusammenhängend aneingereihten Erkenntnisse, denen es trotz der skizzenhaften Ausführung nicht an inhaltlicher Tiefe mangelt.
Was nach 54 Minuten Spielzeit bleibt? – Nicht die von den Medien vielmals gescholtenen und als „Sex-Rapper“ gebrandmarkten Musiker liefern den Soundtrack für die desillusionierte Jugend, die von den Alten und Weisen so betont sorgenvoll aus sicherer Entfernung beobachtet und seziert wird. Nein! Maeckes macht diese Musik.“Kids“ ist ein unangenehmes Album. Eine CD, die man zwischenzeitlich ausmachen möchte, weil man nicht mehr zuhören will. Weil sie weh tut. Aber genau das macht dieses Werk so wichtig und einzigartig in der aktuellen Musiklandschaft. Im Interview mit uns hat er gesagt, dass die Leute irgendwann auf Rap zurück blicken und ihn als eine besondere Art von Poesie anerkennen werden.

Maeckes empfinde ich in seiner ganz eigenen Sprache schon jetzt als unerreicht.