Chimperator

Die Meisten hielten es wohl für einen weiteren Promo-Gag, als die große "11 Jahre Chimperator"-Jubiläumstour angekündigt wurde. Elf Jahre? So lange hatten wohl die Wenigsten das kleine aber feine Label aus dem Süden Deutschlands schon auf dem Schirm. Tatsächlich saßen aber schon im Jahre 1999 drei Herren in Stuttgart zusammen und planten die Übernahme des Rap-Games -oder was Labelbosse sonst so tun. Wie hart die Zeit des ausbleibenden Erfolgs wirklich war, warum man trotzdem nicht aufgegeben hat und sich aktuell auf einer Stufe mit dem ehemaligen Hauptstadtlabel Aggro Berlin zu dessen besten Zeiten sieht: Darüber sprachen wir mit dem Öffentlichkeitsarbeits- und Künstlerbeauftragten Sebastian Andrej Schweizer also known as Basti. Mit dabei war außerdem Tua, seines Zeichens Mitglied der Orsons, der jetzt eine Neuauflage seiner zwei EPs "Inzwischen" und "Fast" als "Stille" via Chimperator veröffentlicht. Der Reutlinger hatte nicht nur etwas über seine anfänglichen Zweifel bezüglich des "Orsons"-Images zu sagen, sondern sprach außerdem darüber, was ihn in seinen Jahren bei Royalbunker und Deluxe Records so gestört hat.

rap.de: Elf Jahre Chimperator, da könnte man ja jetzt schon fast sagen, das ist das dienstälteste Deutschrap-Undergroundlabel Deutschlands. Seit wann produziert ihr jetzt wirklich ernsthaft? Ich würde sagen, im Jahr 1999 hat man euch jetzt noch nicht so auf dem Schirm gehabt. Das ist ja erst in den letzten Jahren mehr geworden. 

Basti: 1999 haben wir zum ersten mal etwas released. Das war das Tape "So ist Es" von der Gruppe "Supreme Techtics". Das waren Steven, unser damaliger Grafiker, der auch das Affen-Logo entworfen hat und heute in Japan lebt, und Coco.
 

Wir haben halt Musik gemacht, gerappt, sind auf Jams gefahren und so was und 1999 kam dann das Tape raus, da haben wir dann das Logo drauf gemacht und da stand zum ersten mal Chimperator drauf. Das haben wir auch nur live verkauft, das gab es nicht mal bei MZEE oder so was. Und darauf folgten dann von der Gruppe Kesselkost eine Vinylplatte, die wir dann "schon“ über die WOM-Märkte vertrieben haben.

Die haben uns eine kleine Stückzahl abgekauft und die gab’s dann. Ich weiß nicht, ob’s die deutschlandweit gab oder nur in Süddeutschland. 

rap.de: Was für eine Auflage war das?

Basti: 500. 

rap.de: Wie viele habt ihr davon verkauft?

Basti: Nicht die 500 auf jeden Fall. Also die Hälfte vielleicht. Und auch nicht auf einen Schlag. 

Tua: Aber damals ging das auch nicht. Damals hat glaub ich keiner von uns gedacht: "Wieviele verkaufen wir davon?“. Nicht mal: "Wir müssen so und so viele verkaufen, damit wir das Geld wieder drin haben“.

rap.de: Wer hat das denn finanziert? 

Basti: Das haben damals immer die Rapper selber finanziert. Die sind arbeiten gegangen. Bei Bosch, bei Daimler, bei Porsche und haben das selber gezahlt. 

rap.de: Und was hat dann das Label gemacht?

Basti: Das Label waren ja die Rapper. Wir waren drei Bands, die irgendwann gesagt haben: "Wir machen jetzt zusammen ein Label“ und aus jeder Band gab es so quasi einen Gesellschafter.

rap.de: Und du hast auch gerappt?

Basti: Ich habe auch gerappt, ja.

rap.de: Bei der Gruppe Kesselkost.

Basti: Nee, ich war bei der Gruppe Bejone & Vince. Vince war der DJ, ich war Bejone. Ich habe aber nie was veröffentlicht, weil ich da angefangen hab, mich so ein bisschen um das Organisatorische zu kümmern. Das hab ich dann immer mehr gemacht, habe gemerkt, dass mir das Spaß macht und dadurch habe ich nie wieder was rausgebracht.

Aber das war ok. Ich dachte damals, den ganzen Glamour krieg ich ja auch als Label Manager mit.

rap.de: Ist das so?

Basti: Ein bisschen bestimmt. 2004 hab ich noch gerappt, da waren wir auch auf Tour. Mein schönstes Tourerlebnis war in Österreich, in einem 4-Sterne Hotel mit einem Wellness-Bereich, wo wir dann Afterparty gemacht haben im Whirlpool, mit Wodkaflaschen und Frauen. Davor die Nacht haben wir in München übernachtet, da waren wir in einem Stundenhotel untergebracht mit Tigerbettwäsche und Blut auf den Bettlaken. Das war das andere Extrem. Seitdem habe ich nie wieder so was erlebt. 

rap.de: Seitdem ist es einfach gediegenes Mittelmaß. 

Basti: Ja. 

rap.de: Hast Du Dir die Labelarbeit vorgestellt, wie sie dann im Endeffekt war? 

Basti: Ich habe von 2002 bis 2003 im Rahmen meines Studiums ein halbes Jahr bei der EMI gearbeitet. Das war dann das erste mal, dass ich wirklich dieses Label- und Musikbusiness in echt mitbekommen habe und dadurch hab ich das dann direkt von der Majorseite kennengelernt. Davor hab ich immer so gesagt, die sind die Bösen, die Majors, die wollen nur Geld verdienen und das darf man nicht und so was.

Ich hab dann aber gemerkt, dass die Leute bei der EMI, die dort arbeiten auf ihre Art genau so Musikliebhaber sind. Das sind jetzt keine Haie, die den Künstler ausnehmen wollen. Die mögen das, die machen ihren Beruf, den sie für sich gefunden haben, weil sie ihn gerne machen, weil sie gerne was mit Musik zu tun haben und weil ihnen das wichtig ist.

Damals ging es der Musik auch noch ein bisschen besser, da kam grad das "Mensch“-Album von Grönemeyer raus, da waren dann dauernd Partys auf der Dachterrasse mit Freibier und Grillen und so was. Aber um auf deine Frage zurück zu kommen, da habe ich dann schnell gesehen wie die Musikindustrie arbeitet und es war dann nicht so, dass ich später gemerkt habe: "Oh, ich habe mir das alles ganz anders vorgestellt und in echt ist es jetzt so und so“. 

rap.de: Du hast an der Popakademie studiert. 

Basti: Ja.      

rap.de: Hat dir das irgendwas gebracht für deinen Beruf?

Basti: Popakademie habe ich gemacht, weil mein erstes Studium nicht wirklich mit Musik zu tun hatte. Vorher habe ich Internetradio gemacht, ich hab Videos gedreht und so Sachen. Das hatte aber nicht unbedingt was mit Musik zu tun und ich hatte da ab und zu das Gefühl, dass ich da vielleicht was falsch mache. Ich weiß nicht, wie das mit der Steuer ist oder der GEMA, hab das alles nur so gelesen gehabt und dann dachte ich, an der Popakademie sagt mir jemand, wie das wirklich alles ist.

Während dem Popakademiestudium hab ich dann allerdings gedacht, ok, das alles, was wir hier lernen, das mach ich schon die ganze Zeit. Ich weiß wie der Vertrieb funktioniert, ich mach Promo, ich mach Künstlerentwicklung und all das. 

rap.de: Hast du den Eindruck, dass da auch viel Glück dabei ist, wenn man als Label erfolgreich ist?

Basti: Ja, ich glaube Glück ist immer dabei. Das ganze Geschäft ist halt nicht so berechenbar wie mit Schrauben zu handeln oder so. Es ist auf jeden Fall immer ein Risiko dabei und selbst wenn der Act super ist, wenn der alles kann, technisch perfekt ist, gut aussieht kann es auch sein, dass es nicht funktioniert. 

 

rap.de: Bist Du jetzt Chimperator oder gehören da noch andere dazu?

Basti: Nee, wir sind zu dritt. Mein Kumpel Niko, der macht die kaufmännische Leitung, alles was mit Steuern zu tun hat, er macht Vertrieb, den Shop und er guckt auf’s Geld.

Ich mach das Marketing, Künstlerentwicklung, wenn sie mich lassen, die Promo und den kreativen Bereich.

Und Steffen macht das Booking, das ganz Live-Geschäft. 

rap.de: Ist das eine Aufteilung, die Du für ein Label empfehlen würdest?

Basti: Ja, auf jeden Fall. Diese Konstellation gibt es jetzt auch erst seit zwei, drei Jahren und davor hab ich auch das Booking mitgemacht und das ist einfach nicht mein Ding und ich hatte wenig Zeit dafür.

Und auch gerade dieses Finanzielle ist überhaupt nicht mein Ding. Ich kann überhaupt nich mit Geld umgehen, das weiß ich und habe davon von Anfang an die Finger gelassen.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man guckt, wer was kann und sich das so ein bisschen aufteilt.

rap.de: Würdest Du sagen, dass Euer Label erst vor zwei, drei Jahren so richtig an den Start gekommen ist? Oder ab wann ging’s wirklich los?

Basti: 2004 haben wir den Vertriebsvertrag unterschrieben mit Rough Trade und ab da konnten wir dann deutschlandweit releasen und haben auch direkt das erste Maeckes & Plan B Album veröffentlicht, was auch schon sehr gut war, fand ich.

Ich glaube, dass unsere Künstler immer so ein bisschen unterschätzt wurden. Das war auch gerade die Zeit, als es gerade richtig rund ging mit Aggro. Alles wurde sehr aggressiv und das waren wir halt nich und dazu war es noch witzig und wenn’s witzig ist, dann nimmt man das gleich eh nich so ernst und außerdem war die Zeit noch nich reif dafür.

Ich glaube aus unserer Sicht ging’s schon 2005 los. 

rap.de: Das heißt fünf Jahre Aufbauarbeit und dann ging’s erst richtig los. Das ist ja eigentlich schon beachtlich, weil viele Labels, die fünf Jahresklippe gar nicht erreichen. Was hat euch motiviert weiter zu machen?

Basti: Also es gab immer wieder Momente, wo wir kurz davor waren, zu sagen, wir lassen’s jetzt, es reicht. Wenn halt wieder kein Geld da war.

Ich hab das halt auch immer neben meinem Studium gemacht, konnte dann auch nicht wirklich viel jobben nebenher, hatte wenig Geld, hab halt nur Nudeln gegessen und Pfandflaschen weggebracht und so was.

Dann geht das so ein bisschen an die Substanz und ich hab auch überlegt, was mir das eigentlich gibt? Das weiß ich nich so richtig. 

rap.de: Muss man ein Getriebener sein, um das zu  machen? Muss man besessen sein?

Basti: Ich glaube ja. Auf jeden Fall. Man darf das nicht machen, um Geld zu verdienen.

rap.de: Stichwort Künstlerentwicklung, das interessiert mich dann doch. Machst Du da so Pläne für die einzelnen Künstler oder wie stellt man sich so einen Künstlerentwicklungsplan vor?

Basti: Bei den Orsons zum Beispiel war ich beim ersten Album nicht involviert in die Produktion, überhaupt nicht. Das wurde ja innerhalb von vier Tagen gemacht und dann haben sie gesagt: "So, hier ist das Album. Jetzt macht, damit was ihr für richtig haltet.“.

Ich hab das Album gehört und überlegt, was wir damit machen und wie wir das rausbringen können. Wer sind die Orsons? Was machen die? Ich habe anhand des Album dann den Pressetext geschrieben. Ich hab gesagt, ich möchte, dass die Orsons so und so gesehen werden, deswegen schreib ich den und den Pressetext, deswegen machen wir bunte Fotos, deswegen machen wir was mit Schweinen, wir machen Herzen, wir machen rosa.

Tua: Basti ist an allem schuld.

Basti: Wir machen alles, was die anderen NIE machen würden und provozieren damit, anstatt Hurensohn zu sagen.

Das schreib ich mir tatsächlich auf und mach mir einen Plan. Ich schreib mir Schlüsselwörter auf. Was sind die Orsons? Zehn Schlagwörter.

Ich schreib mir auf, welche Zielgruppe wir haben möchten oder was ich denke, was die Zielgruppe ist.

Ich schreib auf, wo wir diese Zielgruppe treffen, wie wir die ansprechen und schreib mir die Ziele auf, die wir promotechnisch erreichen wollen.

So einen Plan mache ich bei jedem Album und den Plan gehe ich durch, auch mit dem Vertrieb und sag dem Vertrieb, was das Album für uns ist, es kann ja sein, dass jemand was ganz anderes darin hört.

Das ist vor allem auch für die Band wichtig, weil sie der Hauptkommunikator nach außen ist und das natürlich auch alles verinnerlichen sollte und nach außen sprechen sollte und für mich als Promoter ist es auch wichtig, das immer vor mir zu  haben und mich auch immer darauf berufen zu können. 

rap.de: Wo hast du das Know How her, dass Du diesen Plan da so entwickelst? 

Basti: Ehrlich gesagt denke ich, dass das jeder so macht, oder nicht?

rap.de: Tua, wie findest Du das als Künstler? Hast Du diesen Plan dann auch mal zu Gesicht bekommen? 

Tua: Was ich im Vergleich zu allen anderen Labels, bei denen ich bisher war, sagen muss, ist, dass bei Chimperator eine ganz andere Kommunikation vorherrscht.

Da gehen wirklich an einem Tag 20 E-Mails hin und her. Das war schon beim ersten Orsons Album so. Wenn man eine Idee hatte, hat man die in den Mailpool geworfen und darauf wurde dann auch reagiert. Von jeder Seite kommen Ideen oder auch schon abgecheckte Sachen. 

rap.de: Fühlst du dich wohl in dieser Umgebung? 

Tua: Voll. Also für mich ist es super, weil das ist wirklich so eine ganz familiäre Sache. Bei Chimperator ist das so, dass erst mal das Persönliche stimmen muss, bevor überhaupt irgendwas passiert. Also ich kann mir auch nicht vorstellen, dass jetzt plötzlich irgendwer dazu kommt, der nur gesignt wird, weil er jetzt jemand ist, der erfolgsversprechend ist. Dieses Modell funktioniert bei Chimperator nicht. 

rap.de: Siehst du das genauso? Würdest Du sagen, Du signst aufgrund von Sympathie und nicht aufgrund von geschäftlichen Interessen? 

Basti: Nee, würde ich nicht so sagen. Ich glaube, das ist im Moment halt so, weil wir uns alle gut verstehen und weil wir Freunde sind. Das wird nicht immer so sein. In zwei Jahren kann das auch wieder vorbei sein und wenn ich jetzt jemanden richtig krass finde und sehe, das funktioniert, den find ich gut, der passt zu uns, würden wir den auch unter Vertrag nehmen. 

rap.de: Gibt es jemanden, den du zur Zeit interessant findest, der Free Agent mäßig auf dem deutschen Rapmarkt zu haben ist? 

Basti: Ich hör mir sehr viel an, ich hör mir eigentlich nur Deutschrap Sachen an, beruflich quasi. Alles was so raus kommt, hör ich mir auch an, aber jetzt im Moment fällt mir nichts ein.

Casper finde ich natürlich super. Wäre der frei, würde ich ihn gerne nehmen natürlich. 

rap.de: Würdest du dir auch zutrauen Bands aus einem anderen Genre zu holen? 

Basti: Inzwischen auf jeden Fall. Ich finde auch, dass Chimperator das inzwischen machen kann. Ich bräuchte da wahrscheinlich noch Hilfe was die Promo angeht, weil ich einfach zu wenig Kontakte in anderen Genres hab.     

rap.de: Tua, Du hast ja jetzt eine Label-Reise hinter Dir und Dein neues Album, was ein Re-Release ist, ist Deine erste Chimperator-Veröffentlichung…

Tua: Na ja, nicht wirklich. Meine erste Solo-Veröffentlichung, davor kamen ja die zwei Orsons-Alben.

rap.de: Wie hast du denn das Ende von Deiner letzten Labelheimat, von Deluxe Records miterlebt?

Tua: Was mir schon immer wichtig war, ist, dass ich keiner bin, der bei jemandem ins Camp kommt, da unzufrieden ist, sich nicht kompromissbereit zeigt und dann mit Ach und Krach geht. Das war damals sowohl bei Royalbunker so, als auch bei Deluxe so. Mir war immer wichtig, dass das ein einvernehmliches Ding war. Man hat gesagt: "Ok, wir haben es versucht, aber es funktioniert nicht“.

Bei Deluxe war einfach klar, dass sich das zum Ende hin bewegt. Das tatsächliche Ende habe ich mitbekommen, als ich gerade mit Samy auf Tour war und er zu mir gesagt hat: "Pass auf, ich habe in der Backspin gesagt, es ist zu.

Er hatte davor schon mit uns gesprochen gehabt, dass das keinen Sinn mehr macht und mir war das auch im Vorfeld klar, dass ich da wahrscheinlich nichts mehr machen wollen würde. Aber ich bin kein Typ, der vorschnell aufgibt. 

rap.de: Was ist der elementare Unterschied zwischen Chimperator und Deluxe Records?

Tua: Durchsichtigkeit. Ich bin sowohl bei Royalbunker, als auch bei Deluxe immer verrückt geworden, weil ich nicht wusste, was geht und was nicht geht? Ich wollte immer wissen: Was passiert, was wird faktisch gemacht für mein Release? Was macht man jetzt, was kommt als nächstes? Wo kann man hin, wo kann man nicht hin? Was geht da finanziell? Das hatte ich nie.

Bei Deluxe war es glaube ich schwierig, zu kommunizieren. Der Mann, der lange das Label-Management gemacht hat, war so ein Typ, den hast du angerufen und der ist nicht ran gegangen. Teilweise zwei Wochen lang nicht.

Die Kommunikation stimmt bei Chimperator und es ist durchsichtig. Es wird vorher gesagt: "Wir können so und so viel machen und das werden wir auch machen. Der macht das, der macht das und ihr müsst das machen“ und dann macht man es. Wenn was dazu kommt, ist es toll, wenn es nicht klappt, dann ist es halt so.

Man weiß einfach, was passiert und was nicht passiert und darüber bin ich sehr froh. 

rap.de: Glaubst Du, dass Samy so aus dem Bauch heraus Labelchefs waren?

Tua: Bei Samy war es, glaube ich immer so ein Ding, dass er ein HipHop- oder Rap-Fan ist und dann sagt: "Hey, ich finde den künstlerisch richtig geil“. Was dann aber wirtschaftlich dabei rumkommt – da weiß ich nicht, ob er das richtig abschätzen konnte. Das ehrt ihn in gewisser Weise auch, auf der anderen Seite war die Infrastruktur dann nicht stark genug, als dass da dann jemand gesessen und gesagt hätte: "Gut, Du findest den cool, dann mach ich da jetzt was draus.“.

Samy war jemand, der hat mich gefeiert, hat gesagt "Komm mal hier hin“, aber dann war ich da und da war niemand, der mit mir arbeiten konnte. Ich bin da gegen Wände gelaufen.

Ich habe gesagt: "Ey, ich hab ne Idee, ich hab dies, ich hab das“ und dann kam: "Cool. Coole Idee, machen wir auch nicht“.

Ohne böses Blut jetzt: die waren einfach überfordert. 

rap.de: War für Dich klar, dass du zu Chimperator gehst, oder gab es noch andere Optionen?

Tua: Zu Chimperator zu gehen, war für mich natürlich absolut klar, weil ich da mit den Orsons schon war und sich das anbietet. Warum sollte ich zu irgendeinem Label gehen, zu dem ich keinen Bezug habe, wenn es da eine funktionierende Infrastruktur gibt.

Ich denke, es wird jetzt niemanden mehr krass schockieren, dass mein nächstes Release bei Chimperator raus kommt. 

rap.de: Basti, siehst Du das als Gefahr, dass man Aufbauarbeit leistet und dann irgendwann so ein bisschen ausgebootet wird?

Basti: Ja, voll. Das ist so die große Angst, die mich verfolgt. (lacht)

rap.de: Was du fürchtest, das findet dich! (Gelächter)

Basti: Es ist schon ärgerlich. Jetzt ist ja alles gesetzt und so, aber am Anfang hat niemand  gedacht, dass Maeckes und Bartek mal krass werden.

Viele Leute haben damals nicht daran geglaubt, aber Chimperator hat es getan und viel Zeit und Arbeit und Ärger und was weiß ich da rein gesteckt und es ist ja unglaublich anstrengend so was. Jetzt, wo es läuft, kommen plötzlich Leute und sagen: "Hey, wo seid ihr denn verlagstechnisch? Wollen wir uns da nicht mal zusammen setzen?

So was finde ich natürlich doof, aber ich verstehe das auch. Als Künstler bei so einem Indie wird es einem vielleicht irgendwann zu eng und man denkt, man ist schon weiter als das Label. Das ist halt so.

rap.de: Wie geht Ihr damit um, dass es mit dem Tonträgermarkt nicht mehr sonderlich weit her ist?

Basti: In Zukunft verdienen wir wahrscheinlich mehr über Merch und Live als den Tonträgerverkauf.

Ich glaube dass die Tonträger eher für die Marke xy ein Marketing-Tool sein werden. Für die Marke Tua ist ein Release dann zum Beispiel ein Marketing-Tool, um T-Shirts, Konzerte und… Urlaubsreisen zu verkaufen.

rap.de: Ihr habt ja angefangen mit Tapes und Vinyls. Fällt es Dir schwer umzuswitchen? 

Basti:  Ich bin ’78er Jahrgang und hab selber noch Platten und Tapes gekauft, aber ich bin sehr internetaffin und habe zum Beispiel auch keine Anlage mehr zu Hause. Ich höre Musik über meinen iPod oder meinen Computer und so was habe ich schon immer sehr verfolgt.

Wie ist das Nutzerverhalten der Musikkonsumenten? Wie konsumieren die Musik, wo bekommen die ihre Musik her? Deshalb fällt mir das nicht schwer, dass diese Zeiten vorbei sind. 

rap.de: Fällt es dir als Musiker schwer, Tua?

Tua: Nee, mit Platten und Tapes hatte ich sowieso nichts mehr zu tun, dafür bin ich zu spät reingeschlittert. Für mich hat sich das mittlerweile auch irgendwie von selbst erübrigt. Früher dachte ich, mit Platten verdient man Geld und Punkt. Jetzt habe ich gemerkt, dass einem das schon so ein bisschen Kohle bringt, aber nicht längerfristig, sondern nur punktuell.

Auftritte sind so was schönes, weil man direkt Geld kriegt. Da kann man von leben.

rap.de: Jetzt bringst Du eine Platte raus, auf der zwei EPs sind, die es eigentlich als Free Download gab. Das ist doch ein Anachronismus, warum macht ihr das? Was ist das Konzept?

Basti: Die Downloads gibt es eigentlich gar nicht mehr, die findet man nicht mehr im Netz.

Tua: Man muss dazu sagen: "Stille“ ist eine Neuauflage von der 2008er EP "Inzwischen“, die über Deluxe Records "raus kam“. Das war nur eine 500er Auflage mit ganz wenig Promo und ich war nie zufrieden der Art der Veröffentlichung plus auf dem Ding sind noch ein paar neue Songs und dann hatte ich noch so eine Free Download EP gemacht, von der es wie gesagt den Link eigentlich nirgendwo mehr gibt. Die hieß "Fast“, auch so ein wahnsinnig toller Name. Dieses ganze Ding hab ich neu bearbeitet, teilweise noch mal neu gemischt, teilweise noch verbessert und das soll jetzt nachträglich noch klar aufzeigen, wie das Kapitel zwischen damals bei Royalbunker und Deluxe Records war.

rap.de: Also ist es quasi ein Prequel zu "Grau“?

Tua: Ja, genau. Tatsächlich war es aber so, dass ich vier Sachen von "Inzwischen“ erst nachdem ich "Grau“ fertig produziert hatte, gemacht habe.

rap.de: Zu dieser Zeit, nämlich zu der Zeit als Du zu den Orsons gestoßen bist, hätte ich noch ein Frage. Du bist da ja mit einer ganz anderen Attitude dazu gekommen und warst auch nicht ganz glücklich am Anfang mit diesem Schweine-Zirkus, oder?

Tua: Nee, furchtbar. Ich habe das am Anfang überhaupt nicht gefühlt, was die da machen wollten, aber ich mochte die anderen drei halt.

Entstanden ist das ganze Ding dadurch, dass KAAS und ich bei Maeckes und Plan B. auf dem Album gefeatured haben. Und dann kam es zu mehreren Zusammenarbeiten, wo wir dann gemerkt haben: "Hey, das sind keine Schwuchteln, die sind ja doch ganz in Ordnung!“ Und dann haben wir gesagt: "Cool, lass uns was starten!

Maeckes, Bartek und KAAS waren voll auf einer Wellenlänge, "Boah, geil, wir können machen, was wir wollen!“ Und ich war gerade mit "Grau“ fertig, habe tiefsinnige Texte geschrieben und ausgearbeitet und ausgefeilte Produktionen gemacht und dann meinten die: "Ey, lass mal dem whacksten Beat von dem und dem nehmen und den whacksten Text schreiben, über "Baden am Weiher“. Ich dachte nur: "Oh Gott!

Dann dachte ich mir aber, "Okay, lasse ich mich drauf ein, aber sag den Leuten auch, dass ich gar nicht feier, was ihr hier macht“. Und dadurch ist ja auch diese Haltung entstanden, dass ich auf jedem Track sage, dass ich scheiße finde, was die da machen, aber trotzdem ein Teil davon war. Erst im Nachhinein habe ich die Tragweite von dem Ganzen verstehen können.

rap.de: Hattest du das Gefühl, dass du damals eingeengt oder verspannt warst? Haben Dich die Orsosn befreit?

Tua: Die Orsons, das ist ein bisschen…Hmm, stell dir mal ein Zelt vor, das von vier Heringen im Boden gehalten wird. Es weht zwar im Wind hin und her und man kann damit machen was man will, aber es ist fest im Boden verankert, durch die Heringe, ah, das ist so ein schönes Bild für uns Rapper. Naja, es steht halt für vier Typen, die auf Solo-Pfaden dann doch wieder anspruchsvolles Zeug machen. Und so fühle ich mich als Teil der Orsons. Ich kann Dinge bei den Orsons machen, die ich als Solo-Künstler nicht machen wollen würde. Da gefällt es mir gut, innerhalb der Gruppe mal loslassen zu können.

rap.de: Auch Deine letzten Bühnen-Performances, wirkten auch viel lockerer als früher.

Tua: Gerade von Maeckes und Bartek habe total viel gelernt. Auch KAAS. Ich habe immer zu denen gesagt, "Ich finde euch beide Studio-mäßig nicht so geil!“ Aber ich fand schon, dass es geile Rapper waren, aber die Studio-Sachen, die sie vorher gemacht haben, waren mir nicht konsequent genug, nie stringent genug.

Aber wenn ich die Live gesehen habe, waren die auf einem ganz anderen Level, als ich und KAAS zu der Zeit. Die waren ja wie eine Person. So abgecheckt. Ich denke, die haben uns da viel beigebracht. Mir sogar mehr als KAAS, weil der ja auch so eine Rampensau ist, was ich ja nicht so sehr bin. Ich habe viel Lockerheit dadurch gewonnen und natürlich auch, weil wir in den letzten zwei Monaten soviel Auftritte gemacht haben.

Ich glaube aber andererseits, dass sie von KAAS und mir gelernt haben, wie man im Studio konsequent einen Sound kreiert. DA konnten WIR wiederum Fähigkeiten einbringen.

rap.de: Wie hat dir das zweite Orsons-Album gefallen?

Tua: Deutlich besser. Das ist ja auch diesmal ein richtiges Album. Es hätte größer sein können, wir hätten noch mehr feilen können, aber "Hätte, Würde, Könnte“, das war schon gut. Das erste Album war eher so ein Punk-Projekt, ein Statement und das zweite war ein Album, und darauf können wir aufbauen und das werden wir auch machen.

rap.de: Letzte Frage: Werdet ihr Deutschland abbrennen? (Grunzendes Gelächter)

Basti: Ja, auf jeden Fall. Ich finde, Chimperator ist jetzt gerade da, wo Aggro 2003 war. Uns kennen schon ein paar Leute und die merken, "Okay, da passiert was!“ Dieser Funken springt bald über und dann kommt unser "Mein Block“.

rap.de: Wer macht Euren "Mein Block“?

Basti: KAAS. Oder die Orsons!

rap.de: Und Tua ist dann der Bushido! Der, der keine Single-Hits hat, aber wahnsinnige Alben.