Nazar & Raf Camora – Artkore

Bei Nazar und Raf Camora handelt es sich um zwei in Österreich ziemlich bekannte Rapper, die seit einiger Zeit aber auch dem Einen oder Anderen interessierten bundesdeutschen Raphörer ein Begriff sein dürften.
So machten sich die beiden nicht nur durch die Zusammenarbeit mit diversen etablierten deutschen Künstlern, vor allem aus dem EGJ-Umfeld, einen Namen. Auch ihre Soloalben "Paradox“ von Nazar und "Nächster Stop Zukunft“ von Raf finden hierzulande durchaus Zuspruch und das nicht nur auf Fan- sondern auch auf Künstlerseite.
Nun haben sich die beiden Österreicher zusammengesetzt und mit "Artkore“ ein Kollaboalbum abgeliefert, das am gleichen Tag wie "John Bello Story 3“ und "Asphalt Massaka 2“ erschien und in deren heißer Promophase anscheinend leider unterging. Zu Unrecht, wie sich zeigen wird.

Das neuartige Artwork und der Name des Albums versprechen dem Hörer zunächst einiges an Innovationskraft. Nach dem ersten oberflächlichen Anhören machte sich dann bei mir allerdings Ernüchterung breit. Die Themen sind alles andere als neuartig oder besonders, denn zum Großteil geht es hier um mehr oder weniger Altbekanntes: Das Leben auf der Straße, das Peinigen von schlechten Rappern, der Zwiespalt zwischen dem geführten Leben und dem religiösen Glauben, das Durchhalten in schlechten Zeiten und Ähnliches.
Hier findet thematisch einfach nur eine gemäßigte, solide Form des Straßenraps statt, ohne Überraschungen, Besonderheiten oder Neuerungen. Das alles hat man so oder so ähnlich, von etlichen Vertretern des Genres, schon tausendmal gehört. Auch besonders krasse oder lustige Punchlines sucht man vergebens. Das hört man dann so durch, aber wirklich hängen bleiben tut leider nichts.

Die großen Stärken der beiden Rapper und damit die Charakteristik, mit der sie sich von ihren zahlreichen Kollegen abheben, liegen auf anderen Feldern. Thematisch und Punchline-technisch mag das alles 0815 sein, aber die Umsetzung des Ganzen ist dafür auf jeden Fall überragend.
Mit ihrem sehr versierten, variantenreichen Flow können Nazar und Raf voll und ganz überzeugen und begeistern. Diese technische Umsetzung, gepaart mit der harten österreichischen Aussprache der Beiden, ist alles andere als Standard und erinnert mich schon mal an französische Kollegen, was aber durchaus als Kompliment zu verstehen ist.

Die kreierte Stimmung und Atmosphäre, zieht mich als Hörer definitiv in den Bann, denn die musikalische Untermalung und die, sowohl in Wortwahl und Flow, als auch Aussprache sehr eigene, irgendwie "kantige“ Rapweise von Nazar und Raf bilden ein absolut stimmiges Gesamtbild.
Die beschriebenen Bilder in den Texten mögen zwar nicht neu sein, allerdings sind sie dafür auch sehr solide, ohne Fremdscham-beladene Ausfälle und sie fügen sich perfekt  ins große Ganze, sprich die Musik ein.
Da stimmt dann wirklich alles – bis aufs kleinste Detail, wie zum Beispiel bei "Angst", wo durch den Text, die Rapweise, den Beat, die Hook bis hin zu den Adlibs diese bedrohliche Stimmung komplett von vorne bis hinten richtig krass umgesetzt wird. Das fesselt. Das begeistert. Das ist richtig gut.

Was dem Album außerdem sehr zu Gute kommt sind die Hooks, die fast durchgängig Ohrwurmcharakter haben.
Vor allem wenn Raf singt, gerne auch auf französisch, wie auf "Wo du nicht bist“, bleiben diese Gesangspassagen im Ohr hängen und werten jeden Track auf.
Vom ersten bis zum letzten Song ist es erstaunlich, wie gut die beiden Rapper harmonieren. Das klingt wirklich wie aus einem Guss, ist dabei aber keinesfalls eintönig, denn in Art und Weise des Vortrags und Stimmfarbe unterscheiden sich die beiden sehr, sodass eine angenehme Abwechslung und Spannung erzeugt wird.

"Artkore“ beinhaltet runde Songs, die zwar, wie gesagt, keine wirklichen Überraschungen bergen, aber durch die saubere Umsetzung überzeugen. Die fesselnde Atmosphäre, die eigenwilligen Flows und die Ohrwurm Hooks begeistern mich definitiv.
Nur die Auseinandersetzung mit den Schattenseiten des Ruhmes auf "Reich und schön" setzt dann einen etwas traurigen Schlusspunkt unter das Album.
Zwar kann ich mir vorstellen, dass es nicht immer einfach ist, berühmt zu sein, aber Zeilen wie: "Doch glaub mir, hätte ich die Wahl, das Rad der Zeit zu drehen, wär mir hässlich und arm lieber als reich und fame“ nehme ich den Beiden dann doch nicht ab.
Der Track klingt leider übertrieben bescheiden und hinterlässt einen leicht faden Beigeschmack, nach dem insgesamt doch sehr, sehr guten Album.