S-Rok – Sprachbarriere

Zur Sache: Mir, als Zugezogener war S-Rok bislang kein Begriff, die Berliner werden den Namen wohl schon etwas länger kennen. Wir kamen letzten Samstag im Cassiopeia ins Gespräch und so erhielt ich den Silberling, denn ich jetzt zu würdigen versuche.

Sprachbarriere, so der programmatische Namen, denn S-Rok hatte allen Grund über eine solche nachzudenken. Und dies war keine Koketterie mit einer überzeichnende Künstlerpersona, sondern tatsächliche Konfrontation mit negativen Diagnosen verschiedener Ärzte, welche ihm aufgrund seiner Gaumenspalte absprachen, dass er jemals richtig sprechen kann.

Verständlicherweise muss man an einer solchen medizinischen Determination erstmal knabbern, aber S-Rok therapierte sich mit Musik und deshalb kann er so grandiose Hooks, wie die folgende entwerfen.

" […] Ich bin S-Rok und singe die Lieder die zum Denken anregen und die Sinne berühren / zeig mir eine Sprachbarriere und ich springe hinüber, denn die Leute können mich verstehen, sie können es fühlen […] " ("Sprachbarriere")

Und ja verdammt, man kann die Tiefe, die Wut, die Enttäuschung und das trotzige Auflehnen gegen die Beschränkung aus jeder einzelnen Silbe heraus hören, hier hat sich jemand freigeschwommen, ohne Wenn & Aber. Hut ab!

Der Flow ist auf eine angenehme Art unhektisch und der alten Schule verpflichtet, aber wenn S-Rok die Silbentaktzahl erhöht und in den Cyphermodus switcht, wäre ein beigelegtes Textheft wünschenswert, denn hier gehen beim ersten Durchhören manche Sprachbilder leider unter. Aber diese Platte bietet sich ohnehin an, unterwegs mit Kopfhörern genossen zu werden, so kommen auch die raffinierten und vertrackten Beats (meist von Kenji 451 oder Dion) richtig zur Geltung.

Ich bin zwar kein allzu großer Freund von eingängigen Hooks, aber S-Rok hat den Bogen raus, egal ob er bei steten Wiederholen des Refrains von "Ich versuche es" fast wie ein junger Blixa klingt oder die Arbeit an Chefket abgibt, der massig Soul ins Material einmassiert. Und auch Miss Flint, die einzige weibliche Featurette gibt "Tanz" durch ihre souligen Einlagen einen hübschen Schwung mit, von dem der Song und vorallem sein Thema nur profitiert. Tanz als Therapie, Antworten können manchmal so einfach und schlicht sein.

Aber es ist ein gänzlich anderer Aspekt der Platte, der mich stärker überzeugt. Hier werden kleine, charmante Alltagsgeschichte erzählt und egal ob er abgeklärt über die mickrigen Flügel von Amor oder elegant spöttisch über die falsche Entscheidungen von Strassenkindern rappt, dieser Storyteller fesselt.

Anhand seines positiven, spirituellen Zugriffs auf HipHop überraschen die beiden Features mit Amewu & Chefket nicht weiter & auch der selbstbewusste Umgang, mit einem früheren Zögern ist ist durch die ansprechende poetische Bearbeitung mehr als fühlbar. Moodmusik, wenn ihr wisst was ich meine.

"[…] in einer regnerischen Nacht über mein Leben nachgedacht / oft fehlte mir die Kraft, ich war träge und zu schwach / doch dann besselte mich das Nass, denn der Regen ist mehr als das / mehr als die Summe seiner Tropfen – plitsch plitsch platsch […]"  ("Regen")

Solche geerdete Regentropfen-Poesie kommt nicht aus dem Töpfen der Industrie, leider. Aber deren Monothematen verdienen Zaster & Asche und S-Rok wühlt noch immer im Untergrund. Ein Fakt den ich absolut unverständlich finde, saftige, knusprige Beats, Themenvielfalt und perfekte passende Gäste – Deutschland, was los?

S-Rok macht bei allen Features eine sehr gute Figur, aber Riddlore nimmt ihm bei "The Answer" schon die gesalzene Butter von der Stulle, aber bei wem wäre dass groß anderes. Amewu und Er  lassen dann ganz große Kunst aufs Volk los und rappen wundervolles übers Vagabundieren, eine Lebensart, der ich mich auch sehr verplichtet fühle, ja der Flaneur reist ne Runde mit und gibt Liebe.

Chefkets Einsatz bei "Abendsonne" ist so voller Soul, dass es mir eben trotz Rotznässe ein breites Grinsen ins Gesicht zauberte. Definitiv ne Nummer, die ich bei meinem nächsten Flirt einsetzen werde … *G*. Funktioniert sicherlich aber auch mit Kollegen, die ein wenig durchatmen wollen und sich von dem Stress der Stadt abwenden wollen.

Und die Kombination der beiden wundervollen Welten von Plattenästhetik & Terry Prachett’s Schildkrötenutopien in die Abschlussnummer "Die Welt ist eine Scheibe", nach der galligen & pazifistischen (richtig gelesen / schlagt gerne mal nach) Nummer "Bombe", machen das Paket einfach rund.

Und ihr macht jetzt diese Welt mal gerechter & kauft bei den Konzerten oder bei MySpace diese erstklassige CD. 18 Songs voller Soul, Witz, Cleverness & Esprit für’n 5er – dass ist eigentlich ein Witz, aber er meint es ernst. Leider.

Supporten, kaufen, Konzerte & S-Rok’s MySpace-Seite checken. Bitte!

+++Der Digitale Flaneur ist Gast-Autor und betreibt einen viel beachteten Blog, in dem er auch Comics und andere Themenfelder der modernen Pop-Kultur bespricht. Mehr auf seinem Blog!+++