Das aktuelle Werk des Bochumer Rappers Nizzla, der sich nach eigener Aussage nicht dafür interessiert „wieviele Kinder“ ihn kenn’, setzt sich inhaltlich aus drei Themen zusammen, wobei die Kategorie Rap Schrägstrich Realness am stärksten vertreten ist. Ansonsten geht es hauptsächlich um Frauen und Suff.
Der Rapper scheint jedenfalls ein ganz lässiger zu sein, was absolut positiv gemeint ist. So klingt sein Album "Zeit, Herz und Rhythmus" im Allgemeinen ziemlich entspannt. Das liegt nicht nur an der Gitarre im repräsentativen ersten Track „Das Ist Nizzla“.
Diese lockert den Beat stark auf, den Rest trägt der zurückgelehnte Flow des Musikers dazu bei. Inhaltlich bietet das Lied jedoch nichts Spektakuläres. Seine Realness betonend, stellt der Rapper hier klar, dass Geld für ihn keine große Rolle spielt. Solang er nur rappen kann und das Ergebnis qualitativ tip top ist (" … und wie gewohnt/alles hochwertig vertont …"). Featuren würde er auch nicht jeden und "lädt […] nur erlesene Gäste" zu sich ein.
Die Tracks „Für Den Reim“, „Immer Noch Rap“, „Underground Representz“ und „Prosto W Pysk“ sind eindeutig der ersten Kategorie zuzuordnen und unterscheiden sich inhaltlich nicht großartig. In „Für Den Reim“ beschreibt er zum Beispiel wie er anfing zu rappen. Er wollte immer der Beste sein, damals bei den Freestyle-Sessions im Keller eines Kumpels. Von Fame wollte er nichts wissen, wichtiger war ihm die "Anerkennung von anderen Rappern".
Genau darum geht es dann auch in „Immer Noch“, wo der Bochumer betont, dass er "immer noch rap" sei und auch gerne mal "für lau auf[tritt]". Nichtsdestotrotz darf man sich das mit der Popularität ja mal vorstellen und so träumt Nizzla von "dicken Karren mit dicken Felgen" und "20-jährigen Chicas mit aufgespritzten Titten/dicken Lippen".
Wo wir auch schon beim zweiten der drei großen Themenblöcke der CD wären, die Weibers. Beim Titel „Richtiger Nerd“ geht man instinktiv davon aus, dass gleich Brillen tragende Informatik Studenten durch den Dreck gezogen werden. Stattdessen erzählt der Rapper hier jedoch von seiner gewaltigen Vorliebe für riesige Hupen („Ok, ich hab nen Fetisch, ich mag die Titten nur dick.“) und was er bei der Gelegenheit mal mit solchen machen würde. So grapscht er hier einer schlafenden Schönheit in die Bluse und egal mit welcher Intensität er zupackt wacht sie wohl nicht auf. („Sie schläft tief und fest, egal wie ich knete, ich krieg wie ein Hund davon ne rote Rakete.“)
Auch in "Alles Bestens" beschäftigt sich der Rapper mit dem weiblichen Geschlecht. Dieses Stück ist neben „Du Und Ich“ übrigens der schwächste Track des Albums. So streift er in „Alles Bestens“ auf der Suche nach Perlen durch die Stadt und pumpt in Gedanken den Puppen „die Suppe in’ Bauch rein“. Den Refrain singt eine gewisse Aischa, auf einmal auf Englisch und auch wenn sie wahrscheinlich keine schlechte Sängerin ist, will das nicht so recht ins restliche Album passen.
Auch „Du Und Ich“ animiert nicht zum öfteren Hören. Mit einer provokant emo-erotischen Hook, gibt der Rapper hier mit einer unbekannten Partnerin seine Gesangskünste zum besten. Und beide raunen immer wieder "Du und ich, beide so einsam" in’s Mikrofon. Das wäre vielleicht gar nicht so schlimm, wenn das ganze irgendeinen Bezug zum restlichen Text hätte. Dieser ist aber an sich schon so wirr und konfus, dass hier kein sinnvoller Zusammenhang erkannt werden kann.
Außer den zwei jungen Damen sind auch noch andere „erlesene“ Feature-Gäste dabei. Ein Künstler namens Noletsch beteiligt sich sogar mehrfach auf dem Album.
„Wódka Sie Leje“ ist eine Art Hass-Liebeslied auf das polnische Nationalgetränk, in dem der polnische MC nicht nur den Refrain, sondern auch noch einen Part rappt.
Nizzla beschäftigt sich etwas kritischer mit dem Wasser des Lebens. Der Sohn polnischer Eltern dachte demnach, die Frage ob man Wódka trinkt oder nicht, sei "der Unterschied zwischen Kindern und Männern", was er im Nachhinein aber selbst nicht mehr ganz so schlau findet, zumal er auch erkannt hat, dass die Aggression analog zur Zahl der Alkoholprozente ansteigt.
Ob es sich beim Featuregast in "Prosto W Pysk" tatsächlich um den Vater des Musikers handelt, darf bezweifelt werden. Zitat: "ihr käännt sagen was ihr wollt, ich scheisä drauf! Ihr seid das Lätzte! Ihr Värsagär haltet die Frässä!" und obwohl man nicht versteht worum es in den Gastbeiträgen des Polen geht, hört es sich zu gut an, zumal Rap auf polnisch irgendwie gefährlich und cool klingt.
„Ich Sauf“ fällt dann genau wie „Wódka Sie Leje“ mit Noletsch, wie der Name schon fast vermuten lässt, in die „Alk“-Kategorie. Hier gibt es mit einer "Und ich sauf, sauf, sauf und sauf."-Hook keine geistigen Höhenflüge und überhaupt ist es für den Künstler gar nicht so schlimm mal in der Böschung zu liegen und einfach assi zu sein.
Eins von zwei Liedern, die sich nicht in einer der drei Schubladen stecken lassen und dadurch hervorstechen, ist „Requiem“. Im achten Stück des Tonträgers verarbeitet Nizzla den Tod seines Großvaters. Der Beat ist angemessen monoton. Und obwohl es auf dem restlichen Album weniger nachdenklich zugeht wird hier der Verlust eines geliebten Menschen und vor allem die Zeit davor, die Zeit des Sterbens sehr authentisch beschrieben.
Das zweite Lied, das aus dem Rahmen fällt, ist eines der besten und heißt „Sag Nix“. Die große Überraschung hat sich der feine Herr Nizzla nämlich für den Schluss aufgehoben. Da legt dann plötzlich eine Hardcore Band namens "Western Standard" los. Zwischen wildem Gekreische rappt der Ruhrpottler zum Beispiel, dass kleine Würmer an seinen Ohr’n nix verlorn hätten und ansonsten aber „für den Rap shit zu wack bist“ . Nach noch nem kleinen Bischen Gekreische und Gesample sorgt dann Gescratche am Schluss für den gewissen Hauch Hip Hop.
Abgesehen von ein paar kleinen Ausnahmen ein gelungenes, abwechslungsreiches Album. TROTZ vereinzelter Ähnlichkeiten zu Rapkollegen wie Blumentopf in „Für Den Reim“ oder einer Mischung aus Favorite und Suffatze Schulte in „Ich Sauf“ glänzt Nizzla vor allem durch seine Wandelbarkeit beim Musizieren, so dass man teilweise sogar den Eindruck haben könnte, Nizzla ist nicht nur einer sondern mehrere Rapper, die da zum Mic greifen.